RKI-Protokolle, nächste Runde (88): "Funktionäre der kassenärztlichen Vereinigung scheinen die Krise nicht ernst genug zu nehmen". Neue Falldefinition schafft Willkür

Weihnachten ist gelau­fen mit sei­nen gefähr­li­chen Besuchen und Reisen. Am 4.1.21 wirkt der Krisenstab rat­los. Bei der "Inzidenz" scheint ihm "ins­ge­samt kei­ne reel­le Einschätzung des Rückgangs mög­lich", "auf­fäl­lig ist Brandenburg mit einem klei­nen Anstieg an Sylvester". Insgesamt weiß man: "Die gerin­ge­ren Fallzahlen sind nicht auf den Meldeverzug zurück­zu­füh­ren". "Mehrere 100.000 Deutsche sind in den Feiertagen gereist". Wenigstens die­sen Erfolg kann man berich­ten: "Impfmonitoring (neu): 238.809 geimpf­te Personen".

So wirr wie der Inhalt sind die Schwärzungen. Dieser TOP 6 soll­te geheim bleiben:

Das Dokument gibt es hier. Gelbe Hervorhebungen stam­men von mir. Hier geht es nur um die bis­lang geschwärz­ten und gera­de frei­ge­ge­be­nen Stellen der Protokolle des Krisenstabs. Die Auswertungen der "1. Staffel" gibt es nach­zu­le­sen über die Kategorie _​Zu den RKI-Papers (Krisenstab-Protokolle) _​.

Überhaupt scheint es dem Krisenstab die Sprache ver­schla­gen zu haben, zu vier wei­te­ren TOPs gibt es nichts zu bespre­chen. In TOP 10 "Labordiagnostik" lang­weilt man sich mit der "neu­en Variante", der man anders als "in vie­len euro­päi­schen Ländern" nicht auf die Spur kommt, und mit einer "Probe aus Dänemark (Nerz Variante)", "die nun ange­züch­tet wird".

"ARE deutlich unter den Vorjahren und sinkend"

Zuverlässig wie immer wird in TOP 13 "Surveillance" berich­tet: "ARE deut­lich unter den Vorjahren und sin­kend". Entschwärzt bei dem fol­gen­den Hypnoseversuch wur­de der Name "Wieler":

Die Sitzung dürf­te recht kurz und fru­strie­rend gewe­sen sein.


Das meist gebrauch­te Wort zur Lage "National" am 6.1.21* ist "Rückgang", selbst auf den Intensivstationen. "4‑Tage‑R=0,61; 7‑Tage‑R=0,83:R‑Wert deut­lich unter 1". Die Zahl der Tests ist "deut­lich nied­ri­ger", zur Erzielung von "Fällen" blei­ben Pflegeheime im Fokus. "Am häu­fig­sten wer­den >=80 Jährige gete­stet". "In Arztpraxen ist der Positivenanteil stark ange­stie­gen auf >20% der Testungen, dies deu­tet auf star­ke Selektion hin".

"Funktionäre der kassenärztlichen Vereinigung scheinen die Krise nicht ernst genug zu nehmen"

Manchmal kommt es vor, daß Wahn auf Realität stößt, wie hier fast frei les­bar über Antigentests, immer noch in TOP 1:

Was die "Syndromische Surveillance" angeht, wird die Lage immer ent­spann­ter. Was natür­lich an den "Maßnahmen" liegt. "Gibt es Studien dazu? Welche Maßnahme wirkt wie? Je mehr Evidenz für die Maske gefun­den wer­den kann, desto bes­ser." Die Suche soll­te bekannt­lich erfolg­los bleiben.

Ein Grund für die hohe Zahl Versterbender auf Intensivstationen wird mit die­ser Fehleinschätzung beschrie­ben: "Ca. 70% benö­ti­gen Beatmung, inva­siv oder nicht inva­siv".

Es "muss nochmal überlegt werden, ob noch eine Aussage für alle Geimpften gemacht werden kann"

In TOP 7 "Dokumente" geht es um Quarantäne und "Einbau des Status der Geimpften im Kontaktpersonenmanagement". Erkennbar ist die Belastbarkeit der Datengrundlage für die Empfehlungen des RKI:

"Kulturell anders gelebter Krankenbesuch"

Aus nach­voll­zieh­ba­ren Gründen war der TOP 10 "Klinisches Management/​Entlassungsmanagement" voll­stän­dig geschwärzt:

Die fol­gen­de gute Idee in TOP 11 "Maßnahmen zum Infektionsschutz" war frei les­bar, ent­fal­te­te aber kei­ne Wirkung:

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, heißt es weiter:

Neue Falldefinition schafft Willkür

Eine essen­ti­el­le Veränderung der Coronapolitik wird in TOP 12 "Surveillance" ange­spro­chen. Rot gerahmt ist der ent­schwärz­te Text:

Teile des Krisenstabs hat­ten sich zuwei­len dage­gen gesträubt, daß Antigentests zur Bestimmung von "Fällen" her­an­ge­zo­gen wer­den. Die EU-Kommission bzw. ihre Behörde ECDC hat­te dies vor eini­ger Zeit aller­dings fest­ge­legt. Seit dem 29.5.20 galt die­se Definition:

Am 23.12.20 war die Falldefintion so geän­dert worden:

Das spe­zi­fi­sche kli­ni­sche Bild einer Lungenentzündung wur­de ersatz­los gestri­chen, für ein unspe­zi­fi­sches Bild reich­te nun ein Geruchs- oder Geschmacksverlust. Schon immer waren Todesfälle bedin­gungs­los mit erfaßt.

