In einem vorherigen Beitrag wurde berichtet, daß sich in den veröffentlichten Protokollen der Ständigen Impfkommission beim RKI kein einziger Beschluß findet, der eine "Impfempfehlung" ausspricht. Unwahrscheinlich, aber immerhin denkbar schien mir, daß Abstimmungen zu solchen Themen nicht in die Protokolle aufgenommen werden. Allerdings gibt es zu anderen Impfungen vor und nach Corona durchaus festgehaltene Abstimmungen.
2013 wurde in der 75. Sitzung ausführlich über verschiedene Voten zur Hepatitis-Impfung berichtet:
In der 76. Sitzung im November 2013 gibt es Abstimmungsergebnisse zu den Empfehlungen die Influenza‑, Meningokokken- und Polio-Impfung betreffend.
In der 78. Sitzung geht es 2014 entsprechend um die HPV‑, Pneumokokken- und Rotavirus-Impfung.
Analog wird in der 79. Sitzung die Abstimmung über die Änderung der Empfehlung zur Pneumokokken-Impfung von Kindern dokumentiert, ebenso die über die Rotavirus-Impfung von Früh- und Neugeborenen und eine Änderung der Gelbfieber-Impfempfehlung und die Impfung gegen Varizellen.
Das Verfahren setzt sich fort zu verschiedenen Impfungen in der 80. Sitzung sowie der 81. im Jahr 2015.
Prozedere bei schriftlichen Abstimmungen
Ein im Protokoll der letztgenannten Sitzung vermerkter Vorfall ist interessant. Der STIKO-Vorsitzende hatte im Beschluß über die Pneumokokken- Impfung aus der 80. Sitzung "einen gravierenden logischen Fehler" bemerkt. Deshalb hatte er "nach Rücksprache mit der GS und der AG Pneumokokken einen von der AG modifizierten Beschlussentwurf zur schriftlichen Abstimmung nach STIKO-GO §8 Abs. 2 gestellt". Was zunächst vernünftig klingt, führte zu Widerstand in der Kommission. Sie bestand auf einer weiteren Diskussion:
»Der Vorsitzende, die GS und die AG hatten die Situation so eingeschätzt, dass hinsichtlich dieser Änderung kein weiterer Diskussionsbedarf in der STIKO bestünde. Diese Einschätzung hat sich als falsch erwiesen. Nachdem mehrere STIKO-Mitglieder Diskussionsbedarf geäußert hatten, hat der Vorsitzende die schriftliche Abstimmung deshalb vorzeitig abgebrochen und die weitere Diskussion auf die heutige 81. Sitzung verschoben (s. TOP 8). Ein geänderter Beschluss ist somit im schriftlichen Verfahren nicht zustande gekommen.
Der Vorsitzende betont, dass im Falle künftiger schriftlicher Abstimmungen vor der eigentlichen Abstimmung die Gründe für das schriftlichen Verfahren [sic] geprüft und mitgeteilt sowie den Mitgliedern und ständigen Gästen Gelegenheit zu einer Meinungsäußerung gegeben werden soll. Die abschließende Stimmabgabe der Mitglieder erfolgt ausschließlich an die Adresse der GS.«
War das ein Zeichen des Widerstands gegen die allmächtige GS, also die Geschäftsstelle beim RKI? (Siehe dazu STIKO-Protokolle: Wie der Herr Wichmann von der WHO die Fäden zieht und sich von Pfizer & Co. beraten läßt.)
Die Voten zu Impfungen wurden jedenfalls weiter dokumentiert (Prot. 82, 83, 84, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94). Sie erfolgten ganz überwiegend, aber nicht immer, einstimmig.
Auch zu anderen Entscheidungen als Impfungen wurden Abstimmungsergebnisse vermerkt (Prot 76, 78, 79, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88).
