Einerseits muß man Maximilian Krah dankbar sein für seine entlarvenden Äußerungen zur SS. Andererseits wirkt die mediale Empörung darüber recht künstlich. Der AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl knüpft an überwunden geglaubte Wertungen aus der Zeit des Kalten Krieges an, die angesichts von dessen Reaktivierung wieder hoffähig werden. Es ist zu fürchten, daß auch hier das Kalkül aufgeht, wonach die AfD Grenzen zum Ultrareaktionären überschreitet, es ein wenig Moralisierung gibt und dann die Positionen von etablierten Parteien übernommen werden.
Am 24.3.1964 war im "Spiegel", damals fest in der Hand alter Nazis, über den Bundeskanzler und CDU-Vorsitzenden Adenauer zu lesen:
"Adenauer 1953 vor CDU-Freunden in Hannover: »Die Männer der Waffen ‑SS waren Soldaten wie alle anderen auch … machen Sie einmal dem Ausland klar, daß die Waffen-SS nichts mit Sicherheitsdienst und Gestapo zu tun hat! Machen Sie einmal den Leuten deutlich, daß die Waffen-SS keine Juden erschossen hat, sondern als hervorragende Soldaten von den Sowjets am meisten gefürchtet war.«
Ähnlich hatte sich auch der ehemalige Verteidigungsminister Strauß geäußert, der nun für Cramer zeugen soll. Als Antwort auf eine Umfrage unter prominenten Politikern schrieb Strauß am 21. März 1957 an die »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit« (Hiag), eine Organisation ehemaliger Waffen-SS-Angehöriger: »Wie ich persönlich über die Leistungen der an der Front eingesetzten Verbände der Waffen-SS denke, wird Ihnen bekannt sein. Sie sind selbstverständlich in meine Hochachtung vor dem deutschen Soldaten des letzten Weltkrieges eingeschlossen…«"
Auf dem geschichtswissenschaftlichen Portal hsozkult.de wird ergänzt:
»Bundeskanzler Konrad Adenauer gab am 3. Dezember 1952 im Deutschen Bundestag eine „Ehrenerklärung“ für alle „Waffenträger unseres Volkes“ ab und erklärte in einem Brief an den ehemaligen SS-General Paul Hausser, dass dies auch für Angehörige der Waffen-SS gelte, „soweit sie ausschließlich als Soldaten ehrenvoll für Deutschland gekämpft“ hätten (Eichmüller, S. 35). Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Hannover am 30. August 1953 prägte Adenauer dann die von den HIAG-Lobbyisten begierig aufgegriffene Losung, dass die Angehörigen der Waffen-SS „Soldaten wie andere auch“ gewesen seien…«
Diese Buchrezension unter dem Titel "'Die Ehemaligen' – die SS in der Bundesrepublik" von Hans-Christian Jasch, bis 2020 Leiter der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, ist ohnehin lesenswert.
"Der Orden unter dem Totenkopf"
So überschrieb der "Spiegel" am 5.3.1967 einen sich stellenweise nachdenklich gebenden Artikel, der insgesamt jedoch eine Lobeshymne auf die für ihn meist anständigen SS-Männer darstellte. Dort heißt es, nicht ganz deckungsgleich mit dem Text von 1964:
"Die Bonner Bundesprominenz raffte sich auf, die Entlassung verurteilter SS-Männer mit anerkennenden Reden zu begleiten. Selbst SPD-Chef Kurt Schumacher wollte wissen: »Die Waffen-SS ist als eine Art vierter Wehrmachtteil geführt worden und als Massenformation … für Kriegszwecke geschaffen worden.«
»Ich weiß schon längst, daß die Soldaten der Waffen-SS anständige Leute waren«, rief Konrad Adenauer mit sicherem Blick auf das Reservoir der alten Soldaten. »Aber, solange wir nicht die Souveränität besitzen, geben die Sieger in dieser Frage allein den Ausschlag, so daß wir keine Handhabe besitzen, eine Rehabilitierung zu verlangen. Machen Sie einmal dem Ausland … deutlich, daß die Waffen-SS keine Juden erschossen hat, sondern als hervorragende Soldaten von den Sowjets gefürchtet war!«…
Die meisten der Ehemaligen dankten der Demokratie die Befreiung von der Kollektivschuld durch Loyalität und Eifer. Bald gab es keinen Bereich· des Staates oder der Wirtschaft, in dem nicht SS-Männer mitarbeiteten…
Der Höhere SS- und Polizeiführer a. D. Otto Winkelmann brachte es zum Kieler Ratsherrn der Christlich-Demokratischen Union, der SS-Gruppenführer und Polizeigeneral Heinz Reinefarth ließ sich zum Bürgermeister von Westerland und zum schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten des BHE küren, SS-Oberführer Kohnert schwang sich zum Bundessprecher der Landsmannschaft Westpreußen auf…
Wen konnte es da verwundern, daß die einstigen Führer der Waffen-SS die Stunde der Wiederbewaffnung und der Neubelebung alter Soldatenvereine nutzten, um auch ihre Truppe vor der Öffentlichkeit zu rehabilitieren. 1951 gründeten die SS-Generale Paul Hausser, Felix Steiner und Herbert Gille eine Vereinigung, die in kurzer Zeit zu der maßgeblichen Interessenvertretung ehemaliger Waffen-SS-Männer wurde: die »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS«, kurz Hiag genannt…
Ihre Juristen konnten Bonns Gesetzgeber dazu bewegen, die Ausnahmebestimmungen zu revidieren. Schon das Bundesversorgungsgesetz von 1950 hatte allen Kriegsopfern, also auch denen aus den Reihen der Waffen-SS, die gleiche Versorgung zuerkannt, kurz darauf legte der Bundestag fest, die Waffen-SS habe nicht der Partei zugehört, sondern einen öffentlichen Dienst verrichtet.
