Referentenentwurf: Buschmann will Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten nicht abschaffen

Unter die­ser Überschrift ist am 2.5.24 auf rsw​.beck​.de zu lesen, was einer­seits ein Skandal ist, ande­rer­seits aber auch am Problem vor­bei geht:

»"Die Be­am­ten der Staats­an­walt­schaft haben den dienst­li­chen An­wei­sun­gen ihres Vor­ge­setz­ten nach­zu­kom­men" – so bis­her der schlich­te Wort­laut des § 146 GVG. Doch wie weit geht das Wei­sungs­recht? Dies soll jetzt ge­setz­lich ge­re­gelt wer­den. Am Don­ners­tag hat das Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um einen Re­fe­ren­ten­ent­wurf vorgelegt.

Weisungen von Justizministern an die Staatsanwaltschaften sol­len künf­tig nur noch schrift­lich, begrün­det und inner­halb enger Grenzen erlaubt sein. So sieht es ein Entwurf von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vor, der am Donnerstag zur Stellungnahme an Länder und Verbände ver­sandt wur­de. Der Entwurf sieht für § 146 GVG zwei neue Absätze vor, die regeln, unter wel­chen Voraussetzungen Weisungen zuläs­sig und wel­che Erfordernisse zur Erhöhung der Transparenz ein­zu­hal­ten sind.

Eine exter­ne oder inter­ne Weisung zur Sachleitung, das heißt hin­sicht­lich der eigent­li­chen Ermittlungshandlungen, ist danach nur zuläs­sig, um rechts­wid­ri­ge Entscheidungen zu ver­hin­dern, soweit in tat­säch­li­cher oder recht­li­cher Hinsicht ein Entscheidungs- oder Beurteilungsspielraum besteht oder wenn die Staatsanwaltschaft bei einer Frage Ermessen hat. Laut Justizministerium gilt das sowohl für das exter­ne (mini­ste­ri­el­le) Weisungsrecht als auch das inter­ne Weisungsrecht inner­halb der Staatsanwaltschaft, das heißt von der Generalstaatsanwaltschaft zur Staatsanwaltschaft.

Außerdem ent­hält der Referentenentwurf eine Transparenz­regelung für das mini­ste­ri­el­le Weisungsrecht: Die Weisungen sol­len zur Dokumentation in Textform erteilt und begrün­det wer­den…«

Ein wei­te­rer Beitrag vom 24.4.24 auf rsw​.beck​.de ver­deut­licht, daß sowohl die Ministerien als auch die Staatsanwaltschaften Bestandteile einer poli­ti­schen Justiz sind. Je nach poli­ti­scher Konjunktur gewin­nen die histo­risch gewach­se­nen reak­tio­nä­ren Kräfte die Überhand oder, eher in Ausnahmefällen, nicht. Es wer­den die­se Beispiele angeführt:

»Ein gewis­ses Unbehagen beglei­tet das Weisungsrecht der Justizministerinnen und ‑mini­ster seit jeher. Erst bei der Kündigung von Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker vor zwei Tagen wur­de in der Öffentlichkeit über mög­li­che zuläs­si­ge Einflussnahmen auf die Strafverfolgung spe­ku­liert. Reformbestrebungen gibt es seit Jahrzehnten, so schon 1976 mit dem Entwurf zur Änderung des Rechts der Staatsanwaltschaft (StAÄG).

Tatsächlich wur­den aber nur weni­ge Fälle bekannt, in denen die Politik nach­weis­bar auf lau­fen­de Ermittlungen Einfluss nahm. Der Streit zwi­schen dem dama­li­gen Generalbundesanwalt Harald Range mit dem Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) über eine Einflussnahme auf die Ermittlungen gegen die Plattform netz​po​li​tik​.org war dafür umso spek­ta­ku­lä­rer – und führ­te 2015 zur Entlassung des ober­sten Strafverfolgers…«

Einen drit­ten Fall stell­ten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Gera gegen das "Zentrum für poli­ti­sche Schönheit" im Jahr 2019 dar:

»Nachdem die Aktionskünstlerinnen und ‑künst­ler in Sichtweite des Wohnhauses von AfD-Politiker Björn Höcke in Thüringen fal­sche Stelen eines nach­ge­bau­ten Holocaustdenkmals auf­ge­baut hat­ten ("Denkmal der Schande"), bejah­te die ört­lich zustän­di­ge Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht der Bildung einer kri­mi­nel­len Vereinigung. Die Ermittlungen ent­wickel­ten sich zu einem Politikum, dem zustän­di­gen Staatsanwalt wur­de eine Nähe zur AfD nach­ge­sagt. Erst ein Eingreifen des Ministeriums been­de­te die Ermittlungender Staatsanwalt wur­de vom Verfahren abge­zo­gen.«