Dann kam Corona
Am 4./5. März 2020 fand die 95. Sitzung der STIKO statt. Auch hier noch gab es eine Abstimmung zu "Hinweisen zum Impfen von medizinischem Personal". Corona spielte noch keine Rolle; lediglich ein Satz vermeldet ein Web-Seminar "zu COVID-19-Impfstoffkandidaten" am 4.3. Einstimmig beschlossen wird eine Stellungnahme der STIKO. Sie sollte gemeinsam mit der Position der Kommission für Krankenhaushygiene (KRINKO) veröffentlicht werden. Auch dieses Gremium ist beim RKI angesiedelt. Konkret vereinbart wurde:
»Da die Empfehlungen der STIKO und der KRINKO unterschiedliche rechtliche Implikationen haben, wurde entschieden eine gemeinsame Publikation mit getrennten Abschnitten entsprechend der unterschiedlichen Zuständigkeiten STIKO/KRINKO zu schreiben und die Textabschnitte in den jeweils zuständigen Kommissionen zu beraten und zu verabschieden. Eine gemeinsame Publikation ist für den Herbst 2020 geplant.«
Prot 95
Eine solche Publikation ist nicht zustande gekommen. "Die geplante gemeinsame Publikation zusammen mit der KRINKO wird es nicht geben, da man sich hinsichtlich der Struktur des gemeinsamen Dokuments nicht einigen konnte. Die AG bedauert dies." (Prot 97). Ist das der wirkliche Grund? Zu finden ist erst mit Datum 28.1.21 eine "Stellungnahme der Ständigen Impfkommission zu Impfungen von Personal in medizinischen Einrichtungen in Deutschland". Sie berücksichtigt explizit noch nicht das Thema COVID-19.
"Keine ausreichende Datenbasis" für Empfehlung
In der KRINKO-Empfehlung aus dem Mai 2021 heißt es sogar ausdrücklich:
»Diese Empfehlung der KRINKO berücksichtigt COVID-19 jedoch nicht, da angesichts der erst kurzzeitigen Verfügbarkeit von Impfstoffen gegen SARS-CoV‑2 für eine valide Aussage zur Bewertung des Impf- oder Serostatus noch keine ausreichende Datenbasis vorhanden ist. Des Weiteren liegen bislang wenige Erkenntnisse zur Dauer des Immunschutzes sowie zur Übertragbarkeit einer Infektion trotz Impfung vor.«
rki.de (Mai 2021)
Ein offizielles Dokument aus dem RKI stellt Monate nach dem Start der "Impfkampagne" fest, daß es keine ausreichenden Erkenntnisse gibt, die eine Empfehlung rechtfertigten.
Im Protokoll der 96. Sitzung vom 17. Juni 2020 ist aus dem FG 33, der de facto führenden Instanz der STIKO, zu erfahren: "Die Aktivitäten des RKI zur COVID-19-Impfung werden vorgestellt". Man modelliert, wobei "die etablierten Systeme als nicht ausreichend angesehen" werden.
»Die WHO EURO erstellt ein Konzept zur COVID-19 Impfung und deren Implementierung für Mitgliedstaaten der WHO EURO-Region.«
Der WHO-Funktionär Wichmann, Leiter des FG 33 und damit der Geschäftsstelle der STIKO, erklärt hier der zuständigen Kommission, wer bei der Implementierung eines Konzepts zur COVID-19 Impfung das Sagen hat. Zu anderen Impfungen werden an diesem Tag Beschlüsse gefaßt und dokumentiert.
Im "TOP 8 – COVID-19-Impfung" gibt eine Vertreterin des Paul-Ehrlich-Instituts "einen Überblick über die aktuelle COVID-19- Impfstoffentwicklung".
»Es folgt eine Diskussion zur Herausforderung bei der Durchführung von Studien zur klinischen Wirksamkeit bei niedrigen Fallzahlen global, wobei ein erneuter Anstieg der COVID-19-Aktivität zum Herbst/Winter nicht ausgeschlossen ist. Ein weiteres schwieriges Thema wird die Produktionskapazität der Hersteller der Impfstoffe sein.«
Mögliche Risiken und Nebenwirkungen sind kein Thema. Das bleibt so auf der 97. Sitzung vom 4./5. November 2020. Wieder berichtet Wichmann von allerlei Modellierungen, wieder wird klargestellt:
»Herr Wichmann arbeitet als Experte in der „WHO/SAGE Working Group on COVID-19 vaccines” mit, die eine Guidance für die Impfung bzw. Impfstrategien gegen COVID-19 auf globaler Ebene ausarbeitet, sowie als Mitglied der „WHO Regional Working Group on COVID-19 vaccination and deployment“, die die SAGE-Empfehlung in regionale Strategien übersetzt.«
Sein FG 33 hatte erneut "Jour fixe" [sic], darunter mit Pfizer zu einem Pneumokokken-Impfstoff, nicht aber zu COVID-19.
