Zero-Covid: "Ein abschreckendes Beispiel, aus dem wir Lehren für die Zukunft ziehen möchten"

Vor eini­gen Tagen wur­de hier über eine Studie berich­tet, in der Prof. Schmidt-Chanasit mit WissenschaftlerInnen aus neun Ländern die Zero-Covid-Kampagne einer Kritik unter­zieht. Freundlicherweise hat ein Leser den Volltext zur Verfügung gestellt, aus dem hier aus­führ­lich zitiert wer­den soll.

»… Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) äußer­te schon früh in der Pandemie ihre Besorgnis über Fehlinformationen (Zarocostas 2020), die zu Verschwörungstheorien (van Mulukom et al. 2022) und einer gerin­ge­ren Impfstoffaufnahme füh­ren kön­nen (Pullan und Dey 2021; Borges do Nascimento et al. 2022; Van der Linden 2022), um nur eini­ge Beispiele zu nen­nen. Fehlinformationen kön­nen nicht nur ein fal­sches Gesundheitsverhalten her­vor­ru­fen, son­dern auch erheb­li­chen emo­tio­na­len Stress, Angst, sogar Panik, Depression und Müdigkeit ver­ur­sa­chen, wenn sie stark an die Angst appel­lie­ren (Rocha et al. 2021; Krygsman et al. 2023). Nationale Regierungen gin­gen welt­weit unter­schied­lich mit Fehlinformationen um, von der Verbesserung des Zugangs zu ver­meint­lich kor­rek­ten Informationen bis hin zur Kriminalisierung öffent­li­cher Kritik an der Reaktion der Regierung (Pomeranz und Schwid 2021). Eine gro­ße kon­zep­tio­nel­le Schwierigkeit besteht dar­in, dass der Begriff „Fehlinformation“ nur unzu­rei­chend defi­niert ist (El Mikati et al. 2023) und dass Risiken und Nutzen der Bekämpfung die­ses Phänomens kom­plex sind (Altay et al. 2023)…

Eine Studie aus Finnland ergab, dass es wäh­rend der Pandemie drei gro­ße Gruppen von pseu­do-anony­men Social-Media-Aktivisten auf X/​Twitter gab, wobei die Gruppe „Zero-Covid“ häu­fig per­so­nen­ori­en­tier­te Strategien ein­setz­te, um die Politik der Regierung zu kri­ti­sie­ren (Heikkilä 2022). In Schweden nutz­te die Gruppe Media Watchdogs of Sweden (MEWAS), eine Gruppe mit 200 Mitgliedern, die dar­auf abziel­te, den Umgang der schwe­di­schen Regierung mit der Pandemie zu beein­flus­sen, koor­di­nier­te per­so­nen­ori­en­tier­te Strategien (Trolling oder „Schwärmen“), um Wissenschaftler in der Debatte zu beein­flus­sen (Pamment 2021).

Abgesehen von die­sen nor­di­schen Studien ist die Forschung über die Befürwortung von Zero-Covid nach wie vor begrenzt. In Anbetracht ihrer Relevanz für die wis­sen­schaft­li­che Analyse ver­dient die­se Befürwortung des­sen, was wir als „maxi­ma­li­sti­sche Risikominderungsposition“ des Befürwortungsspektrums klas­si­fi­zie­ren, eine genaue­re Untersuchung. Zu die­sem Zweck haben wir die Befürwortung im Zusammenhang mit dem World Health Network (WHN) ana­ly­siert, einer Gruppe, die 2020 gegrün­det (Bar-Yam 2020) und 2021 in einem Brief in The Lancet (Bar-Yam et al. 2021b) vor­ge­stellt wurde…

2 Methoden

Um die sicht­bar­sten Befürworter zu erfas­sen, haben wir aus der Gesamtliste der 132 Unterzeichner zwan­zig aus­ge­wählt, die alle drei oder die fol­gen­den Einschlusskriterien erfüll­ten: (1) mehr als 10.000 X‑Follower, (2) ins­ge­samt 5.000 Tweets oder mehr zu einem belie­bi­gen Thema und (3) Tweets, die jedem der zehn unter­such­ten Themen zuge­ord­net wer­den konn­ten… Die zwan­zig Befürworter, die die­se Kriterien erfüll­ten, wur­den in Bezug auf alle zehn Themen ana­ly­siert, die auf X in eng­li­scher Sprache ver­fasst wur­den, wobei zu berück­sich­ti­gen ist, dass dies nicht reprä­sen­ta­tiv für die gesam­te Zero-Covid-Befürwortung ist, son­dern nur für eini­ge der ein­fluss­reich­sten Befürworter in eng­li­scher Sprache. Diese Befürworter wer­den im Folgenden als WHN-Befürworter bezeichnet…

Um die Verbreitung zu schät­zen, haben wir zusätz­lich die Gesamtzahl der Likes, die die am höch­sten geli­ste­ten Tweets bis Dezember 2023 erhal­ten haben, und die ent­spre­chen­de Anzahl von Retweets und Zitat-Tweets analysiert…

3 Ergebnisse

3.1 Ansichten über Null-Covid
Alle 20 Befürworter ver­wen­de­ten den Begriff „Zero-Covid“… Zero-Covid wur­de als eine Strategie bezeich­net, die ethi­scher sei und der Gesellschaft Normalität ver­lei­he: "Wenn du dein Leben frü­her zurück­ha­ben willst, wie die Neuseeländer, wäh­le #ZeroCovid" oder "Was ist nicht erstre­bens­wert dar­an, mit dei­nen Freunden etwas zu trin­ken, dei­ne Lieben zu umar­men?" und "COVID Zero ist die ein­zi­ge Strategie, die Sinn macht und die ein­zi­ge huma­ne, ethi­sche Strategie". Obwohl der Begriff Zero-Covid nicht immer ein­deu­tig war, wur­de er, wenn er erklärt oder defi­niert wur­de, ver­wen­det, um sich auf Strategien zur „Eliminierung“ von SARS-CoV‑2 zu bezie­hen (im Gegensatz zur voll­stän­di­gen Ausrottung), was zu einer gewis­sen Verwirrung bezüg­lich des Wortes „Zero“ geführt haben könnte.