Hinzugekommen als aus­rei­chen­der labor­dia­gno­sti­scher Nachweis ist der "Antigennachweis (ein­schließ­lich Schnelltest)". Doch damit nicht genug. Die Beliebigkeit wur­de auf die Spitze getrie­ben mit die­ser Anordnung:

Der Punkt A war bezeich­nen­der­wei­se schon bis­her ent­fal­len. Der Punkt B ent­hält eine Verschärfung. Zuvor war unter einer epi­de­mio­lo­gi­schen Bestätigung zu ver­ste­hen: "(Auftreten von zwei oder mehr Lungenentzündungen (Pneumonien) in einer medi­zi­ni­schen Einrichtung, einem Pflege- oder Altenheim)". War schon dies frag­wür­dig, so war es bis­lang an das Vorliegen eines spe­zi­fi­schen kli­ni­schen Bildes gebun­den, also einer Lungenentzündung. Jetzt reicht dafür ein Geruchs- oder Geschmacksverlust. Mehr noch: "Die epi­de­mio­lo­gi­sche Bestätigung ist erfüllt, wenn Kontakt zu einem bestä­tig­ten Fall bestan­den hat, aber auch bei einer Zugehörigkeit zu einem Ausbruchsgeschehen." Schon damit war dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet.

Für Punkt C reicht neben dem Geruchs- oder Geschmacksverlust ein Schnelltest, um einen zu mel­den­den "Fall" zu generieren.

Punkt D umfaßt ein nicht wei­ter aus­ge­führ­tes kli­ni­sches Bild, "das die Kriterien für COVID-19 nicht erfüllt". Damit waren via Schnelltest "asym­pto­ma­ti­sche Infektionen" eta­bliert.

Punkt E ermög­licht sogar, ohne jeg­li­che wei­te­re Angaben zum kli­ni­schen Bild einen Fall zu erzeugen.

Über die ein­gangs genann­te Frage aus dem BMG war man im RKI zu Recht irri­tiert. Wußte man dort nichts vom Einknicken des Krisenstabs? Deshalb steht im Protokoll: "ToDo: Sprechzettel für Hr. Wieler: Wo liegt wel­ches Problem?"

Noch am 23.11.20 hat­te der Krisenstab gewußt: "Alle posi­ti­ven Antigenteste zu zäh­len wür­de zu einer Übererfassung füh­ren… Bei asym­pto­ma­ti­schen Fällen müss­te der Test durch einen posi­ti­ven PCR-Test bestä­tigt wer­den."

(Hervorhebungen in blau nicht in den Originalen.)

* Das Springen zwi­schen den Jahren schä­digt mei­ne Konzentration. Hier stand falsch der 8.1.21.

2 Antworten auf „RKI-Protokolle, nächste Runde (88): "Funktionäre der kassenärztlichen Vereinigung scheinen die Krise nicht ernst genug zu nehmen". Neue Falldefinition schafft Willkür“

  1. Hm.
    @aa: Du spe­ku­lierst(?), dass
    "Die Sitzung recht kurz und fru­strie­rend gewe­sen sein [dürf­te]"(???).
    Nach der protokolliertenBehauptung, dass der "Lockdown Wirkung gezeigt [hat]" kann ich mir RKIntern nur ein vir­tu­el­les Abklatschen vorstellen.

    Das ent­lar­ven­de:
    "Je mehr Evidenz für die Maske gefun­den wer­den kann, desto besser."
    kom­men­tierst du;
    "Die Suche soll­te bekannt­lich erfolg­los bleiben".
    Nö.
    Aus recht­gläu­bi­ger Sicht wur­de näm­lich (auf­trags­ge­mäß oder frei­wil­lig) sogar jede Menge "gefun­den" (auch wenn man über die Art der "Evidenz" strei­ten kann – aller­dings nicht mit Rechtgläubigen).
    Mit auf­ge­klär­ter (oder heid­ni­scher) Lesart wäre anzu­mer­ken, dass dies eben­falls nicht zutrifft, da beim ent­schei­den­den Wort ein "npflicht" fehlt und der Satz ohne­hin impli­ziert, dass es den PropagandistInnen ledig­lich dar­um ging, ihrer für die Aufrechterhaltung des Ausnahmezustands äußerst wich­ti­gen "Maßnahme" nach­träg­lich jene Evidenz (abseits psy­cho­lo­gi­scher Manipulation) zu ver­schaf­fen, die bereits vor deren Verhängung hät­te gege­ben sein müssen.

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