Positionspapier mit dem Ethikrat und der Leopoldina
Beschlossen werden "Empfehlungen für Reiseimpfungen". Es werden veschiedene Krankheiten genannt, auch hier taucht COVID-19 nicht auf. Im "TOP 8 – COVID-19 Impfung" ist vermerkt:
»Es werden die Impfstofftechnologien, die jeweiligen Impfschemata und der Stand der klinischen Studien der für Deutschland zu erwartenden COVID-19-Impftoffe (BioNTech, Moderna, AstraZeneca) vorgestellt. Weiterhin wird berichtet, dass die STIKO aktuell ein gemeinsames Positionspapier zusammen mit dem Deutschen Ethikrat und der Nationalen Akademie der Wissenschaft Leopoldina zum Thema „Wie soll der Zugang zu einem COVID-19-Impfstoff geregelt werden?“ erarbeitet. Das Papier, das kurz vor Publikation steht, soll der STIKO als Leitfaden für die Entwicklung einer Liste von vorrangig gegen COVID-19 zu impfenden Personengruppen (Priorisierung) dienen.«
Über ein solches Papier war zuvor nichts zu erfahren. Wer es für die STIKO erarbeitete, wird nicht benannt.
Keine "Impfempfehlung", kein Beschluß zu Priorisierung
Auch an diesem Tag gibt es keinen Beschluß, sondern nur den Bericht. Ferner ist zu lesen:
»Weiterhin werden die PICO-Fragen und die klinischen Endpunkte für den systematischen Review zur Sicherheit und Effektivität der COVID-19-Impfstoffe vorgestellt und das Einverständnis der Kommission eingeholt. Es wird über die Impfziele der COVID-19-Impfempfehlung diskutiert und eine Matrix vorgestellt, die die Priorisierung der zu impfenden Gruppen in einzelnen Stufen unter Berücksichtigung der Impfziele (Verhinderung schwerer COVID-19-Verläufe, Schutz von Personen mit besonders hohem arbeitsbedingtem SARS-CoV-2-Expositionsrisiko und Verhinderung der Transmission) zeigt. Diese Matrix wird diskutiert und die weitere Evidenzaufarbeitung zu den Risikogruppen für die wissenschaftliche Begründung besprochen. In welcher Form die Entscheidung zur Priorisierung der STIKO publiziert werden soll, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Priorisierung könnte Teil der regulären Empfehlung seien oder aber als Vorabinformation die weitere Planung der Impfkampagne unterstützen.«
Wozu das Einverständnis eingeholt wurde, bleibt unklar. Anders als sonst wird kein Abstimmungsergebnis mitgeteilt. Die Priorisierung wird diskutiert, ein Beschluß kommt nicht vor. Zur Erinnerung: Es ist Anfang November 2020, in wenigen Wochen wird die "Impfkampagne" starten – eine Entscheidung der STIKO wird dazu nicht getroffen. Das ist anders beim umfangreich dokumentierten Thema "Reiseimpfungen", bei denen COVID-19 keine Rolle spielt. Auch zu anderen Fragestellungen erfolgen Abstimmungen.
Erst am 3. März 2021 kommt die STIKO zu ihrer 98. Sitzung zusammen. Das FG 33 kündigte einige Studien an, von denen die meisten nie umgesetzt werden sollten. Einstimmig angenommen wurde ein "Beschlussentwurf Lieferengpässe". Es geht um alle möglichen Impfstoffe, COVID-19 erscheint nicht. Zum Thema "Reiseimpfungen" werden Rückmeldungen einer Fachgesellschaft vorgestellt, auch hier ohne das C‑Wort und ohne Beschluß.
Keine Zeit für Beschlüsse
Nach einem Bericht des PEI u.a. über "Nebenwirkungen inklusive allergischen und anaphylaktischen Reaktionen nach COVID-19- Impfungen" endet das Protokoll überraschend so:
Hier ist alles merkwürdig.
-
- Wir erfahren von zwei bisher vorgenommenen Aktualisierungen einer "COVID-19-Impfempfehlung". Weder über die Empfehlung noch über die Ergänzungen ist in den Protokollen etwas zu finden.
- Im Beschlußentwurf "steht nunmehr" etwas zu AstraZeneca, das hier nicht kommentiert werden soll.
- Mit Genesenen soll "nach Ansicht der STIKO" etwas geschehen. Wie wurde die Ansicht festgestellt?
- Diese Punkte sollen "im Umlaufverfahren" entschieden werden, also im Wege einer schriftlichen Abstimmung, die das Gremium in dieser Form zuvor abgelehnt hatte.