Es wur­de behaup­tet, die Alternative zu Zero-Covid sei schlim­mer oder sogar kata­stro­phal, und in vie­len Stellungnahmen wur­de behaup­tet, es gäbe kei­nen Mittelweg : "Entweder wir ent­schei­den uns für #ZeroCovid oder wir machen jah­re­lang einen Jo-Jo-Effekt"; "Die Alternative zu #ZeroCOVID ist #ForeverCOVID"; "Ich wuss­te schon immer, dass nicht Zero COVID zu maxi­ma­lem COVID füh­ren wür­de"; "Die Wahl ist eigent­lich zwi­schen #Zerocovid und #ZeroHuman /​#zeromink"; und "Jeder Gegner die­ser Vision (nennt sie eine Sekte usw.) woll­te 'es kra­chen las­sen', ein­schließ­lich der lie­ben 'Zentristen', die nicht ver­stan­den haben, dass 'mit Covid zu leben genau das­sel­be ist, wie es kra­chen zu lassen!'.

Ein Hauptargument war, dass die Evolution der Viren (die zu poten­zi­ell schlim­me­ren, dem Immunsystem aus­wei­chen­den Varianten führt) mit Zero-Covid ver­hin­dert wer­den könn­te: "Wir müs­sen auch so vie­le Länder wie mög­lich auf #Zero-Covid brin­gen, um uns vor wei­te­ren Varianten zu schüt­zen." Oder wie es ein ande­rer Befürworter aus­drück­te: "Viren kön­nen nicht mutie­ren, wenn sie sich nicht ver­meh­ren kön­nen. #StopTheTransmission #StopTheSpread #SARS2EliminationNow #ZeroCOVID #EndThePandemic"…

3.2 Ansichten zu epi­de­mio­lo­gi­schen Daten zu SARS-CoV‑2 und neu­en Varianten

… Die Betonung lag fast aus­schließ­lich auf den nega­ti­ven Ansichten. Einer der Befürworter fass­te die Aussichten wie folgt zusam­men: "Das Virus, das COVID-19 ver­ur­sacht, wird sich nicht in etwas Milderes ver­wan­deln – jeden­falls nicht zu unse­ren Lebzeiten. Lassen Sie sich von den Politikern nicht ein­re­den, dass wir ler­nen kön­nen, mit die­sem Virus zu leben. Das ist es nicht." Was die Häufigkeit von Reinfektionen anbe­langt, so erklär­te ein ande­rer Befürworter: "Wir kön­nen uns alle paar Wochen neu infi­zie­ren. Das gilt auch für unse­re Kinder. Weder Infektionen noch Impfstoffe schüt­zen vor Infektionen".

Dementsprechend wur­den beim Auftreten neu­er Varianten Ansichten über deren Schweregrad und Auswirkungen auf den Verlauf der Pandemie geäu­ßert. Ein Befürworter sag­te ein­fach: "Omikron ist nicht 'mild'.“ Eine Schätzung der Sterblichkeit von Omicron (genannt "Nu") im November 2021 erwei­ter­te die­se Behauptungen mit einer "sehr gro­ben Schätzung der Sterblichkeit der Nu-Variante auf das 8‑fache der ursprüng­li­chen Variante auf der Grundlage der aktu­el­len gro­ben Schätzung der Übertragbarkeit"…

3.3 Ansichten zu Long COVID und Immunstörungen auf­grund von COVID-19

… Die Auswirkungen wur­den mit denen von HIV ver­gli­chen: "Das Coronavirus nutzt die­sel­be Strategie wie HIV, um sich in den Zellen zu ver­stecken." Eine Erzählung war, dass Infektionen die näch­ste Infektion eher ver­schlim­mern, als dass sie die adap­ti­ve Immunität erhö­hen, wie ein Befürworter in einem Tweet sag­te, der mehr als 2.000 Likes erhielt: "Die Vorstellung, dass eine Infektion einen gewis­sen Nutzen hat, d. h. Immunität gegen künf­ti­ge Infektionen ver­leiht, hat sich jetzt als falsch erwie­sen. Das Gegenteil ist der Fall: eine Infektion macht die näch­ste Infektion schlim­mer, nicht besser".

Ein Befürworter fass­te dies wie folgt zusam­men: "Das gan­ze Jahr über haben wir bis­her mehr Todesfälle durch Herzkrankheiten, Diabetes, Bluthochdruck, Parkinson, Demenz und Alzheimer-Krankheit ver­zeich­net. All die­se Krankheiten wur­den mit einer frü­he­ren Covid-Infektion in Verbindung gebracht"…

3.4 Ansichten zu COVID-19-Impfstoffen im Zusammenhang mit ihren Einschränkungen und ande­ren Abhilfemaßnahmen

… Man kann nicht sagen, dass die Befürworter "Anti-Vax"-Ansichten haben, aber das inten­si­ve Eintreten für die Eliminierung ging mit einer gerin­ge­ren Betonung von Impfstoffen als Eindämmungsstrategie und dem Hervorheben ihrer Grenzen einher…

Die Befürworter von Zero-Covid kri­ti­sier­ten auch Impfbefürworter und Impfforscher und plä­dier­ten für den Focus auf die Masken-Mitigation: "Dennoch zie­hen es eini­ge vor, ihre Stimme zu nut­zen, um wei­ter­hin nur für Impfstoffe ein­zu­tre­ten, wäh­rend sie die zuneh­men­de NOTWENDIGKEIT zur Wiedereinführung von Masken ignorieren."…

3.5 Ansichten zur Pandemieabwehr bei Kindern und Schulen

… Kinder und Schulen waren ein Hauptanliegen der Befürworter von Zero-Covid, und die Eindämmung der Situation in den Schulen war wohl ein Hauptmerkmal ihrer gemein­sa­men Kampagne. Ein direk­tes Beispiel dafür war die Aussage eines Befürworters (Juni 2020): "Unsere Kinder kön­nen nicht in die Schule zurück­keh­ren, bevor wir die Pandemie been­det haben." Ein ande­rer der unter­such­ten Befürworter… begrün­de­te dies so: "Ein Jahr lang nicht zur Schule zu gehen, ist schäd­lich. Tot zu sein ist auch schäd­lich. Stellen Sie sich das mal vor". Diese Ansichten lie­ßen durch­weg die sehr gerin­gen Auswirkungen von COVID-19 auf die Sterblichkeit von Kindern und die rele­van­ten Kompromisse im Bereich der öffent­li­chen Gesundheit in Bezug auf den Schulbesuch außer Acht, ohne die­se offen zu leug­nen (Soriano-Arandes et al. 2023; Mazrekaj and De Witte 2023).

