Tamiflu und Vogelgrippe

Das wenig wirk­sa­me, aber ris­kan­te Grippemittel des Roche-Konzerns wur­de vor mehr als zehn Jahren breit in der Öffentlichkeit skan­da­li­siert. Dabei ging es meist um die her­bei­ge­re­de­te Schweinegrippe. Weniger im Gedächtsnis ist, daß Milliarden von Steuergeldern aus­ge­ge­ben wur­den, weil das Medikament auch als geeig­net zur Bekämpfung der Vogelgrippe dar­ge­stellt wur­de. Dabei spiel­te man wie bei Corona auch mit der Angst vor Lieferengpässen:

faz​.net (21.10.05)

Wildgänse aus dem Großraum Moskau ziehen derzeit zu Zehntausenden Richtung Westeuropa

»Der Schweizer Arzneitmittelhersteller Roche hat bis auf wei­te­res die Auslieferung des auch bei einer Infektion mit Vogelgrippe wirk­sa­men Grippemittel Tamiflu nach Deutschland gestoppt. Damit sol­len Hamsterkäufe ver­hin­dert wer­den, die im Ernstfall eine aus­rei­chen­de Versorgung von Erkrankten mit Medikamenten ver­hin­dern können…

Zur Vorbeugung gegen ein Einschleppen der Tierseuche gehö­ren nach Angaben des EU-Gesundheitskommissars Markos Kyprianou der Schutz vor einem Ausbruch der Vogelgrippe in den Ställen eben­so wie die Versorgung der Menschen mit Grippe-Medikamenten und Impfstoff...

Schon am Donnerstag hat­te die EU das Importverbot von Geflügel und Geflügelprodukten ver­schärft, nach­dem das gefähr­li­che Vogelgrippevirus H5N1, an dem unter beson­de­ren Umständen auch Menschen erkran­ken kön­nen, bei ver­en­de­ten Vögeln nahe Moskau fest­ge­stellt wor­den war. Wildgänse aus dem Großraum Moskau zie­hen der­zeit zu Zehntausenden Richtung Westeuropa…«

Computersimulation, arme Länder und Experten

Fünfzehn Jahre vor Corona hat­te man vie­les vor­weg­ge­nom­men, aber noch nicht die media­le Wucht wie 2020 ent­fal­ten kön­nen. Bilder von ver­en­den­den Wildgänsen gin­gen zwar ans Herz, konn­ten aber mit den mani­pu­lie­ren­den Videos von Militärlastern in Bergamo (s. hier) nicht mit­hal­ten. Was es gab, war, daß "die EU den Ausbruch einer gefähr­li­chen Grippe-Epidemie in einer groß ange­leg­ten Computersimulation durch­spie­len" konn­te und Oxfam warn­te, "daß arme Länder am stärk­sten betrof­fen sein könn­ten". Und natür­lich: "Experten befürch­ten, daß sich das Vogelgrippevirus oder ein ande­res Grippe-Virus gene­tisch ver­än­dert und dann eine welt­wei­te Epidemie folgt."

Vergessene Analysen

Wie erwähnt, war in den Folgejahren im öffent­lich-recht­li­chen Fernsehen durch­aus Kritik an den Manipulationen und Subventionen mög­lich. 2009 berich­te­te die "Tagesschau" und 2011 war im SWR dies zu sehen:

Quellen und mehr hier.

"Es stimmt, dass immer wieder Katastrophen herbeigeredet werden"

2010 bekann­te Prof. Adolf Windorfer, einer der Propagandisten der Schweinegrippe, in der "Welt" (der Artikel war gar­niert mit einem Foto des dama­li­gen Gesundheitsministers Fipsi Rösler bei der Verabreichung des "Pikses" gegen die Schweinegrippe):

»Es stimmt, dass immer wie­der Katastrophen her­bei­ge­re­det wer­den. Ich erin­ne­re in die­sem Zusammenhang an die Vogelgrippe, die – genau­so wie das Auftreten von SARS – als Bedrohung der Menschheit dekla­riert wur­de. Es ist dabei immer eine Gratwanderung zu gehen und auch eine per­sön­li­che Einschätzung zu tref­fen, in wel­cher Weise man eine Bedrohung erkennt oder aber für unwahr­schein­lich hält. Beim Auftreten der Vogelgrippe war uns klar, dass es sich um eine ver­hee­ren­de Tierseuche han­delt noch ohne wesent­li­che Bedrohung für Menschen…«

Mehr dazu in Drostens Schweinegrippe.