Zweieinhalb Stunden hatte sich die STIKO inmitten einer angenommenen Pandemie mit anderen Themen beschäftigt. Eine halbe Stunde hatte allein der "TOP 4 – Logo/Wortmarke für die STIKO" umfaßt. Für eine Beschlußfassung in der Sitzung zu Punkten, die das ganze Land beeinträchtigen sollten, blieb leider keiner Zeit.
Beginn von Studien zu "Effektivität und Schutzdauer von COVID-19-Impfstoffen"
Die Folgesitzung 99 fand am 2. Juni 2021 statt. Die Mitglieder der STIKO erfahren von Herrn Mertens unter TOP 1: "Der Vorsitzende begrüßt die Kommission und ihre Gäste und berichtet über die Vielzahl an Aktivitäten in Bezug auf die COVID-19-Impfempfehlungen der STIKO." Gemeint ist vielleicht das, was das FG 33 getrieben hat. Dessen Chef Wichmann "stellt aktuelle Studienaktivitäten in Bezug auf COVID-19 aus dem RKI Fachgebiet Impfprävention vor", also seiner FG. Aus der fragwürdigen "COVIMO-Studie" kann er "eine hohe Impfbereitschaft" berichten. Weiter ist zu erfahren:
»Die COVIK-Studie ist eine vom BMG finanzierte multizentrische, in deutschen Krankenhäusern stattfindende Fall-Kontroll-Studie des RKI in Kooperation mit dem Paul-Ehrlich-Institut. Primäres Ziel ist die Evaluierung der Effektivität und Schutzdauer von COVID-19-Impfstoffen gegen Hospitalisierung in Folge einer laborbestätigten Infektion durch SARS-CoV‑2 bei Erwachsenen. Beginn der Pilotphase war im Juni 2021, das Projekt hat eine Laufzeit von 2,5 Jahren.«
Die dünnen Ergebnisse sind inzwischen auf rki.de verfügbar. Festzuhalten bleibt, daß immerhin fünf Monate nach Beginn der "Impfkampagne" begonnen wurde, Effektivität und Schutzdauer zu ermitteln. Selbst über die Wirkung bei alten Menschen, die zunächst isoliert und dann priorisiert "geimpft" wurden, macht man sich erst jetzt Gedanken:
»Schließlich wurde die COVEA-Studie vorgestellt, bei der durch das Poolen von Daten aus mehreren Ausbrüchen in Alterspflegeheimen retrospektive COVID-19-Ausbruchs-Kohorten gebildet werden. Das primäre Ziel ist die Schätzung der COVID-19-Impfeffektivität hinsichtlich des Schutzes vor einer COVID-19- Erkrankung in Institutionen mit vielen multimorbiden und hochbetagten BewohnerInnen sowie im Vergleich dazu bei den Pflegekräften.«
Diesmal wirklich ein Beschluß
Wieder ist es Wichmann, der in TOP 7 den "aktuellen Stand der COVID-19-Impfkampagne" vorstellt. "Für die Stufen 1–3 [ist] das Impfziel weitestgehend erreicht". Es "wird die mathematische Modellierung zum Impact der Aufhebung der Priorisierung nach Abschluss der vollständigen Impfung einer Priorisierungsgruppe vorgestellt". Schließlich:
»Der Beschlussentwurf sieht daher vor, dass aufgrund des Fortschritts der Impfkampagne und zunehmender Verfügbarkeit von COVID-19-Impfstoffen ein stufenweises Vorgehen (Priorisierungsempfehlung) nicht mehr notwendig ist. Allerdings sollte Personen mit erhöhtem Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf oder die arbeitsbedingt exponiert sind oder engen Kontakt zu einer vulnerablen Personengruppe haben, weiterhin bevorzugt eine Impfung angeboten werden.
Abstimmung: Der Beschlussentwurf wird mit 15 Ja-Stimmen angenommen.«
"Kinder/Jugendlichen-Impfung" im Umlaufverfahren
Wieder an den eigenen Regeln vorbei wird eine wichtige Frage nicht in offener Abstimmung entschieden. Bei diesem Tagesordnungspunkt wie bei dem vorherigen fällt übrigens auf, daß anders als in allen Jahren zuvor nicht mehr mitgeteilt wird, welches Mitglied wegen möglicher Befangenheit nicht an der Abstimmung teilnimmt.