Bonn ließ auch die SS-Berufssoldaten in den Genuß einer Sonderklausel des Bundesversorgungsgesetzes kommen wonach Angehörige des öffentlichen Dienstes, denen nach dem Gesetz keine Alters- und Hinterbliebenenversorgung zusteht, für ihre berufsmäßige Dienstzeit Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen können und als nachversichert gelten…
Der Not vieler SS-Soldaten nahm sich die Hiag mit einer Solidaritätsaktion an, in der sich der alte Korpsgeist der ehemaligen Waffen-SS wieder bewährte. Die Hiag gründete das »Sozialwerk Paul Hausser e. V.«, das die Lage der alten SS-Grenadiere linderte und manchem Veteranen wieder Mut machte…"
Den ins Exil Gezwungenen und den Überlebenden der KZs, geschweige denn den ZwangsarbeiterInnen standen derartige Leistungen nicht zu. Die meisten von ihnen galten, anders als die SS-Männer, weiterhin als politisch unzuverlässig. KommunistInnen unter ihnen wurden nicht selten von den gleichen Polizisten verfolgt und Richtern verurteilt, die zwischen 1933 und 1945 in Amt und Würden waren.
In Zeiten, in denen deutschen Panzer auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion rollen, kann ein Rückbezug auf die Waffen-SS nicht verwundern. Noch sind es die rechtsradikalen Publikationen, die ihn vornehmen. Das Auftreten der Pistorius, Baerbock, Hofreiter und Strack-Zimmermann läßt erwarten, daß auch diese rote Linie von ihnen überschritten werden wird.
Im letzten Europawahlkampf warb die Düsseldorfer CDU so:
Bei der AfD heißt es heute "Freiheit statt Brüssel" und, im Gleichschritt mit allen im Bundestag vertreten Parteien mit Ausnahme der Linken: "Festung Europa".
"Aus Liebe zu Deutschland" der CDU war etwas völlig anderes als Höckes "Alles für Deutschland". Und selbstverständlich ist auch diese Parole nicht verboten:
Ganz auf Horror, auf eine andere Art und vermutlich ohne Absicht, setzt eine Volkspartei. Sie wird wohl so erfolgreich enden wie die letzten "Impfkampagnen":
Man könnte auch titeln "SO SEHEN VERLIERER AUS". Aber Hauptsache laut.
Das hat noch nicht so einen langen Bart wie die Adenauer-Sprüche und ging ganz ohne "Deutschland":
(Hervorhebungen in blau nicht in den Originalen.)
Worum es eigentlich geht. Den Kommentar zu findet ist schon etwas aufwendig.
Nach br.de
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/auftrittsverbot-und-afd-vorstands-aus-fall-krah-und-die-folgen,UDVWf4N
J. Ruppert, BR24 im Radio am 22.05.2024 um 15:00 Uhr.
Zitat: "Krah über SS: "Nicht alle waren kriminell"
Was war passiert? Auslöser der Entscheidung am Mittwoch war ein Interview Krahs mit der italienischen Tageszeitung "La Repubblica". Darin sagte Krah: "Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war." Die Zeitung fragte Krah, ob SS-Soldaten Kriegsverbrecher gewesen seien – der AfD-Politiker antwortete. "Es gab sicherlich einen hohen Prozentsatz an Kriminellen, aber nicht alle waren kriminell." "
Die "Waffen-SS" war eine militärische Unterorganisation der "SS". Wir reden also über zwei (!) Organisationen. Das ist innerhalb der Bundesrepublik recht bekannt. Uniformen standen Allen (!) SS-Mitgliedern zu. Diese war, wie sicher Alle wissen eine Unterorganisation der NSDAP. Nicht zu verwechseln mit der "Sturmabteilung" (SA) Es lohnt sich m.E. sehr, sich mit der Geschichte der NSDAP etwas eingehender auseinander zu setzen. Dann versteht man auch die Politik in der BRD besser.