Wurden dar­aus Lehren gezo­gen? Dieser Artikel auf aerz​te​blatt​.de von 2014 spricht dagegen:

»Obwohl die Cochrane Collaboration im April Zweifel am Nutzen der Grippemittel Tamiflu® und Relenza® äußer­te, spricht sich die Gesellschaft für Virologie (GfV) mit der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG) für die bei­den Medikamente aus – auch wegen feh­len­der Alternativen. Auf den Einsatz der Neuraminidasehemmer kön­ne erst ver­zich­tet wer­den, wenn neue, wir­kungs­vol­le­re Medikamente zur Verfügung stünden…«

Vergessen war, was am 25.1.2012 auf zeit​.de zu lesen war:

Es heißt in dem lesens­wer­ten Artikel:

»… Regierungen ver­trau­ten auf die Zusicherungen, dass Tamiflu die Ausbreitung von Grippeviren in infi­zier­ten Menschen hemmt . Dadurch wür­den die Symptome Erkrankter gelin­dert und schwe­re Verläufe – etwa mit Lungenentzündungen bis hin zum Tod – ver­rin­gert. Die Erreger könn­ten so nur noch ein­ge­schränkt auf wei­te­re Menschen über­tra­gen wer­den. Im Ausnahmezustand einer gefähr­li­chen Influenza-Welle mit einem unbe­kann­ten Virus, gegen den es noch kei­nen Impfstoff gibt, wäre dies zunächst die ein­zi­ge phar­ma­ko­lo­gi­sche Waffe .

Doch mitt­ler­wei­le ist nicht nur frag­lich, ob der Wirkstoff Oseltamivir über­haupt Grippeerreger bän­di­gen kann. Pharmawächter haben dar­über hin­aus erheb­li­che Zweifel an der Unbedenklichkeit der Influenza-Arznei. Sie rücken den Pharmakonzern Roche ins Zwielicht. Die Geschichte vom Erfolg Tamiflus grün­det mög­li­cher­wei­se auf geschön­ten Ergebnissen, zurück­ge­hal­te­nen Studien, von Roche abhän­gi­ge Autoren und dem Versagen von Regulierungsbehörden…«

Doch auch das war bei der "Zeit" acht Jahre spä­ter in Vergessenheit geraten.

Weltweit 258 Vogelgrippe-Tote und acht Milliarden US-Dollar für Tamiflu

Vergeßlich war man auch auf im "Ärzteblatt". Dort war 2013, also vor dem oben genann­ten Artikel, unter der Überschrift "Tamiflu: Eine unend­li­che Geschichte um Datentransparenz" zu lesen:

».. Um für Vogelgrippe (2005) und Neue Influenza (2009) gewapp­net zu sein, sol­len Regierungen welt­weit Tamiflu im Wert von acht Milliarden US-Dollar gehor­tet haben. Auf dem Höhepunkt der Pandemieangst über­bo­ten sich die ein­zel­nen Länder mit der Bereitschaft, ihre Bevölkerung zu schüt­zen. Für Roche wur­de Tamiflu zum Verkaufsschlager – für die Regierungen zum Ladenhüter. Denn die Angst hat sich zwei­mal als unbe­grün­det erwie­sen: An der Vogelgrippe sind welt­weit 258 Menschen gestor­ben, und mit einer Letalitätsrate von 0,1 Prozent ist auch die Neue Influenza mild ver­lau­fen. Tamiflu wur­de nicht benö­tigt. Bei einer Haltbarkeit von sie­ben Jahren steht in abseh­ba­rer Zeit die Vernichtung der Vorräte an…«

Auch die­ser Artikel ist fak­ten­reich und lesenswert.