Wenn man sich den immensen Druck in Erinnerung ruft, dem die STIKO aus Politik und Medien in dieser Frage ausgesetzt war, kann es lohnen, sich den ganzen Tagesordnungspunkt zu Gemüte zu führen – die Zwischenüberschriften habe ich eingefügt:
»TOP 8 – Kinder/Jugendlichen-Impfung COVID-19 (16 Mitglieder anwesend, 15 Mitglieder abstimmungsberechtigt)
Es werden Ergebnisse einer mathematischen Modellierung zu den Effekten unterschiedlicher Impfstrategien für Kinder- und Jugendliche (12–17 Jahre) vorgestellt. In der Analyse wurde die Aufhebung der Priorisierung bereits berücksichtigt. Damit erhalten alle Altersgruppen gemäß ihres prozentualen Anteils an der Gesamtbevölkerung und unter Berücksichtigung der Zulassungen sowie Empfehlungen der STIKO Impfstoffdosen. Mit Hilfe der Modellierung werden drei Szenarien miteinander verglichen:
1. Die Impfung wird für alle Kinder empfohlen.
2. Die Impfung wird nur Kindern mit Vorerkrankungen empfohlen.
3. Die Impfung wird Kindern und Jugendlichen nicht empfohlen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Impfung von Kindern und Jugendlichen den Verlauf einer möglichen vierten Welle in Bezug auf die Meldefälle zwar beeinflussen kann, jedoch eine hohe Impfquote der Erwachsenen einen stärkeren Einfluss hat. Auf die Auslastung der ITS sowie die Todesfälle in der vierten Welle kann nur dann ein Einfluss der Kinder- und Jugendlichen-Impfung beobachtet werden, wenn eine allgemeine Impfempfehlung ausgesprochen wird.
Zusammenfassend hat die Impfung von Kindern und Jugendlichen im Wesentlichen nur einen Einfluss auf die Meldefälle dieser Altersgruppe. Da diese jedoch neben den symptomatischen auch die asymptomatischen Verläufe berücksichtigen, sollten sie entsprechend interpretiert werden.
Wissenslücken bei Sicherheit
Während mehrerer STIKO-Beratungen waren die Daten zu Krankheitsbild und Epidemiologie von COVID-19, PIMS und Long-COVID bei Kindern- und Jugendlichen im Alter von 12–17 Jahren in Deutschland sowie Daten zur Effektivität, Immunogenität und Sicherheit einer Impfung mit Comirnaty in dieser Altersgruppe diskutiert worden. Die wichtigsten Eckpunkte werden auf der 99. Sitzung noch einmal in einer Zusammenschau vorgestellt. Comirnaty hat in der Zulassungsstudie bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 15 Jahren eine sehr hohe Effektivität bzgl. Schutz vor COVID-19 gezeigt. Hinsichtlich der Sicherheit des Impfstoffs bestehen jedoch noch Wissenslücken, da die Nachbeobachtungszeit nach Impfung zu kurz und die Zahl der eingeschlossenen ProbandInnen zu gering war. Dies bedeutet, dass unerwünschte Ereignisse, die mit einer Häufigkeit von weniger als 1 pro 100 verabreichten Impfstoffdosen auftreten, kaum erkannt werden können. Aufgrund der kurzen Nachbeobachtungszeit in der Zulassungsstudie können auch ggf. häufigere, aber verzögert auftretende unerwünschte Ereignisse derzeit noch nicht ausgeschlossen werden.
Kinder nicht die Treiber des Pandemiegeschehens
Nach Einschätzung der STIKO sind Kinder nicht die Treiber des Pandemiegeschehens. Viele Kinder und Jugendliche infizieren sich asymptomatisch mit SARS-CoV‑2 und wenn Kinder und Jugendliche ohne Vorerkrankungen erkranken, ist der COVID-19-Krankheitsverlauf meist mild. Hospitalisierungen und intensivmedizinische Behandlungen aufgrund von COVID-19 sind in dieser Altersgruppe selten und bisher traten nur einzelne Todesfälle, meist bei schwer Vorerkrankten, auf. Die Krankheitslast von COVID-19 bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren ist mit der Krankheitslast von Influenza in dieser Altersgruppe vergleichbar. Ziel der Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren ist die Prävention von schweren COVID-19-Verläufen und Todesfällen und die Verhinderung der Transmission von SARS-CoV‑2 auf vulnerable Personen im Umfeld, die selber nicht durch eine Impfung geschützt werden können.
Nutzen der Impfung nicht offensichtlich gegeben
Der Nutzen der Impfung, schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern, ist in dieser Altersgruppe nicht offensichtlich gegeben. Es müssten etwa 100.000 12- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche geimpft werden, um einen einzigen COVID-19-bedingten Todesfall in dieser Altersgruppe zu verhindern (number needed to vaccinate =1/(Inzidenz*Vakzineeffektivität).