Die Besorgnis über die bio­lo­gi­sche Sicherheit in Schulen war ein­deu­tig: "Schulen sind nicht sicher. Ohne Investitionen in Belüftung und Luftfilterung wer­den Kinder 2–3 Mal pro Jahr mit COVID-19 infi­ziert, was ihre Gesundheit schä­digt und sie anfäl­lig für ande­re Erreger macht."…

Ein not­wen­di­ges Instrument die­ser Politik war die Maske, wie ein Befürworter sag­te: "Natürlich brau­chen Kinder Masken. COVID ist kei­ne Erkältung. Es ist ein neu­ro­tro­pes Virus, das in das Gehirn und vie­le ande­re Organe ein­drin­gen kann." Andere WHN-Mitarbeiter stan­den bereit, um die benö­tig­ten Masken ihrer Unternehmen zu ver­kau­fen: "Unsere Hersteller ste­hen bereit, um die Atemschutzmasken zu lie­fern, die wir brau­chen, um die Kinder in der Schule zu schüt­zen." Auf die­se Weise spiel­ten Narrative und Lösungen in der Lobbyarbeit zusam­men und ver­schmol­zen mit finan­zi­el­len Interessen.

3.6 Ansichten zu Affenpocken

Als sich Mpox (Affenpocken) im Sommer 2022 in Europa und den Vereinigten Staaten aus­brei­te­te, initi­ier­ten die Befürworter von Zero-Covid rasch einen Online-Diskurs über die Ausbreitung und Eindämmung der Krankheit, der einen brei­te­ren Einblick in ihre Ansichten über die Krankheit jen­seits von COVID-19 bietet…

Ein cha­rak­te­ri­sti­sches Merkmal war die star­ke öffent­li­che Betonung der Tatsache, dass die Mpox-Übertragung über die Luft erfolgt, so dass Masken zur Eindämmung der Krankheit erfor­der­lich sind. Ein Befürworter for­mu­lier­te dies wie folgt: "Ich sage es: Affenpocken sind kei­ne sexu­ell über­trag­ba­re Krankheit. Sex ist der Verursacher. Die aus­ge­las­se­ne Variable ist der Luftaustausch. Versuchen Sie ein­mal, Sex zu haben, ohne dies zu tun."…

Ebenfalls von zen­tra­ler Bedeutung war die Ansicht, dass die Mpox-Ausbreitung eine Hochrisikosituation dar­stel­le und dass sie mit der COVID-19-Pandemie ver­gleich­bar sei und eine eige­ne Pandemie-Erklärung erfor­de­re. Wie einer sag­te: "Affenpocken wer­den höchst­wahr­schein­lich ein viel grö­ße­res Spektakel als COVID19 sein; sie wer­den sich nur über einen län­ge­ren Zeitraum aus­brei­ten." Es wur­den expo­nen­ti­el­le Hochrechnungen ange­stellt: "Im Moment ver­dop­peln sich die Affenpockenfälle in 1,5 Tagen, das 27-fache in einer Woche. Wenn die­se Wachstumsrate anhält, wer­den die 228 jetzt bestä­tig­ten Fälle mehr als 6.000 in einer Woche sein, 150.000 in zwei Wochen, 300 Millionen in einem Monat, jeder in 5 Wochen + 2 Tagen. So kann es nicht wei­ter­ge­hen, aber was wird es aufhalten?".

3.7 Persönliche Gesundheitsberatung und Werbung für Heilmittel

… Selbst nach der brei­ten Impfung und dem Aufkommen von Omikron, das vie­le Länder dazu ver­an­lass­te, die stren­ge Eindämmung auf­zu­ge­ben, beton­ten die Befürworter das Tragen von Masken und die sozia­le Distanzierung auch im Freien, indem sie zum Beispiel ver­kün­de­ten: "#Omicron ist so ansteckend. Stellen Sie sicher, dass Ihre Kinder min­de­stens eine KN95- oder KF94- oder FFP2-Maske tra­gen" und "Omicron ist so ansteckend, hal­ten Sie sich von Menschen fern, auch im Freien und sogar mit einer Maske." Im Mai 2022 schrieb ein Befürworter: "Wir *müs­sen* mit hoch­wer­ti­gen Masken, Beatmung, Schnelltests, unter­stütz­ter Isolierung unter­drücken – *wäh­rend* wir auf die näch­ste Generation von Impfstoffen und bes­se­re Behandlungen für Long COVID war­ten. Dies wird zu einer *rie­si­gen* Zunahme chro­ni­scher Krankheiten führen."…

Einige Befürworter hat­ten pri­va­te Unternehmen, die Masken, Atemschutzgeräte und Luftüberwachungsgeräte ver­kauf­ten (wir haben zwei iden­ti­fi­ziert, http://​pre​sci​entx​.com/ und http://​co2ra​di​cal​.com​.au) und dies häu­fig bewar­ben, gemischt mit Ansichten über die Pandemie, mit Aussagen wie "FloMask ist einer der Hauptgründe, war­um es unse­rer Familie gelun­gen ist, sich vor schul­be­ding­ten Infektionen zu schüt­zen", "Unser 7‑jähriges Kind benutzt http://​Flomask​.com. Sie kön­nen die­ses ein­fa­che Biohack von http://​co2ra​di​cal​.com​.au kau­fen" usw.

3.8 Ansichten über ande­re Wissenschaftler

Die Befürworter hat­ten emo­ti­ons­ge­la­de­ne Meinungen über Regierungsbehörden und ande­re Wissenschaftler. Obwohl eini­ge Befürworter einen weni­ger kon­fron­ta­ti­ven Ansatz ver­folg­ten, zitier­ten, kri­ti­sier­ten und beschimpf­ten ande­re häu­fig Wissenschaftler, die über COVID-19 for­schen, sowie ande­re Behörden…

Wissenschaftliche Arbeiten, mit denen die Befürworter nicht ein­ver­stan­den waren, wur­den hef­tig kri­ti­siert, ein bemer­kens­wer­tes Beispiel war der Cochrane-Review zu Masken (Jefferson et al. 2023), der als "die Gaunerei, die nicht auf­hört zu exi­stie­ren" [the grift that keeps on giving] bezeich­net wur­de. Der Begriff "Verharmloser" wur­de mehr­fach ver­wen­det, um Gegner zu cha­rak­te­ri­sie­ren (angeb­lich jemand, der COVID-19 absicht­lich her­un­ter­spielt)… Andersdenkende Universitätsprofessoren wur­den als „kran­ker Mann“, „unbrauch­ba­re Ausrede für einen Forscher“, „er postet stän­dig Müll“, „sie ist ein mise­ra­bler Mensch“, „sie ist so inkom­pe­tent“, „er ist so ein Idiot“, „Propagandist X“ usw. bezeich­net. Ein Befürworter schrieb: „X fin­det Beruhigung in der Masseninfektion von Kindern“, und ein drit­ter schrieb: „Sicher, hören Sie auf die kli­ni­sche Erfahrung, aber nicht auf X, Y und Z, die alle Covid-Minimierer bei Kindern sind – und mit­ver­ant­wort­lich dafür, wo wir stehen.“…

