Das wenig wirksame, aber riskante Grippemittel des Roche-Konzerns wurde vor mehr als zehn Jahren breit in der Öffentlichkeit skandalisiert. Dabei ging es meist um die herbeigeredete Schweinegrippe. Weniger im Gedächtsnis ist, daß Milliarden von Steuergeldern ausgegeben wurden, weil das Medikament auch als geeignet zur Bekämpfung der Vogelgrippe dargestellt wurde. Dabei spielte man wie bei Corona auch mit der Angst vor Lieferengpässen:

Wildgänse aus dem Großraum Moskau ziehen derzeit zu Zehntausenden Richtung Westeuropa
»Der Schweizer Arzneitmittelhersteller Roche hat bis auf weiteres die Auslieferung des auch bei einer Infektion mit Vogelgrippe wirksamen Grippemittel Tamiflu nach Deutschland gestoppt. Damit sollen Hamsterkäufe verhindert werden, die im Ernstfall eine ausreichende Versorgung von Erkrankten mit Medikamenten verhindern können…
Zur Vorbeugung gegen ein Einschleppen der Tierseuche gehören nach Angaben des EU-Gesundheitskommissars Markos Kyprianou der Schutz vor einem Ausbruch der Vogelgrippe in den Ställen ebenso wie die Versorgung der Menschen mit Grippe-Medikamenten und Impfstoff...
Schon am Donnerstag hatte die EU das Importverbot von Geflügel und Geflügelprodukten verschärft, nachdem das gefährliche Vogelgrippevirus H5N1, an dem unter besonderen Umständen auch Menschen erkranken können, bei verendeten Vögeln nahe Moskau festgestellt worden war. Wildgänse aus dem Großraum Moskau ziehen derzeit zu Zehntausenden Richtung Westeuropa…«
Computersimulation, arme Länder und Experten
Fünfzehn Jahre vor Corona hatte man vieles vorweggenommen, aber noch nicht die mediale Wucht wie 2020 entfalten können. Bilder von verendenden Wildgänsen gingen zwar ans Herz, konnten aber mit den manipulierenden Videos von Militärlastern in Bergamo (s. hier) nicht mithalten. Was es gab, war, daß "die EU den Ausbruch einer gefährlichen Grippe-Epidemie in einer groß angelegten Computersimulation durchspielen" konnte und Oxfam warnte, "daß arme Länder am stärksten betroffen sein könnten". Und natürlich: "Experten befürchten, daß sich das Vogelgrippevirus oder ein anderes Grippe-Virus genetisch verändert und dann eine weltweite Epidemie folgt."
Vergessene Analysen
Wie erwähnt, war in den Folgejahren im öffentlich-rechtlichen Fernsehen durchaus Kritik an den Manipulationen und Subventionen möglich. 2009 berichtete die "Tagesschau" und 2011 war im SWR dies zu sehen:
Quellen und mehr hier.
"Es stimmt, dass immer wieder Katastrophen herbeigeredet werden"
2010 bekannte Prof. Adolf Windorfer, einer der Propagandisten der Schweinegrippe, in der "Welt" (der Artikel war garniert mit einem Foto des damaligen Gesundheitsministers Fipsi Rösler bei der Verabreichung des "Pikses" gegen die Schweinegrippe):
»Es stimmt, dass immer wieder Katastrophen herbeigeredet werden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Vogelgrippe, die – genauso wie das Auftreten von SARS – als Bedrohung der Menschheit deklariert wurde. Es ist dabei immer eine Gratwanderung zu gehen und auch eine persönliche Einschätzung zu treffen, in welcher Weise man eine Bedrohung erkennt oder aber für unwahrscheinlich hält. Beim Auftreten der Vogelgrippe war uns klar, dass es sich um eine verheerende Tierseuche handelt noch ohne wesentliche Bedrohung für Menschen…«
Mehr dazu in Drostens Schweinegrippe.
Wurden daraus Lehren gezogen? Dieser Artikel auf aerzteblatt.de von 2014 spricht dagegen:
»Obwohl die Cochrane Collaboration im April Zweifel am Nutzen der Grippemittel Tamiflu® und Relenza® äußerte, spricht sich die Gesellschaft für Virologie (GfV) mit der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG) für die beiden Medikamente aus – auch wegen fehlender Alternativen. Auf den Einsatz der Neuraminidasehemmer könne erst verzichtet werden, wenn neue, wirkungsvollere Medikamente zur Verfügung stünden…«
Vergessen war, was am 25.1.2012 auf zeit.de zu lesen war:
Es heißt in dem lesenswerten Artikel:
»… Regierungen vertrauten auf die Zusicherungen, dass Tamiflu die Ausbreitung von Grippeviren in infizierten Menschen hemmt . Dadurch würden die Symptome Erkrankter gelindert und schwere Verläufe – etwa mit Lungenentzündungen bis hin zum Tod – verringert. Die Erreger könnten so nur noch eingeschränkt auf weitere Menschen übertragen werden. Im Ausnahmezustand einer gefährlichen Influenza-Welle mit einem unbekannten Virus, gegen den es noch keinen Impfstoff gibt, wäre dies zunächst die einzige pharmakologische Waffe .