In der aktuellen Lage müssen die weiterhin limitierten Impfstoffressourcen nutzbringend eingesetzt werden. Dies bedeutet, dass noch nicht geimpften gefährdeten Personen vorrangig ein Impfangebot gemacht werden sollte. Eine Umverteilung der Impfstoffe an gesunde Kinder und Jugendliche ist epidemiologisch und individualmedizinisch nicht sinnvoll, solange noch viele Erwachsene mit deutlich höherem Risiko ungeimpft sind.
Impfung nicht Voraussetzung für Zugang zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens
Die STIKO spricht sich explizit dagegen aus, dass der Zugang zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens vom Vorliegen einer Impfung abhängig gemacht wird.
Die STIKO wird neue Studiendaten fortlaufend auswerten und ihre Empfehlung ggf. anpassen.
Der Beschlussentwurf sieht vor, dass die STIKO nach abschließender Risiko-Nutzen-Abwägung gegenwärtig keine allgemeine COVID-19-Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige ausspricht.
Hingegen soll über eine Indikationsimpfempfehlung abgestimmt werden. Laut Beschlussentwurf soll die Impfung gegen COVID-19 mit Comirnaty empfohlen werden für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren, die aufgrund von Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung haben. Folgende Vorerkrankungen wurden als Risikofaktoren identifiziert: Adipositas (> 97. Perzentile des Body Mass Index (BMI)), angeborene zyanotische Herzfehler und Einkammer- Herzen nach Fontan-Operation, pulmonale Hypertonie, chronische Lungenerkrankungen mit anhaltender Einschränkung der Lungenfunktion, chronische Niereninsuffizienz, neurologischen oder neuromuskuläre Grunderkrankungen, angeborene oder erworbene Immundefizienz oder relevante Immunsuppression, maligne Tumorerkrankungen, Trisomie 21 und syndromale Erkrankungen.
Zusätzlich sieht der Beschlussentwurf vor, die Impfung Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren zu empfehlen, in deren Umfeld sich Angehörige oder andere Kontaktpersonen mit hoher Gefährdung für einen schweren COVID-19-Verlauf befinden, die selbst nicht geimpft werden können oder bei denen der begründete Verdacht auf einen nicht ausreichenden Schutz nach Impfung besteht (z.B. Menschen unter immunsuppressiver Therapie).
Schließlich soll der Einsatz von Comirnaty bei Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren ohne Vorerkrankungen nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz des Kindes oder Jugendlichen bzw. der Sorgeberechtigten möglich sein.
Die Abstimmung des Beschlussentwurfs erfolgt im Umlaufverfahren schriftlich im Anschluss an die Sitzung.«
Die STIKO wird "unterstützt"
Zur 100. Sitzung am 27.10.21 hatten sich eigens ein Vertreter des Gesundheitsministeriums und Lothar Wieler eingefunden. Den näheren Inhalt ihrer "Grußworte" erfahren wir nicht. Erneut ist es Wichmann, der den Ton angibt. Der STIKO wird, mittels eines bezeichnenderweise DEAL genannten Projektes, ein Aufpasser an die Seite gestellt. Verkauft wird dies als "dynamische Evidenzaktualisierung". Beispielhaft geht es um die noch gar nicht vorliegende "COVID-19-Impfung von Kindern <12 Jahren", es war noch gar kein Produkt zugelassen:
Unter "TOP 5 – Änderungen EpidBull STIKO-Empfehlungen 2022" ist zu lesen:
»Die vorgesehenen Änderungen im Entwurf der STIKO-Empfehlungen 2022 werden vorgestellt und diskutiert.
Das gesamte Kapitel 4 „Hinweise zur Durchführung von Schutzimpfungen“ wurde redaktionell überarbeitet und in Zusammenarbeit mit dem RKI-Rechtsreferat den aktuellen rechtlichen Vorgaben angepasst…
Abstimmung: Der Beschlussentwurf wird mit 16 Ja-Stimmen angenommen.«
Immerhin, eine Abstimmung. Was da beschlossen wurde, bleibt im Dunkeln.