3.9 Verwendung von anek­do­ti­schen Belegen

Alle unter­such­ten Befürworter ver­wen­de­ten Anekdoten, um ihre Botschaften zu ver­stär­ken und emo­tio­nal anzusprechen…

Im Sommer 2020, als die erste Welle in Europa vor­über­ging, wur­den Anekdoten aus der süd­afri­ka­ni­schen Welle dis­ku­tiert: "Eine Person mit #COVID19 kam in ein Krankenhaus in Südafrika. In der Folge wur­den 39 Patienten und 80 Mitarbeiter infi­ziert, 15 Patienten star­ben. Wir gehen in Australien jeden Tag die­ses Risiko ein und wer­den es auch wei­ter­hin tun, wenn wir nicht wie Neuseeland die Eliminierung ver­fol­gen." Besonders ein­drück­lich waren Anekdoten mit Kindern, die die Folgen einer unzu­rei­chen­den Eindämmung andeu­te­ten, wie z. B.: "Ein 10-jäh­ri­ges Mädchen aus Suffolk, das an COVID starb, war in der Schule beauf­tragt wor­den, mit kran­ken Schülern zur Krankenschwester zu gehen".

Die Berichte über uner­war­te­te Folgen einer Infektion waren beein­druckend; einer schrieb: "Ein Mann in den 30ern berich­te­te, dass er nach der Infektion Schwierigkeiten hat­te, eine Erektion zu bekom­men, und dass sein Penis infol­ge­des­sen geschrumpft war"… Eine ande­re Geschichte: "Wir haben gera­de die trau­ri­ge Nachricht erhal­ten, dass ein sie­ben­jäh­ri­ges Mädchen, das mit einem unse­rer Kinder befreun­det ist, sei­ne Mutter durch COVID-19 ver­lo­ren hat. Ihre Mutter hat sich bei ihr mit COVID-19 ange­steckt, und das Kind ist sich des­sen schmerz­lich bewusst. 'Vollständig' geimpft. Mir feh­len die Worte“, erhielt fast 3000 Likes.


3.10 Vorwürfe der Absicht oder Verschwörung

Neben der oben erwähn­ten Kritik an den offi­zi­el­len Stellen unter­stell­ten die Befürworter den Behörden auch impli­zit oder direkt böse Absichten oder eine Verschwörung, um Daten zu ver­ber­gen und Masseninfektionen zu erzwin­gen, wobei sie manch­mal auf „euge­ni­sche“ Strategien anspielten…

Ein Befürworter behaup­te­te, die Berater sei­en „hand­ver­le­sen“: "Tweeps, die­se Berater sind hand­ver­le­sen. Ich habe kei­ne Insiderinformationen". Ein ande­rer mein­te: "Die kal­ku­lier­te Gleichgültigkeit der Regierung scheint sogar Teil eines absicht­li­chen Plans zu sein, das Virus aus­bre­chen zu las­sen." Andere Meinungen lau­te­ten: "Die Realität: 'Pandemische Säuberung'"; "Die Eugenik-Bewegung ist tief im Vereinigten Königreich verwurzelt"…

Einige der Behauptungen bezo­gen sich auf berühm­te Persönlichkeiten, wie z. B. Könige: "Sie haben die letz­te Königin getö­tet, indem sie sie mit COVID infi­ziert haben. Eine Königin zu ver­lie­ren mag als Unglück ange­se­hen wer­den, zwei zu ver­lie­ren sieht nach Nachlässigkeit aus."…

4 Diskussion

4.1 Behauptungen
Die fol­gen­de Diskussion wird als Ausblick ange­bo­ten, aber wir beto­nen, dass die gesam­mel­ten Zitate für sich allein ste­hen soll­ten. Die Aussagen wie­sen ein hohes Maß an the­ma­ti­scher Konvergenz und Kohärenz auf, wobei die Befürworter häu­fig ande­re Befürworter, auch ande­re als die in die­ser Arbeit unter­such­ten, ret­weete­ten, um ihre Ansichten zu bekräftigen…

Obwohl eini­ge Teilnehmer ver­such­ten, ein Vorbild für die Befürwortung von „wis­sen­schaft­li­chen Schiedsrichtern“ zu sein (indem sie die Daten detail­lier­ter ana­ly­sier­ten und die wis­sen­schaft­li­chen Ergebnisse zum Nutzen der Leser kom­mu­ni­zier­ten), bezo­gen sich die Analysen immer auf ein ein­zi­ges Thema, näm­lich die Gefahr von COVID-19, und es fehl­te meist eine Diskussion über alter­na­ti­ve Interpretationen, Unsicherheiten und ande­re poli­ti­sche Optionen als die von den Befürwortern favorisierten.

Auch wenn es sol­che Ansichten geben mag, führ­te kei­ner der Tweets, die wir mit unse­rer Suchstrategie gefun­den haben, zu opti­mi­sti­schen Aussagen über den Verlauf der Pandemie. Die gesam­mel­ten Daten ver­stärk­ten den Glauben an eine anhal­ten­de Bedrohung der Gesellschaft, selbst im Jahr 2023… 

Viele Ansichten betra­fen weit­rei­chen­de poli­ti­sche Vorschläge mit kom­ple­xen Auswirkungen, die ohne syste­ma­ti­sche Analyse von Beweisen ver­tre­ten wur­den, und meh­re­re Aussagen, wie z. B. "die Zerstörung des west­li­chen mensch­li­chen Gehirns", kamen ohne Sachkenntnis über das Thema der Behauptung, zusätz­lich zu der merk­wür­di­gen Qualifizierung des "Gehirns", das in Gefahr ist, als spe­zi­fisch "west­lich".