Warum denn "Spiegel", oder gar ZDF, wo man sich des Stoffes ja auch "angenommen" hat? – Lest das Buch (s.Unten) doch einfach selbst, und bildet Euch Eure eigene Meinung. Alles Andere ist wirklich nur drittklassiger Journalismus. Meiner Meinung nach stark Interessensbeeinflusst! Auch das beantwortet das Buch. – das ZDF wohl eher weniger.
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/TL64XJVNMPVZLMDNZNJQRQSDAXG4JX3E
Kann bitte Einer was dazu beitragen, wann genau das Buch zum ersten Mal erschienen ist? Das habe ich bis jetzt nicht finden können. Na sowas!?!
Aber was den Krah ritt, bleibt am Ende doch wohl die interessantere Frage. Oder hat man ihn etwa "kalt erwischt"? Das frage ich mich eigentlich nur, weil "Pseudoantifaschisten" am allerliebsten "Eigentore" schiessen. Damit stelle ich die Frage nach der Frage .…. Uihuihuih
Aber zur Darstellung:
Natürlich ist es wichtig, das Verhalten Adenauers aufzuzeigen – gerade für Jüngeren! Auch dass es sehr typisch war was er sagte. Man beachte den Kontext der Zeit. Das verstehen sie nicht, unsere Generationen der Jüngeren.
Man kann natürlich weiter über die "Waffen-SS" reden. Nur zu! Will man damit, was in der BRD nützlich und bequem, nun auf die EU übertragen? Was sagten die "Mitglieder der Waffen-SS" wohl – "Die kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen" ? [Fragezeichen!] Und was passiert (oder erwartet man) dann? [nochmals Fragezeichen]
Zum Teil über die Dinge zu reden, kann nur zum Teil Richtig sein. Was soll das?
II, nachgereicht:
Das Erscheinungsjahr müsste, worauf folgender Link (hoffentlich noch längere Zeit) hindeutet, 1967 gewesen sein! Das bedeutet dass Höhne nach der Spiegel-Serie veröffentlichte. Vermutlich sah er ein, dass das so nichts bringt?!? 😉
https://academic.oup.com/ahr/article-abstract/74/5/1656/162319
[scheint ja nahezu ein wichtiges Geheimnis zu sein .… – Wer bietet Frühere?]
SPIEGEL 1964 "fest in der Hand alter Nazis"? Steile These.
Mir neu – es sei denn, man setzt die alte-Nazi-Latte so-in-etwa auf Augstein oder Ahlers-Höhe https://de.wikipedia.org/wiki/Conrad_Ahlers (Kriegsbeteiligung bei Wehrmacht genügt)
und/oder verlangt einen Emigranten‑, Opfer- oder möglichst aktiven Widerstandsnachweis … .
Aber ich lasse mich gerne belehren – einen Anfang machte soeben schon mal ChatGPT:
"Ja, es gibt Belege dafür, dass im Nachrichtenmagazin "DER SPIEGEL" in den 1960er Jahren ehemalige Mitglieder der NSDAP arbeiteten, einige davon sogar in führenden Positionen. Zwei prominente Beispiele sind:
Hans Buchheim: Er arbeitete als Wissenschaftsredakteur bei "DER SPIEGEL". Vor seiner Tätigkeit dort war er während der NS-Zeit Mitglied der SS und hatte eine Karriere im Reichssicherheitshauptamt. Nach dem Krieg wurde er in die Redaktion des "SPIEGEL" geholt, wo er seine Expertise in den Bereichen Militär und Geheimdienste einbrachte.
Paul Carell (eigentlich Paul Karl Schmidt): Er war während des Zweiten Weltkriegs ein hoher Propagandaoffizier im Auswärtigen Amt und später Chef der Pressestelle unter dem Außenminister Joachim von Ribbentrop. Nach dem Krieg wurde er ein erfolgreicher Autor und Journalist, der unter anderem auch für "DER SPIEGEL" schrieb.