Myokarditiden: "Die Melderate ist für männliche Kinder und Jugendliche im Alter von 12–17 Jahren am höchsten"
Wie ein Hohn liest sich der Eintrag zum "TOP 6 –Bericht aus dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI)":
»… Das Auftreten von Myokarditiden nach COVID-19-Impfung verteilt sich über das gesamte Bundesgebiet. Die Melderate einer Myo-/Perikarditis ist für beide mRNA-Impfstoffe bei Männern höher als bei Frauen. Die Melderate ist für männliche Kinder und Jugendliche im Alter von 12–17 Jahren am höchsten… Für Spikevax hat die Observed-versus-Expected-Analyse auch ein Risikosignal für junge Frauen im Alter von 18–29 Jahren ergeben.«
Die STIKO nimmt das zur Kenntnis. Was tut sie? "Die STIKO hat entschieden, aufgrund des Risikosignals ihre Impfempfehlung zu überprüfen", heißt es unter TOP 8. Donnerwetter!
Immerhin verzichtet die Kommission in der 101. Sitzung vom 2.3.22 auf eine Empfehlung für Kinder unter 12 Jahren.
"Bei 5- bis 11-jährigen Kindern wurden bisher keine Myo-/Perikarditiden berichtet"
Trotz eines fehlenden Beschlusses zu deren "Impfung" ist in der 102. Sitzung vom 8.6.22 unter dem "TOP 4 – Bericht aus dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI)" zu lesen:
»… Die Mitarbeiterin des PEI weist auf das Problem des Underreportings von unerwünschten Arzneimittelwirkungen hin. Ein weiteres Problem sei, dass ärztlicherseits oftmals keine Differenzierung zwischen einer normalen Impfreaktion und einer über das normale Maß hinaus gehenden Reaktion vorgenommen würde.
Es werden die Melderaten unerwünschter Reaktionen nach COVID-19 Impfstoffen pro 100.000 Impfungen bei Kindern und Jugendlichen gezeigt… Das bedeutendste Riisiko bei Jugendlichen im Alter von 12–17 Jahren ist die Myokarditis (Melderate von 3,5/100.000). Das Risiko ist bei Jungen höher als bei Mädchen und am höchsten nach der 2. Impfstoffdosis (Melderate nach der 2. Impfstoffdosis bei Jungen: 9,3/100.000). Auch nach der 3. Impfstoffdosis wurden einzelne Fälle von Myokarditis berichtet. Bei 5- bis 11-jährigen Kindern wurden bisher keine Myo-/Perikarditiden berichtet. In dieser Altersgruppe ist die Melderate für Synkopen (0,9/100.000) von allen unerwünschten Ereignissen von besonderem Interesse (AESI) am höchsten.«
(Synkopen: plötzliche, kurzzeitige Ohnmacht infolge einer Störung der Gehirndurchblutung)
Man nimmt das zur Kenntnis…
Geradezu rührend nimmt sich die Formulierung des bald scheidenden STIKO-Vorsitzenden im Protokoll der 103. Sitzung am 10.11.22 aus: "Herr Mertens weist daraufhin, dass ein Protokoll grundsätzlich die stattgehabte Diskussion der STIKO- Sitzung dokumentieren soll."
In der 104. Sitzung am 1./2.3.23 ergänzt er: "Ein Vertreter der Pharmaindustrie warb dafür, Diskussionen der STIKO um neue Impfempfehlungen früher im Prozess öffentlich zu machen, um den Firmen eine bessere Planung zu ermöglichen."
Lauterbachs vergiftetes Lob
In dieser Sitzung tritt auch der Gesundheitsminster auf. Aus seinen Worten wird womöglich erkennbar, wo die eigentlichen Entscheidungen getroffen wurden. Neben den üblichen Phrasen führt er aus:
»Herr Gesundheitsminister Lauterbach spricht der STIKO seinen Dank für die geleistete Arbeit in den drei Jahren der Pandemie aus. Er betont, dass auf die Arbeit der STIKO immer Verlass gewesen sei. Deutschland habe trotz relativ alter Bevölkerung die Pandemie gut bewältigt, dies sei auch ein Erfolg der STIKO.
Er betont, dass alle Entscheidungen von der STIKO unabhängig getroffen wurden. Zwischen STIKO und Politik habe es weitestgehend Konsens gegeben. Die Unabhängigkeit der STIKO solle unbedingt gewahrt bleiben. Die Unabhängigkeit habe sich bewährt und sei ein wichtiges Element für die Akzeptanz von Impfempfehlungen in der Ärzteschaft und in der Bevölkerung.
Der Gesundheitsminister dankt dem RKI, vertreten durch Herrn Schaade, und der am RKI angesiedelten STIKO-Geschäftsstelle für die gute Zusammenarbeit mit der STIKO. Die Zusammenarbeit zwischen STIKO und RKI sei äußerst sinnvoll und produktiv, und eine Anbindung der STIKO an das RKI solle auch in Zukunft bestehen bleiben.