Doch mittlerweile ist nicht nur fraglich, ob der Wirkstoff Oseltamivir überhaupt Grippeerreger bändigen kann. Pharmawächter haben darüber hinaus erhebliche Zweifel an der Unbedenklichkeit der Influenza-Arznei. Sie rücken den Pharmakonzern Roche ins Zwielicht. Die Geschichte vom Erfolg Tamiflus gründet möglicherweise auf geschönten Ergebnissen, zurückgehaltenen Studien, von Roche abhängige Autoren und dem Versagen von Regulierungsbehörden…«
Doch auch das war bei der "Zeit" acht Jahre später in Vergessenheit geraten.
Weltweit 258 Vogelgrippe-Tote und acht Milliarden US-Dollar für Tamiflu
Vergeßlich war man auch auf im "Ärzteblatt". Dort war 2013, also vor dem oben genannten Artikel, unter der Überschrift "Tamiflu: Eine unendliche Geschichte um Datentransparenz" zu lesen:
».. Um für Vogelgrippe (2005) und Neue Influenza (2009) gewappnet zu sein, sollen Regierungen weltweit Tamiflu im Wert von acht Milliarden US-Dollar gehortet haben. Auf dem Höhepunkt der Pandemieangst überboten sich die einzelnen Länder mit der Bereitschaft, ihre Bevölkerung zu schützen. Für Roche wurde Tamiflu zum Verkaufsschlager – für die Regierungen zum Ladenhüter. Denn die Angst hat sich zweimal als unbegründet erwiesen: An der Vogelgrippe sind weltweit 258 Menschen gestorben, und mit einer Letalitätsrate von 0,1 Prozent ist auch die Neue Influenza mild verlaufen. Tamiflu wurde nicht benötigt. Bei einer Haltbarkeit von sieben Jahren steht in absehbarer Zeit die Vernichtung der Vorräte an…«
Auch dieser Artikel ist faktenreich und lesenswert.
Eine dpa-Meldung, deren Entstehungsdatum ich nicht habe ausfindig machen können, besagt:
»… Die WHO hat im Rahmen ihres Pandemie-Bereitschaftsplans (Pandemic Preparedness Plan) empfohlen, dass die einzelnen Länder Vorräte an antiviralen Medikamenten wie Tamiflu und Relenza anlegen sollen, die gegen sämtliche Stämme von Grippeviren wirksam sind…
Roche hat Massnahmen ergriffen, um die Verfügbarkeit von Tamiflu zu erhöhen, damit die wachsende Nachfrage für die weitere Pandemievorsorge gedeckt ist. So wurde in den Jahren 2004 und 2005 die Produktionskapazität verdoppelt und bis 2007 werden über 300 Millionen Packungen pro Jahr – das entspricht einer mehr als zehnfachen Kapazitätserhöhung gegenüber 2004 – hergestellt werden können. Roche hat mit 50 externen Anbietern enge Kontakte aufgebaut und die gegenwärtige Lieferkette übertrifft mit ihrer Kapazität die bislang eingegangen Bestellungen von Regierungsseite…
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat die Länder aufgefordert, mehr Medikamente zur Eindämmung einer möglichen Grippepandemie vorzuhalten. "Ich bin schon sehr dafür, dass
wir darüber nachdenken, dass wirklich auch für 20 Prozent der Bevölkerung eine Bevorratung da ist". Schmidt sagte weiter: "Wir haben keine anderen wirksamen Stoffe als hier Tamiflu oder Relenza."«
Wichtigster Berater der damaligen Ministerin war Karl Lauterbach.
»Nach Ansicht des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin ist Deutschland nicht ausreichend auf eine mögliche Grippepandemie vorbereitet. Es habe empfohlen, Medikamentenvorräte für mindestens 20 Prozent der Bevölkerung bereit zu halten. RKI-Präsident Reinhard Kurth zeigte sich verärgert, dass bestimmte Bundesländer eine wissenschaftliche Rechtfertigung suchten, um nicht für 20 Prozent der Bevölkerung solche Medikamente vorhalten zu müssen…«
Interessant in diesem Zusammenhang ist dieser Bericht auf deutschlandfunk.de:
In ihm ist zu lesen:
»…Im Labor lassen sich Viren genetisch so manipulieren, dass sie gefährlicher werden. So erkennen Forscher, welche Mutationen eine Gefahr darstellen: Die natürliche Entwicklung von Krankheitserregern soll vorweggenommen werden, um sie zu stoppen. Im Fall des Vogelgrippe-Virus H5N1 etwa wird gezielt nach Mutationen gesucht, die es dem Virus erlauben würden, sich auch unter Menschen ähnlich rasch auszubreiten wie unter Vögeln…«
(Hervorhebungen in blau nicht in den Originalen.)
Daß Kühe furzen ist ja auch nur eine Behauptung. Unsere Kühe jedenfalls haben nicht gefurzt. Die haben nur gutes Futter gekriegt.
Tamiflu "gehörte" Gilead Sciences. In der Führung des Unternehmens und wesentlicher Anteilseigner war: Rumsfeld. Das Tamiflu-Patent ging an Roche und wer profitierte also davon?
@aa: " … vor mehr als zehn breit in der Ö.… " (Jahren?)
@VitaminC: Natürlich, danke, korrigiert!
https://www.youtube.com/watch?v=rAA3bEWMS‑w