Eine wei­te­re Aussage, die mit dem Zero-Kovid-Konzept über­ein­stimmt, ist, dass eine Infektion völ­lig ver­meid­bar sei. Aussagen wie "Es ist bes­ser, wenn Kinder über­haupt nie an Covid erkran­ken" und "Wir dür­fen sai­so­na­le Erkältungen und ande­re Atemwegsviren nie wie­der als Norm akzep­tie­ren […] unse­re Innenraumluft ist schmut­zig" ver­an­schau­li­chen eine tota­li­sie­ren­de Darstellung von Atemwegsviren und inhä­rent schmut­zi­ger Innenraumluft, die zur Notwendigkeit von Zero-Covid passt. Die Behauptung, dass Mpox über die Luft über­tra­gen wird und daher mit Masken und Lüftung bekämpft wer­den muss, nährt das glei­che Narrativ der "schmut­zi­gen Luft". Dieses Narrativ von "Schmutz und Verschmutzung" ist in der mora­li­schen und ras­si­sti­schen Logik, die den klas­sen­be­ding­ten Projekten der vik­to­ria­ni­schen und ande­rer Hygienebewegungen zugrun­de liegt, aus­führ­lich doku­men­tiert wor­den (Porter 1991).

4.2 Strategie der sozia­len Medien

Die Befürworter waren stark ver­netzt und koor­di­nier­ten sich gegen­sei­tig, indem sie sich zitier­ten und ret­weete­ten… Diese Koordinierung zur Verstärkung der Wirkung könn­te die Befürworter stär­ker und bemer­kens­wer­ter erschei­nen las­sen, wie ihre beträcht­li­chen Followerzahlen zei­gen. Die Lobbyarbeit war inten­siv, wie die Anzahl der Tweets eini­ger Befürworter zeigt (in eini­gen Fällen Zehntausende), die einen stän­di­gen Informationsstrom lieferten…

Wie ein Befürworter sag­te, "unser Wille, einen Feind zu besie­gen, unse­re Kreativität bei der Innovation, wir kön­nen die Gesellschaft durch kol­lek­ti­ves Handeln ver­än­dern und gewin­nen". Diese gene­ra­li­sie­ren­de, kriegs­ähn­li­che Rhetorik spie­gel­te sich auch in Angriffen auf Behörden wider, die böse Absichten unter­stell­ten, Daten ver­steck­ten usw. und ande­re Wissenschaftler in der Öffentlichkeit der Voreingenommenheit oder Inkompetenz beschul­dig­ten. Dies deu­tet auf "Gruppendenken" und ein dis­kur­si­ves Universum hin, das weit über COVID selbst hinausgeht…

Insgesamt wur­den bei den Strategien eine kon­stan­te, koor­di­nier­te Kommunikation von Gefahr oder Angst, Ungewissheit und Verwirrung, Kriegsanalogien und Gruppenidentität, Beschimpfung von Gegnern, emo­tio­na­le Appelle, selek­ti­ve Verwendung von Daten im Gegensatz zu evi­denz­ba­sier­ten wis­sen­schaft­li­chen Methoden der syste­ma­ti­schen Überprüfung und bei all dem star­ke und direk­te Vorschläge für eine poten­zi­ell ein­grei­fen­de Politik in hoch­kom­ple­xen Angelegenheiten ver­wen­det. Diese Methoden schei­nen mit denen über­ein­zu­stim­men, die zum Aufbau von „mora­li­schen Paniken“ ver­wen­det wer­den, und könn­ten sogar eini­ge Merkmale mit Propaganda tei­len (Hier and Hier 2011; Ungar 2001; Wright 2015).

4.3 Werbung durch X/​Twitter

Bei der Auswahl der Tweets in die­ser Studie han­delt es sich um eine klei­ne Stichprobe aus der Gesamtzahl der Tweets der Befürworter, die in eini­gen Fällen in die Zehntausende gin­gen. Die Anzahl der Likes, die die Tweets erhiel­ten (in eini­gen Fällen vie­le Tausende… zeigt, dass es X sehr wich­tig war, sicher­zu­stel­len, dass die Nachrichten und Behauptungen vie­le Tausende von Menschen erreich­ten. Viele sol­cher Beispiele fin­den sich in den ergän­zen­den Informationen…

Alle Angriffe auf offi­zi­el­le Stellen und ande­re Wissenschaftler (die sie als Idioten, Verharmloser, Propagandisten, Pseudowissenschaftler usw. bezeich­ne­ten) waren zum Zeitpunkt der Studie in vol­lem Umfang ver­füg­bar, was zeigt, dass X kei­ne nen­nens­wer­ten Maßnahmen ergrif­fen hat, um den Schaden zu ver­rin­gern, den die Befürworter ande­ren Nutzern und Wissenschaftlern zuge­fügt haben.

Der Erfolg der unter­such­ten Befürworter auf X führ­te dazu, dass eini­ge Befürworter zu „Berühmtheiten“ wur­den und in einem Fall im Jahr 2023 mehr als 700.000 Follower hatten…

4.4 Erklärung von Interessenkonflikten

Die Interessenvertretung ist oft durch Interessen wie Patientenbelange, ideo­lo­gi­sche Ansichten oder Industrielobbyismus moti­viert (Wouters 2020; Salooiee and Dagli 2000). Das Fehlen von dekla­rier­ten Interessenkonflikten ist in der Wissenschaft unan­ge­bracht, da es die Bemühungen unter­gräbt, Interessen und poten­zi­el­le Verzerrungen zu bewer­ten (Marshall et al. 2020).

Wir haben zwei Unternehmen iden­ti­fi­ziert, die von eini­gen der unter­such­ten Befürworter geführt wer­den und Mittel gegen COVID-19 ver­kau­fen (CO2Radical, Prescientx), was einen finan­zi­el­len Interessenkonflikt impli­ziert, der in einem Kontext von Politikberatung und ‑vor­schlä­gen wohl dekla­riert wer­den sollte…

Zusätzlich zu den Auswirkungen auf X und in eini­gen Medien wur­den die Ansichten des WHN von The Lancet geför­dert, das vie­le Standpunkte der unter­such­ten Befürworter ver­öf­fent­lich­te, wie z. B. die Befürwortung der Reduzierung von SARS-CoV-2-Infektionen (Priesemann et al. 2021), die Bekämpfung von „Masseninfektionen“ (Gurdasani et al. 2021a), das Plädoyer für stren­ge­re Schulrichtlinien (Gur- dasa­ni et al. 2021b) und der voll­stän­di­ge WHN-Befürworterbrief, der für die Gruppe wirbt (Bar- Yam et al. 2021b)…