Die PAIKO-AG, habe sich ebenfalls bewährt. Die PAIKO-AG solle eine Arbeitsgruppe der STIKO bleiben, in der zusätzlich externe ExpertInnen mitarbeiten. In Nicht-Pandemiezeiten könne die PAIKO-AG zur Pandemic Preparedness beitragen. Die STIKO und die PAIKO-AG können so ihrer Zuständigkeiten für beides, Routine-Impfungen und Pandemie-Impfungen, gerecht werden…«
Mit der PAIKO-AG hatte Lauterbach die endgültige Entmachtung der STIKO eingeläutet. Siehe dazu:
Ein Armutszeugnis zum Abschied
Im gleichen Tagesordnungspunkt, in dem die Lauterbach-Rede genannt wird, ist zu erfahren:
»Die STIKO bittet den Minister darauf hinzuwirken, dass die Impfstoffhersteller ihren Verpflichtungen zur Postmarketing Surveillance nachkommen. Dies sei insbesondere bei der Nutzung neuer Impfstofftechnologien wie der mRNA-Technologie notwendig. Beispielsweise lägen publizierte Daten zur Persistenz der mRNA im Körper nach COVID-19-Impfung mit mRNA-Impfstoffen bisher nicht in ausreichender Form vor.«
Update:
Landauf, landab wurde in den Medien dennoch fast ohne Ausnahme das Gegenteil behauptet. Siehe dazu: Anregende Stiko geht dem Minister am Gesäß vorbei.
(Hervorhebungen in blau und gelb nicht in den Originalen.)
Hat die STIKO dieses zu dem Zeitpunkt auch öffentlich hörbar vertreten?
"Der Nutzen der Impfung, schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern, ist in dieser Altersgruppe nicht offensichtlich gegeben. Es müssten etwa 100.000 12- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche geimpft werden, um einen einzigen COVID-19-bedingten Todesfall in dieser Altersgruppe zu verhindern (number needed to vaccinate =1/(Inzidenz*Vakzineeffektivität)."
Rhetorische Frage:
Arbeiten die Staatsanwaltschaften genauso unabhängig vom Justizministerium wie die STIKO vom BMG?
"Zwischen STIKO und Politik habe es weitestgehend Konsens gegeben. Die Unabhängigkeit der STIKO solle unbedingt gewahrt bleiben. Die Unabhängigkeit habe sich bewährt und sei ein wichtiges Element für die Akzeptanz von Impfempfehlungen in der Ärzteschaft und in der Bevölkerung."
s.o.
By the way:
Sehr gute Arbeit!
Danke für die weiterhin tiefgehenden und ausführlichen Analysen.
"… und die Verhinderung der Transmission von SARS-CoV 2 …"
und
"… die Impfung Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren zu empfehlen, in deren Umfeld sich Angehörige oder andere Kontaktpersonen mit hoher Gefährdung für einen schweren COVID-19-Verlauf befinden, die selbst nicht geimpft werden können".
Danke, das reicht bereits. Muss man nicht davon ausgehen, auch wegen des Pfizer-Vertriebspersonals in den Sitzungen der STIKO und dem Kontakt zum Dienstherren, dass das Wissen als bekannt vorausgesetzt werden kann, dass die Gentherapie nur zum Eigenschutz gedacht war?
Wenn zentrale Entscheidungsprozesse nicht ausreichend dokumentiert sind, sollte dies generell nur zwei Gründe haben können:
1. Wo nicht dokumentiert ist, da fällt es schwer, den verantwortlichen Personen etwas ohne Zweifel nachzuweisen. Es sei denn, diese belasten sich selbst, brechen die Corona-Omerta.
2. Bei Kenntnis des fehlenden Fremdschutzes wäre die Argumentation eine Lüge, die "Verabreichung" der Gentherapeutika dürfte in Richtung vorsätzliche Gesundheitsgefährdung gehen, da gravierende Nebenwirkungen bei fehlendem Nutzen nicht ausgeschlossen erden konnten.
kodoroc.de leistet mehr zur Aufarbeitung der sogenannten Pandemie, als alle übrigen Institutionen. Sachlich analysiert führt dies zu den zu ziehenden Schlussfolgerungen hieraus. Aufarbeitung im Sinne von "Was hätte man besser machen können" ist bei Würdigung der Fakten eine abwegige Fragestellung.