Eher abwehrende Kommentare gab es zu diesem Beitrag unter obigem Titel auf corodok.de vom 7.8.20:
Sie waren nicht in so großer Zahl auf der Demonstration vom 1.8. vertreten wie die TrägerInnen von Schwarz-Rot-Gold und bei weitem nicht in dem von den meisten Medien behaupteten Umfang. Dennoch ist die Frage berechtigt:
Ist der sorglose Umgang zehntausender Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen wollen, mit offen Rechtsradikalen, deren Ziel die Abschaffung des demokratischen "Systems" ist, angemessen?
Geht es dabei um Meinungsäußerungen, die im politischen Spektrum zulässig sein müssen und doch auch für eine gute Sache werben?
Was hat es auf sich mit diesen Farben, und wer bekennt sich heute dazu?
Wikipedia schreibt:
»Bereits am 12. März 1933 erließ Reichspräsident Paul von Hindenburg einen "Erlaß über die vorläufige Regelung der Flaggenhissung". Darin hieß es:
"Am heutigen Tage, an dem in ganz Deutschland die alten schwarz-weiß-roten Fahnen zu Ehren unserer Gefallenen auf Halbmast wehen, bestimme ich, daß vom morgigen Tage bis zur endgültigen Regelung der Reichsfarben die schwarz-weiß-rote Fahne und die Hakenkreuzflagge gemeinsam zu hissen sind."…
Das Reichsflaggengesetz vom 15. September 1935 besagte:
"Die Reichsfarben sind Schwarz-Weiß-Rot."
Reichsflaggengesetz, Artikel 1
"Reichs- und Nationalflagge ist die Hakenkreuzflagge. Sie ist zugleich Handelsflagge."
Reichsflaggengesetz, Artikel 2«
Das Zeigen der Flagge gilt heute als nicht verboten. Es läßt aber Rückschlüsse auf die Tradition zu, auf die sich ihre TrägerInnen berufen. Dazu wird auch das Lied "Stolz weht die Flagge Schwarz-Weiß-Rot" gehören, in dem es heißt:
»Stolz weht die Flagge Schwarz-Weiß-Rot
von uns´rer Schiffe Mast
Dem Feinde Tod, der sie bedroht
Der diese Farben haßt
Sie flattert an der Heimat Strand
im Winde hin und her
und weit vom deutschen Vaterland
auf sturmbewegten Meer
Ihr woll´n wir treu ergeben sein
getreu bis in den Tod
Ihr woll´n wir unser Leben weih´n
der Flagge Schwarz-Weiß-Rot
Hurra!…
In Afrika, in Kamerun
der wilde Feind sich zeigt
der deutsche Seemann mutig ficht
Er weichet nicht so leicht
Der "Bismark" und die "Olga" auch
sie hielten tapfer Stand
wo deutsches Blut vergossen ist
im fernen wilden Land.
Starb auch so mancher Kampfgenoss´
den echten Heldentod
Hoch wehet doch in Afrika
die Flagge Schwarz-Weiß-Rot
Hurra!«
"Der Baum der Demokratie muß ab und zu mal mit dem Blut der aufrechten Patrioten gewässert werden"
Nun kann man richtigerweise sagen: Eine Handvoll dieser Wirrköpfe bestimmt nicht den Charakter einer Demonstration. Doch wie steht es mit dem Autoren des meist gesehenen Videos von der Demonstration? Es stammt von einem Rosenheimer AfD-Funktionär, der in offensichtlicher Kooperation mit der Kundgebungsleitung von der Bühne aus agierte und solche Sprüche abließ:
»Wir müssen einfach da durch. Wir müssen durch dieses Tal der Tränen durch. Wir schauen auch ganz todesmutig muß ich sagen in dieses Tal der Tränen hinein, weil: Thomas Jefferson hat es gesagt: Der Baum der Demokratie muß ab und zu mal mit dem Blut der aufrechten Patrioten gewässert werden. Und das ist jetzt die Zeit. Auf geht's, Kameraden. Bringt uns um!«
Das sagte er zu dem Zeitpunkt, als sich ein Greiftrupp der Polizei zu einem provokatorischen Einsatz bereit machte. Der Wortlaut ist hier zu finden. Die Problematisierung hier.
Nur ein paar Spinner?
Vielleicht sehen wir hier nur ein paar Spinner. Aber sie haben Rückendeckung in staatlichen Organen. Das macht sie gefährlich. Auf spiegel.de ist heute unter dem Titel "Die dunkle Seite der Staatsmacht" zu lesen:
»Immer neue rechtsextreme Vorfälle bei der Bundeswehr werden bekannt, vor allem in ihrer geheimen Elitetruppe, dem Kommando Spezialkräfte, kurz KSK. Und in Frankfurt am Main rätselt man seit zwei Jahren, welche Beamtin oder welcher Beamte sensible Adressen aus dem Polizeicomputer weitergab, an die dann übelste Drohschreiben gerichtet wurden, unterschrieben mit "NSU 2.0", in Anlehnung an den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und seine rassistischen Morde.
Mindestens 400 Verdachtsfälle von rechtsextremen, rassistischen oder antisemitischen Umtrieben unter Polizisten und Polizeianwärtern zählten die Bundesländer und der Bund in den vergangenen Jahren, wie eine Umfrage des SPIEGEL ergab…
Zu häufig tauchten in den vergangenen Monaten verstörende Meldungen aus dem bundesdeutschen Sicherheitsapparat auf, zu sehr wächst die Sorge, dass es sich bei den bekannt gewordenen Fällen nur um die Spitze des Eisbergs handeln könnte…
Zu deutlich dringt die böse Ahnung ins Bewusstsein, es könnten Beamte unter jenen sein, die sich mit Gleichgesinnten im Netz so hochschaukeln, dass daraus Hass und schlimmstenfalls blutige Taten werden – von denen, die am besten wissen, wie man eine Waffe bedient…
In Brandenburg posierten neun Polizisten für ein Mannschaftsfoto vor einer Wand, die mit einem Schriftzug der lokalen rechtsradikalen Szene besprüht war. Im niedersächsischen Jever entdeckte der Dienststellenleiter im März an einer Pinnwand ein "Ehrenabzeichen der Hitlerjugend" mit einem Hakenkreuz darin, drei mal zwei Zentimeter groß. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, da das Hakenkreuz nicht öffentlich gezeigt wurde. Das Disziplinarverfahren läuft noch.«
Es folgen zahlreiche weitere Beispiele.
Verlogene Bekenntnisse aus der Politik
SprecherInnen von Linkspartei bis CSU überschlugen sich in den letzten Tagen mit Bekenntnissen zu ihrem Antifaschismus. Wie unglaubwürdig das ist, zeigt beispielsweise dieses Foto:
Wir sehen hier die Hardcore-Fraktion der Neonazis beim Rudolf-Heß-Gedenkmarsch 2018 in Berlin. Damals hatte der rot-rot-grüne Senat hunderte PolizistInnen eingesetzt, um sie vor DemonstrantInnen zu schützen. 2017 hielt man aus gleichem Anlaß Hundestaffeln und zahlreiche Festnahmen für erforderlich.
"Alles muß man selber machen" gilt sowohl für Antifaschismus wie für den Schutz demokratischer Rechte allgemein