WHN-Befürworter wur­den auch stark in das Delphi-Konsensus-Panel zu COVID-19 ein­be­zo­gen, das im November 2022 in Nature ver­öf­fent­licht wur­de (Lazarus et al. 2022), zusam­men mit ande­ren Befürwortern, die mit der euro­päi­schen Zero-Covid-Strategie ver­bun­den sind (Bar-Yam et al. 2021a). Zehn der 20 hier unter­such­ten Befürworter waren Panelisten des Delphi-Konsenspapiers, und die Kerngruppe, die ande­re Experten für das Panel aus­wähl­te, bestand zu min­de­stens 35 % aus akti­ven Befürwortern der Null-Kuhhaltung oder ver­wand­ter Befürworter in Europa und Nordamerika, wie z. B. WHN (wo die Durchführbarkeit wohl viel gerin­ger ist als in eini­gen ande­ren Regionen wie Neuseeland) (Kepp et al. 2024)…

4.5 Folgerungen und wei­te­re Schritte

Die Intervention von Wissenschaftlern und ande­ren Experten in die poli­ti­sche Entscheidungsfindung wird durch die Vermischung von Werten und Fachwissen erschwert, und ange­sichts der Bedeutung die­ses Phänomens in moder­nen Demokratien besteht ein drin­gen­der Bedarf an robu­sten ana­ly­ti­schen Rahmenwerken (Bandola-Gill 2021). Bei dem hier unter­such­ten Phänomen kann die Befürwortung der öffent­li­chen Gesundheit als eine Verteilung ent­lang zwei­er Achsen betrach­tet wer­den, einer „Risikoachse“, die beschreibt, wie schwer­wie­gend ein neu­es Risiko ist, und einer „Abhilfeachse“, die die Wirksamkeit von Maßnahmen beschreibt. Das eine Ende der Bedrohungsachse steht dann für die Leugnung der Bedrohung der öffent­li­chen Gesundheit (bei der Pandemie: COVID-19-Leugnung), wäh­rend das ande­re Extrem die Bedrohung als domi­nie­rend für alle ande­ren Themen wie Demenz, psy­chi­sche Gesundheit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Bildung, indi­vi­du­el­le Autonomie, Klima, Armut usw. ansieht. Auf der Achse der Heilmittel könn­te das eine Extrem als Vertreter der „Anti-Medizin“- oder „Anti-Interventions“-Perspektive ver­stan­den wer­den. Das ande­re Extrem steht für eine Besessenheit von Kontrolle, die sich in eine wis­sen­schaft­li­che Sprache oder einen Szientismus klei­det (Haack 2012), der Möglichkeiten für die Lobbyarbeit für tota­li­sie­ren­de Interventionen ohne gesell­schaft­li­che Kontrollen und Gegengewichte schaf­fen kann, die durch gewinn­ori­en­tier­te Interessen ver­zerrt wer­den könnten…

Unsere Studie zeigt die Ansichten einer Seite des Befürwortungsspektrums am obe­ren Ende der Risikoachse und am Ende der Abhilfeachse, die stren­ge­re Maßnahmen als der Mainstream befür­wor­ten. Dies äußer­te sich zunächst in der Befürwortung einer Zero-Covid-Politik und spä­ter in der Befürwortung einer anhal­ten­den Eindämmung noch in der Omikron-Ära, als vie­le euro­päi­sche Länder die Beschränkungen bereits gelockert hat­ten, nach­dem die Todesraten durch Infektionen erheb­lich zurück­ge­gan­gen waren und Impfungen ange­bo­ten wur­den (Erikstrup et al. 2022). Interessanterweise hat­ten Gruppen wie das WHN, die die Regierungen zu mehr Aktivität anspor­nen, in den sozia­len Medien und in wis­sen­schaft­li­chen Publikationen offen­bar viel Platz, wäh­rend Kommentaren über unbe­ab­sich­tig­te und oft nega­ti­ve Auswirkungen staat­li­cher Interventionen mög­li­cher­wei­se weni­ger Raum gege­ben wur­de; dies scheint von Bedeutung zu sein und lädt zu wei­te­ren Analysen und Korrekturmechanismen ein (Schippers and Ioannidis 2022)…

Wir zei­gen, dass wis­sen­schafts­ba­sier­te Befürwortung sehr inten­siv, aggres­siv, koor­di­niert und lang­fri­stig sein kann, und dass sie ent­lang bei­der oben beschrie­be­nen Achsen exi­stiert. Mit ande­ren Worten: Wir haben einen bemer­kens­wer­ten Fall eines poli­ti­sier­ten Lobby-Netzwerks iden­ti­fi­ziert und eine Reihe von pola­ri­sie­ren­den Kräften inner­halb der wis­sen­schaft­li­chen Gemeinschaft kar­tiert, die aktu­el­le Formen der Polarisierung in der Gesellschaft wider­spie­geln könn­ten. Diese Ergebnisse wer­fen eine brei­te­re Debatte über die Ethik auf zwei Ebenen auf: 1) die Ethik der Zero-Covid-Politik selbst (z. B. ihre Folgen für Gruppen mit gerin­ge­rem Risiko, wie Kinder), eine Frage, die wir den Befürwortern der Zero-Covid-Politik ger­ne stel­len möch­ten; und 2) auf einer höhe­ren Ebene wer­fen unse­re Ergebnisse kom­ple­xe Fragen dar­über auf, wie die wis­sen­schaft­li­che Interessenvertretungethisch zu betrei­ben ist, ein­schließ­lich unse­rer Interaktionen mit wis­sen­schaft­li­chen Kollegen und der Verwendung der ver­füg­ba­ren Beweise.

