Ist Lauterbach nur dumm oder ein Wegbereiter des Faschismus?

Sollte er nicht nur dumm sein, dann lügt er zumin­dest dreist:

twit​ter​.com (30.1.24)

    1. Der Massenmord an den Juden und Jüdinnen begann nicht erst mit der Wannseekonferenz. Das könn­te Lauterbach, der auch aus ande­ren Studien höch­stens den Abstract zur Kenntnis nimmt, der Zusammenfassung des Artikels der Bundeszentrale für poli­ti­sche Bildung entnehmen:

»Am 20. Januar 1942 tra­fen sich hoch­ran­gi­ge Vertreter des NS-Regimes in einer Villa am Berliner Wannsee, um zu koor­di­nie­ren, wie die Ermordung der euro­päi­schen Juden auf Behördenebene mög­lichst effi­zi­ent umge­setzt wer­den soll­te. Das syste­ma­ti­sche Morden war da bereits von der NS-Führung beschlos­sen und in vol­lem Gange. Bis zum Kriegsende 1945 wur­den über sechs Millionen Juden ermordet…

Der Völkermord an den euro­päi­schen Juden hat­te bereits im Juni 1941 mit dem Überfall auf die Sowjetunion begon­nen. Dort führ­ten mobi­le Einsatztruppen der SS Massenerschießungen und – ab Dezember 1941 – Vergasungen von Juden durch…«

    1. "Alles ange­fan­gen" trifft eher zu auf die Machtübergabe der bür­ger­li­chen Parteien an Adolf Hitler am 30. Januar 1933, spä­te­stens aber auf die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.33. Der auch von der SPD ins Amt gebrach­te Paul von Hindenburg hat­te damit wesent­li­che Grundrechte der Verfassung sus­pen­diert und die Rechtsgrundlage für die Internierung tau­sen­der NazigegnerInnen geschaf­fen. Immerhin stimm­te die SPD-Fraktion als ein­zi­ge nicht dem Ermächtigungsgesetz vom 24.3.33 zu. Die bür­ger­li­chen Parteien, nament­lich der spä­te­re Bundespräsident Theodor Heuss, votier­ten für die Abschaffung des par­la­men­ta­ri­schen Systems in Deutschland. Die Abgeordneten der KPD saßen bereits in Haft oder muß­ten untertauchen.
    1. In den 90 Minuten, die die Wannseekonferenz dau­er­te, waren nicht gehei­me Hinterzimmer-Nazis am Werk, son­dern hoch effi­zi­ent arbei­ten­de Vertreter von Regierungsstellen, nicht weni­ge von ihnen promoviert.

Die Lügen Lauterbachs tref­fen auf ein Publikum, das wenig von der Geschichte zu wis­sen scheint. Da wird Faschismus redu­ziert auf die Vernichtung der Juden und Jüdinnen. 20 Millionen Tote in der Sowjetunion kom­men dort nicht vor, und nur am Rande ande­re Bevölkerungsgruppen, die dem mör­de­ri­schen Wahn der Nazis zum Opfer fie­len. Von Gleichschaltung sämt­li­cher Medien und der Zerschlagung der orga­ni­sier­ten Arbeiterbewegung mag man gehört haben, Parallelen will man jedoch nur bei der AfD sehen.

Richtig ist, daß die völ­kisch-natio­na­li­sti­schen Töne bei der AfD ver­nehm­ba­rer sind als bei ande­ren Parteien. Ihre ideo­lo­gi­sche Fixierung auf die (deut­sche) Kleinfamilie und die Hetze gegen alle Lebensformen, die davon abwei­chen, fin­den ihre Entsprechung eher bei der PIS, Viktor Orbán oder Vladimir Putin als im deut­schen Mainstream. Scheinbare Paradoxien wie eine les­bi­sche Parteivorsitzende sind damit ver­ein­bar, was auch für den offen homo­se­xu­el­len ehe­ma­li­gen Berliner CDU-Funktionäre Peter Kurth gilt, der laut "Spiegel" eben­falls Treffen mit Martin Sellner und dem EU-Spitzenkandidaten der AfD, Maximilian Krah, orga­ni­siert haben soll.