Eine dpa-Meldung, deren Entstehungsdatum ich nicht habe aus­fin­dig machen kön­nen, besagt:

»… Die WHO hat im Rahmen ihres Pandemie-Bereitschaftsplans (Pandemic Preparedness Plan) emp­foh­len, dass die ein­zel­nen Länder Vorräte an anti­vi­ra­len Medikamenten wie Tamiflu und Relenza anle­gen sol­len, die gegen sämt­li­che Stämme von Grippeviren wirk­sam sind…

Roche hat Massnahmen ergrif­fen, um die Verfügbarkeit von Tamiflu zu erhö­hen, damit die wach­sen­de Nachfrage für die wei­te­re Pandemievorsorge gedeckt ist. So wur­de in den Jahren 2004 und 2005 die Produktionskapazität ver­dop­pelt und bis 2007 wer­den über 300 Millionen Packungen pro Jahr – das ent­spricht einer mehr als zehn­fa­chen Kapazitätserhöhung gegen­über 2004 – her­ge­stellt wer­den kön­nen. Roche hat mit 50 exter­nen Anbietern enge Kontakte auf­ge­baut und die gegen­wär­ti­ge Lieferkette über­trifft mit ihrer Kapazität die bis­lang ein­ge­gan­gen Bestellungen von Regierungsseite…

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat die Länder auf­ge­for­dert, mehr Medikamente zur Eindämmung einer mög­li­chen Grippepandemie vor­zu­hal­ten. "Ich bin schon sehr dafür, dass
wir dar­über nach­den­ken, dass wirk­lich auch für 20 Prozent der Bevölkerung eine Bevorratung da ist". Schmidt sag­te wei­ter: "Wir haben kei­ne ande­ren wirk­sa­men Stoffe als hier Tamiflu oder Relenza."«

Wichtigster Berater der dama­li­gen Ministerin war Karl Lauterbach.

»Nach Ansicht des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin ist Deutschland nicht aus­rei­chend auf eine mög­li­che Grippepandemie vor­be­rei­tet. Es habe emp­foh­len, Medikamentenvorräte für min­de­stens 20 Prozent der Bevölkerung bereit zu hal­ten. RKI-Präsident Reinhard Kurth zeig­te sich ver­är­gert, dass bestimm­te Bundesländer eine wis­sen­schaft­li­che Rechtfertigung such­ten, um nicht für 20 Prozent der Bevölkerung sol­che Medikamente vor­hal­ten zu müssen…«


Interessant in die­sem Zusammenhang ist die­ser Bericht auf deutsch​land​funk​.de:

In ihm ist zu lesen:

»…Im Labor las­sen sich Viren gene­tisch so mani­pu­lie­ren, dass sie gefähr­li­cher wer­den. So erken­nen Forscher, wel­che Mutationen eine Gefahr dar­stel­len: Die natür­li­che Entwicklung von Krankheitserregern soll vor­weg­ge­nom­men wer­den, um sie zu stop­pen. Im Fall des Vogelgrippe-Virus H5N1 etwa wird gezielt nach Mutationen gesucht, die es dem Virus erlau­ben wür­den, sich auch unter Menschen ähn­lich rasch aus­zu­brei­ten wie unter Vögeln…«

(Hervorhebungen in blau nicht in den Originalen.)

5 Antworten auf „Tamiflu und Vogelgrippe“

  1. Daß Kühe fur­zen ist ja auch nur eine Behauptung. Unsere Kühe jeden­falls haben nicht gefurzt. Die haben nur gutes Futter gekriegt.

  2. Tamiflu "gehör­te" Gilead Sciences. In der Führung des Unternehmens und wesent­li­cher Anteilseigner war: Rumsfeld. Das Tamiflu-Patent ging an Roche und wer pro­fi­tier­te also davon?

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