Obwohl es wich­tig ist, sich den Herausforderungen zu stel­len, die sich aus der mas­sen­haf­ten Verbreitung von Fehlinformationen erge­ben, ist die Zensur von feh­ler­haf­ten Informationen und Befürwortung eine kom­pli­zier­te und poten­zi­ell schäd­li­che Reaktion (Niemiec 2020; Shadmehr and Bernhardt 2015). Im Bereich der sozia­len Medien wer­den eini­ge Befürworter jedoch selbst zu Instrumenten der Zensur, indem sie Kollegen von der öffent­li­chen Debatte fern­hal­ten: In Schweden ver­ließ bei­spiels­wei­se ein Professor des Karolinska-Instituts die Debatte, nach­dem eini­ge der hier unter­such­ten Befürworter online beschimpft wor­den waren (Trysell 2021). Diese Methode der öffent­li­chen Einschüchterung zur Beseitigung von Widerständen ver­stößt gegen weit ver­brei­te­te wis­sen­schaft­li­che Grundsätze und kann das Bild der Öffentlichkeit von Wissenschaftlern, Institutionen und dem Stand der Erkenntnisse zu wich­ti­gen Themen ver­zer­ren. Neben dem direk­ten per­sön­li­chen Schaden besteht bei pro­ble­ma­ti­schen Lobbying-Taktiken die Gefahr, dass die wis­sen­schaft­li­che Gemeinschaft pola­ri­siert wird und Echokammern und „Todesspiralen“ ent­ste­hen, die letzt­lich sowohl der Demokratie als auch der Wissenschaft scha­den, nicht unähn­lich den pro­ble­ma­tisch­sten Aspekten des poli­ti­schen Populismus (Schippers et al. 2023)…

Unsere Arbeit unter­streicht die Bedeutung einer sozi­al ver­ant­wort­li­chen, evi­denz­ba­sier­ten Medizin für die poli­ti­sche Interessenvertretung (Ker- ridge 2010; Mercuri and Upshur 2022; Baron 2018). Lockdowns und Schulschließungen sind letzt­lich poli­ti­sche Entscheidungen, die die Wissenschaft zwar beein­flus­sen, aber nicht ent­schei­den kann, trotz der „Gewissheiten“, die von star­ken Glaubenssystemen getra­gen wer­den. Die öffent­li­che Gesundheitsdebatte muss weni­ger pola­ri­sie­rend sein (Cooper et al. 2023; Korczak et al. 2022). Daher ist unab­hän­gi­ger Aktivismus als Gegengewicht zu den offi­zi­el­len Stellen in einer Demokratie zwar wün­schens­wert, doch dür­fen die Kontrollmechanismen nicht auf­ge­ge­ben wer­den, auch (oder gera­de) in Krisenzeiten.

Auf der Grundlage unse­rer Analyse schla­gen wir Leitlinien vor, um sicher­zu­stel­len, dass: (1) Interessenkonflikte, ein­schließ­lich der Assoziierung mit Interessengruppen (Mitgliedschaft und Unterschriften, nicht aber Aktivitäten in den sozia­len Medien, was sehr zudring­lich [intru­si­ve] wäre), in Zeitschriften sowie in gedruck­ten und digi­ta­len Medien trans­pa­rent sind; (2) Zeitschriften die Unterstützung von Interessenvertretungen und Lobbyismus begren­zen, da die­se Unterstützung den fal­schen Eindruck von Sicherheit erwecken kann; (3) Wissenschaftler vor Zensur oder Missbrauch geschützt und unter­stützt wer­den, unab­hän­gig von ihren Ansichten; und (4) neue Richtlinien im Bereich der Metawissenschaft ent­wickelt werden,um die Kommunikation von Wissenschaftlern mit der Öffentlichkeit zu ana­ly­sie­ren und zu unterstützen…

4.6 Beschränkungen

Die wich­tig­ste Einschränkung die­ser Arbeit besteht dar­in, dass kei­ne Studie die­ser Art – weder qua­li­ta­tiv noch quan­ti­ta­tiv – Auswahlverzerrungen ver­mei­den kann… Unsere Analyse der Themen ist zwar syste­ma­tisch ange­legt, kann aber den­noch sub­jek­ti­ve Interpretationen wider­spie­geln und unvoll­stän­dig sein, ähn­lich wie Kommentare in einer nar­ra­ti­ven Übersichtsarbeit. Wir haben gro­ßen Respekt vor der Überzeugungsarbeit und den invol­vier­ten Akteuren und wei­sen dar­auf hin, dass eini­ge der Autoren unse­res Papiers eben­falls in der Öffentlichkeitsarbeit tätig sind. Daher lehnt die­ses Papier wis­sen­schafts­ba­sier­te Interessenvertretung nicht ab, son­dern regt zur Diskussion dar­über an, wie sie am besten durch­ge­führt wer­den kann, um Wissenschaft und Demokratie am besten zu dienen…

Es gibt vie­le ande­re Zero-Covid-Gruppen, die hät­ten unter­sucht wer­den kön­nen, und die Studie sagt nichts über ihre Methoden und Ansichten aus, son­dern lädt zu wei­te­ren Untersuchungen ein, um die­sen Teil des Befürwortungsspektrums und damit die wis­sen­schafts­ba­sier­te Befürwortung im Allgemeinen bes­ser zu verstehen.

5 Schlussfolgerungen

Die Beteiligung von Wissenschaftlern an der Interessenvertretung [advo­ca­cy] ist für Demokratien wich­tig, kann aber auch nega­ti­ve Auswirkungen haben. Unsere Studie bie­tet einen neu­en Einblick in eine weit ver­brei­te­te Form der „wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten“ Interessenvertretung, die wäh­rend der COVID-19-Pandemie sehr sicht­bar und wir­kungs­voll war. Diese Art der Befürwortung bedien­te sich hoch­ris­kan­ter Bilder, kriegs­ähn­li­cher Rhetorik und affek­ti­ver Kritik an Kollegen, die ande­re Ansichten und Autoritäten ver­tra­ten. Sie stütz­te sich in hohem Maße auf Anekdoten, die auf Werten und Emotionen beruh­ten, und nicht auf syste­ma­ti­schen Beweisen, um die Notwendigkeit von Massenverhaltensmaßnahmen zu unter­mau­ern, die z. B. auf Schulen und Kinder aus­ge­rich­tet waren. Die Ansichten leg­ten im Allgemeinen weni­ger Wert auf Impfstoffe und viel mehr auf Tests, (Infektions-)Kontrolle und Hilfsmittel wie Masken und Luftreiniger.