Richtig ist aber auch, wenn­gleich eben­falls teil­wei­se para­dox, daß in der Verantwortung aller Parteien außer der AfD, die man­gels Regierungsbeteiligung dazu nichts bei­tra­gen konn­te, und mit Karl Lauterbach als einer füh­ren­den Kraft in den letz­ten Jahren eine Entdemokratisierung des gesell­schaft­li­chen Lebens statt­ge­fun­den hat, die Wasser auf die Mühlen der AfD lei­tet. Die lang anhal­ten­de Aussetzung demo­kra­ti­scher Rechte durch ein "Infektionsschutzgesetz", das zu Ermächtigungen von MinisterpräsidentInnen in unglaub­li­chem Ausmaß und mit gro­tes­ken Begleiterscheinungen führ­te, das nahe­zu umfas­sen­de Framing von Protest als rechts und demo­kra­tie­feind­lich, ver­bun­den mit einem nie gese­he­nen Gleichklang der ver­öf­fent­lich­ten Meinung und Zensurmaßnahmen in gro­ßem Stil füh­ren zu einer Abwendung wei­ter Teile der Bevölkerung von dem, was ihnen als "par­la­men­ta­ri­sche Demokratie" ver­kauft wird. Da sich an die­ser Verkaufsveranstaltung auch die wahr­nehm­ba­re Linke betei­ligt, erscheint die Rechte als ein­zi­ge Opposition. Auch ein "Bündnis Ludwig Erhard", das die Kritik auf­greift, aber neben schwam­mi­gen Formulierungen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik Kernaussagen der AfD ver­tritt und sich kei­nes­falls als links ver­steht, wird an die­sem Trend nichts ändern.

Dabei gibt es durch­aus sozia­le Bewegungen gegen Teuerung und Inflation, nicht nur die gro­ßen Streiks von Metallarbeitern und Bahnbeschäftigten. Seit fast zwei Wochen strei­ken die Angestellten des Jüdischen Krankenhauses in Berlin für einen Entlastungstarifvertrag. Es gab Fototermine mit Janine Wissler von der Linkspartei und Ricarda Lang von den Grünen. Doch wäh­rend Konservative und Rechte es ver­ste­hen, etwa die Bauernproteste für eine Generalabrechnung mit der Bundesregierung zu nut­zen, bleibt die Linke hier zurück­hal­tend. Ähnlich steht es mit den Aktionen gegen die Sparmaßnahmen des Berliner Senats, von denen allein im Bezirk Mitte mehr als 100 Einrichtungen der Schul‑, Freizeit- und Familieneinrichtungen betrof­fen sind. Da wird ein wenig geg­reint, daß etwa "Antisemitismus-Prävention" die Grundlage ent­zo­gen wird.

Viele Fragen, die nur einer hören will, der stören will

Läge es nicht nahe, Lauterbach mit sei­ner aso­zia­len Gesundheitspolitik vor­zu­füh­ren? Wäre eine Erinnerung an die grif­fi­ge Parole "Bildung statt Bomben" in einer Zeit mili­ta­ri­sti­scher Mobilisierung und gran­dio­ser Vernichtung von Steuergeldern in Form des "Sondervermögens" für Bundeswehr und Rüstungsindustrie nicht erfolg­ver­spre­chend? Könnte ein Hinweis auf die Abermilliarden Euro, die die Corona-Politik in die Kassen der Pharmakonzerne spül­te, nicht deut­lich machen, wo die Grenze zwi­schen oben und unten ver­läuft? Müßte nicht die Frage gestellt wer­den, ob mit der bei Corona erprob­ten Einführung digi­ta­ler Zertifikate für die Ausübung von Grundrechten, mit der elek­tro­ni­schen Patientenakte und der Nutzung ihrer Daten durch die Pharmaindustrie, die bestän­di­ge Verschärfung von Polizeigesetzen, die Ausweitung von Videoüberwachung, das Anlegen von "Gefährderregistern" bei gleich­zei­ti­ger Verengung des "Meinungskorridors", egal ob zu den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten, der Coronapolitik oder den Streik-"Drohungen" von Gewerkschaften, Schritte in Richtung eines moder­nen Faschismus gemacht wer­den? Vermutlich wird er weni­ger von Lagern geprägt sein, außer für uner­wünsch­te MigrantInnen, son­dern von digi­ta­len Fesseln für Füße und Hirne. Wahrscheinlich wird er ein freund­li­che­res Antlitz haben, der die Fratzen der Höckes nutzt, um auf­zu­zei­gen: Wir kön­nen auch anders. Nutznießer wer­den alle­mal die Konzerne sein, auch wenn sie sich gera­de besorgt geben um den Standort und die Zufuhr aus­län­di­schen Menschenmaterials, das ihre Profite mit Autos, Spritzen und neu­er­dings "grü­nen" Wegwerfprodukte sicher­stel­len soll.

Der gute alte Degenhardt hat das schö­ne Lied "Wölfe mit­ten im Mai" gedich­tet, dem die letz­te Zwischenüberschrift ent­nom­men ist:

Quelle: geni​us​.com

Den vie­len Menschen, die sich wohl mit besten Absichten von Lauterbach instru­men­ta­li­sie­ren las­sen, sei das Bonmot von Max Horkheimer aus dem Jahr 1939 emp­foh­len (Lauterbach wür­de den Satz nicht verstehen):

»Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, soll­te auch vom Faschismus schwei­gen«

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