Das erste Beispiel liest sich wie aus dem Lehrbuch der Klassenjustiz. Die bei­den ande­ren bezeu­gen den Verfolgungswillen von Staatsanwälten bei "lin­ken" Vorgängen. Über den zwei­ten Fall ist mit Datum 4.8.15 auf deutsch​land​funk​.de zu lesen:

»… [Generalbundesanwalt] Range hat­te das Verfahren nach einer Anzeige von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen ein­ge­lei­tet. Er ermit­telt gegen zwei Journalisten des Blogs "Netzpolitik​.org" wegen des Verdachts des Landesverrats. „Netzpolitik​.org“ hat­te Unterlagen des deut­schen Inlandsgeheimdienstes zum Ausbau der Internet-Überwachung veröffentlicht.«

Ein Beitrag vom 14.12.20 auf ver​fas​sungs​blog​.de ver­weist auf ein wei­te­res Element einer ver­meint­lich unab­hän­gi­gen Justiz. Dort heißt es:

»Zurechtweisung aus Luxemburg

Die euro­päi­schen Richter bemän­gel­ten das Weisungsrecht der Justizminister in Einzelfällen. Aufgrund die­ses Weisungsrechts, so der EuGH in sei­ner Entscheidung, sei­en deut­sche Staatsanwälte nicht unab­hän­gig genug, um einen Europäischen Haftbefehl anord­nen zu dür­fen. Ein Europäischer Haftbefehl beein­träch­tigt die Freiheitsrechte des Einzelnen tat­säch­lich in einem noch stär­ke­ren Maß als ein natio­na­ler Haftbefehl: Er wird in einem Land voll­streckt, das nicht die Ermittlungen betreibt, was in den mei­sten Fällen zur Vollstreckung einer Auslieferungshaft führt, wobei die Frage mög­li­cher Verschonung von der Haft nahe­zu unmög­lich ist…

Unabhängig ist nur der Richter

Wer die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft for­dert, ver­kennt jedoch, dass sie Teil der Exekutive ist. Ihre Einbindung und Eingliederung in die Justiz ändert dar­an nichts. Das Strafprozessrecht kennt kei­ne „Unabhängigkeit der Justiz“, son­dern nur einen unab­hän­gi­gen Richter. Aus guten Gründen beschränkt Art. 97 Abs. 1 GG die Garantie der Unabhängigkeit auf Richter. Mithin gilt dies also nicht etwa für die Justiz an sich.

Die nicht-unab­hän­gi­ge Staatsanwaltschaft, die an Weisungen gebun­den ist, begrün­det sich in der par­la­men­ta­ri­schen Verantwortlichkeit der Regierung. Das Bundesverfassungsgericht hat die­sen Grundsatz wie folgt erklärt: „Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (ver­langt), dass ein Staatsorgan, das eine Entscheidung zu tref­fen hat, dafür die Verantwortung trägt. Verantwortung kann nicht tra­gen, wer in sei­ner Entscheidung inhalt­lich in vol­lem Umfang an die Willensentscheidung eines ande­ren gebun­den ist.“ Wenn der Minister oder die Ministerin eine Verantwortung zu tra­gen hat, dann muss sie das Handeln auch beein­flus­sen kön­nen. Gerade die Weisungsbefugnis macht die par­la­men­ta­ri­sche Kontrolle mög­lich«

Der letz­te Absatz klingt eini­ger­ma­ßen absurd. Ich habe dazu nicht wei­ter recher­chiert, aber mir ist kein Fall bekannt, in dem es zu einer par­la­men­ta­ri­schen Kontrolle ent­spre­chen­der Weisungen an die Staatsanwaltschaft gekom­men ist.

Gerade in Corona-Zeiten haben wir erlebt, daß über Jahre hin­weg Parlamente meist wil­len­los der Exekutive gefolgt sind. Und auch die rich­ter­li­che Unabhängigkeit hat sich in zahl­lo­sen Verfahren zu Demonstrationsverboten und ande­ren Grundrechtseinschränkungen und nicht zuletzt Impfschäden in der Regel als schö­ner Schein einer unpo­li­ti­schen Justiz erwiesen.

Es ist zwei­fel­los nicht gleich­gül­tig, ob es noch Elemente von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung gibt. Um das zu erken­nen, reicht ein Blick nach Ungarn, Polen, Rußland, in die Türkei und ande­re Länder. Er soll­te aller­dings die fun­da­men­ta­le Wahrheit nicht ver­stel­len, daß im Regelfall das herr­schen­de Recht das Recht der Herrschenden ist.

(Hervorhebungen in blau nicht in den Originalen.)

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