Das wich­tig­ste Ergebnis unse­rer Analyse ist, dass die Polarisierung in den sozia­len Medien auch auf die Wissenschaftler selbst gro­ße Auswirkungen hat, d. h., die Wissenschaft selbst wird zum Opfer der Polarisierungskräfte in der Gesellschaft ins­ge­samt. Unsere Ergebnisse wer­fen Fragen dazu auf, wie man Wissenschaft am besten kom­mu­ni­ziert, Beweise bewer­tet, Kommentare außer­halb des eige­nen Fachgebiets abgibt, Interessenkonflikte erklärt und sich viel­leicht ins­be­son­de­re mit den Ansichten ande­rer Wissenschaftler aus­ein­an­der­setzt. Wir schla­gen vor, dass die wis­sen­schafts­ba­sier­te Interessenvertretung kla­re­re Richtlinien für das öffent­li­che Engagement und die Verbreitung der Wissenschaft benö­tigt. Um dies zu errei­chen, müs­sen Forscher und Praktiker in den Gesundheitswissenschaften und den grö­ße­ren Bereichen der Wissenschaft, Technologie, Technik und Mathematik (MINT) mit den umfang­rei­chen Forschungsarbeiten in den Geistes- und Sozialwissenschaften ver­traut sein, die die oft nicht aner­kann­ten poli­ti­schen und mora­li­schen Implikationen der Wissenschaftsverbreitung darstellen…

Abschließend beto­nen wir, dass die­se Studie nicht als per­sön­li­che Kritik an den Befürwortern oder an Einzelpersonen oder Gruppen, auf die in die­sem Papier direkt oder indi­rekt Bezug genom­men wird, miss­ver­stan­den wer­den soll­te. Vielmehr soll­te sie als eine Fallstudie über wis­sen­schaft­li­che Befürwortung und Polarisierung in der wis­sen­schaft­li­chen Gemeinschaft gele­sen und inter­pre­tiert wer­den, ein abschrecken­des Beispiel, aus dem wir Lehren für die Zukunft zie­hen möch­ten. Obwohl es bedau­er­li­cher­wei­se nicht mög­lich ist, dies voll­stän­dig zu tun, ohne offen und spe­zi­fisch [can­did and spe­ci­fic] zu sein, glau­ben wir, dass Großzügigkeit und Großherzigkeit gegen­über allen Individuen ein Eckpfeiler jeder gesun­den wis­sen­schaft­li­chen und poli­ti­schen Debatte ist.

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Die Referenzen und Zusatzmaterialien sind hier ein­seh­bar: https://link.springer.com/article/10.1007/s40592-024–00205‑2.

In der Arbeit wer­den für jeden Unterpunkt sol­che Beispiele gezeigt:

6 Antworten auf „Zero-Covid: "Ein abschreckendes Beispiel, aus dem wir Lehren für die Zukunft ziehen möchten"“

  1. Off-topic aber inter­es­san­tes Interview auf Englisch im Artikel bei France Soir* mit Wouter Aukema, ein Experte für Datenanalyse und Forensik in Holland.

    Zusammen mit ame­ri­ka­ni­schen Wissenschaftlern und Forschern hat er sich inten­siv mit den Ungereimtheiten bei der Analyse von Datensätzen zu Impfdaten aus euro­päi­schen Datenbanken beschäftigt. 

    In dem Interview mit France Soir prä­sen­tiert er die Inkonsistenzen der Impfdaten für die Niederlande, aber auch für Frankreich und Deutschland.

    Ab Minute 21.35 zeigt er die Impfdaten aus der ECDC Datenbank (European Centre for Disease Prevention and Control) betref­fend Deutschland:
    Stand Oktober 2022: 65.000.000 ver­ab­reich­te Dosen
    Letzter Download 2023: 4.500.000 Dosen weniger.

    Seine Analyse stimmt mit der von Pierre Chaillot in Frankreich und Norman Fenton im Vereinigten Königreich über­ein – es gibt ech­te Probleme mit der Kohärenz der Impfdaten in den ein­zel­nen Ländern, die eine Analyse auf euro­päi­scher Ebene frag­wür­dig erschei­nen lassen.
    *https://​www​.fran​ce​soir​.fr/​v​i​d​e​o​s​-​l​e​s​-​d​e​b​r​i​e​f​i​n​g​s​/​o​b​s​t​r​u​c​t​i​o​n​-​e​t​-​d​i​s​s​i​m​u​l​a​t​i​o​n​-​d​a​n​s​-​l​e​-​r​e​g​i​s​t​r​e​-​n​e​e​r​l​a​n​d​a​i​s​-​d​e​-​v​a​c​c​i​n​a​t​ion

  2. Wenn nun die Impfkampagne inklu­si­ve ihrer Propagandisten in den soz. Medien eben­so unter die Lupe genom­men wür­den und auch die Long-Covid oder "Still covi­ding" hash­tags, viel­leicht könn­te man dann zum Schluß kom­men, daß die­se Plattformen ein 1a Herrschaftsinstrument sind und abge­schal­tet gehören.

  3. Nutzen Sie die­ses groß­zü­gi­ge und groß­her­zi­ge Angebot Ihrer Krankenkasse auch im Sinne einer blei­ben­den Datensouverenität Ihrer Nachkommen:

    "Die ePA für alle ist im Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) gere­gelt. Dort ist auch fest­ge­legt, dass Versicherte der Anlage einer ePA wider­spre­chen kön­nen. Dieser Widerspruch ist jeder­zeit und ohne Angabe von Gründen mög­lich. Auch nach dem Anlegen der ePA ist ein Widerspruch noch mög­lich. Kinder ab 15 Jahren müs­sen selbst widersprechen.

    Laut DigiG sol­len Patienten, die der ePA wider­spre­chen, nicht benach­tei­ligt wer­den. Außerdem soll der Widerspruch nicht nur für die gesam­te ePA, son­dern über die Nutzeroberfläche der elek­tro­ni­schen Patientenakte auch für ein­zel­ne Dokumente mög­lich sein."

    https://​www​.hei​se​.de/​r​a​t​g​e​b​e​r​/​W​i​d​e​r​s​p​r​u​c​h​-​b​e​i​-​d​e​r​-​e​P​A​-​f​u​e​r​-​a​l​l​e​-​W​a​s​-​b​i​s​h​e​r​-​b​e​k​a​n​n​t​-​i​s​t​-​9​7​1​0​2​1​2​.​h​tml

  4. Passend zum Thema Fehlinformationen und Terror heul­ten heu­te (Donnerstag) um 11 Uhr mal wie­der die Sirenen.

    Die Russen kommen!

    PS: Puh, zum Glück wer­den nicht Naturwissenschaftler auf­ge­for­dert, sich "mit den umfang­rei­chen Forschungsarbeiten in den Geistes- und Sozialwissenschaften ver­traut" zu machen und dem Politbüro zu fol­gen. Sonst müss­te ich jetzt kotzen.

  5. Corona-Pandemie und wis­sen­schaft­lich fun­diert. Echtn Witz. Ich wür­de das eher als eine real exi­stie­ren­de Verschwörung gegen die gan­ze Menschheit bezeichnen.

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