Diese Beispiele zeigen, dass "DER SPIEGEL" in den 1960er Jahren Personen beschäftigte, die in der NS-Zeit bedeutende Positionen innehatten. Es gibt verschiedene Gründe für die Anstellung dieser Personen, darunter möglicherweise ihre Fachkenntnisse und Kontakte, die in der Nachkriegszeit als wertvoll angesehen wurden.
Die Anwesenheit solcher Personen in der Redaktion des "SPIEGEL" war in der Öffentlichkeit und innerhalb des Magazins durchaus umstritten. Es gab Kritik und Diskussionen darüber, inwieweit ehemalige Nazis in der deutschen Medienlandschaft tätig sein sollten.
Insgesamt reflektiert dies einen größeren Trend in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, wo viele ehemalige NSDAP-Mitglieder in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft wieder beruflich integriert wurden, was Teil der sogenannten "Vergangenheitsbewältigung" (Bewältigung der Vergangenheit) war."
Bliebe also noch das "fest in der Hand" …
Ließe sich (bis zu deren Aussterben) wahrscheinlich auf die Gesamt-BRD übertragen.
@Kassandro: Gebraucht ab 2,05 € gibt es dazu das aufschlußreiche Buch des ehemaligen Spiegel-Redakteurs Otto Köhler "Rudolf Augstein: Ein Leben Fur Deutschland" (https://www.abebooks.de/products/isbn/9783426272534). Eine Rezension des Buchs aus dem Jahr 2002 gib es bei der Friedrich-Ebert-Stiftung: https://library.fes.de/fulltext/afs/htmrez/80406.htm.
Das hier kenne ich nicht, auch von Köhler: "Unheimliche Publizisten: Die verdrängte Vergangenheit der Medienmacher (Knaur Taschenbücher. Politik und Zeitgeschichte)", https://www.amazon.de/Unheimliche-Publizisten-Vergangenheit-Taschenb%C3%BCcher-Zeitgeschichte/dp/3426800713
@aa: Danke!
"Entlarvend"?
Zumindest hier https://www.youtube.com/watch?v=BuMZzfDUOf8 keine Larve gesichtet. (es sei denn, dass man seine suboptimale Frisur und die ‑trotz des verdächtig krahzenden Hustens- fehlende Maske bei Tilo Jung als solche wertet).
Krah bewegt sich ‑imho- voll im Rahmen dessen, was bis zum Ende des letzten Jahrtausends in C(D/S)U als "common sense" galt (wenn auch manchmal nur hinter halb vorgehaltener Hand oder nach dem dritten Bier):
Wenn's um (nationale) Selbstbeweihräucherung (und ‑absolution) ging) gab es keine "roten Linien" – sogar Selbstbezichtigungen waren en vogue:
https://www.tagesspiegel.de/kultur/willy-brandt-der-patriot-714163.html
Das nach meiner Erinnerung (vorerst?) letzte Aufbäumen war dann im Anschluss hieran https://de.wikipedia.org/wiki/Wehrmachtsausstellung
Insofern teile ich deine Befürchtung, dass das alles durch diese (Schein-?)Skandalisierung wieder "gesellschaftsfähig" werden könnte.
War es doof oder Kalkül, dass Krah brav über das hingehaltene Stöckchen eines traditionell dem "Tedesco-bashing" verschriebenen Blatts hüpfte (letztes, schönes Beispiel, das ich online finden konnte: https://www.sueddeutsche.de/medien/italien-dante-frankfurter-rundschau-repubblica‑1.5250289 )?
Kommt per Saldo wohl am Ende aufs selbe raus.
"Wir. Dienen. Deutschland."
Hier hat sich ein youtube-Mapper getraut, unverpixelte Tote auf dem Schlachtfeld zu zeigen: Zur Zeit noch abrufbar, ab min 4:07.
Für alle, die gerne "Deutschland. Dienen. Möchten.", und sich fragen, wie das im Ernstfall aussieht. Ob Mutti das gefällt?
Das könnte ernüchternd wirken, wenn es in den Medien so gezeigt würde. Es ist nur eine Vermutung, aber die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht würde unseren Politikern vermutlich große Schwierigkeiten bereiten ihren derzeitigen "Kurs" durchzuziehen. Die Ablehnung an der Teilhabe am Irakkrieg 2003 beruhte zum Teil sogar auf auf der Tatsache. Ein Schelm wer hier Kalkül zu erkennen glaubt?
Wer kam bloss auf die Idee mit der Berufsarmee? Diese Soldaten haben nun einen sehr besonderen "Arbeitsvertrag". Im "Ernstfall" kann der Staat sowieso jeden einziehen. Auch ohne Vorerfahrung!