Auf tagesschau.de wird am 8.2.24 unter der Überschrift "100 ukrainische Gefangene freigelassen" dieses Foto gezeigt:
Rechts oben auf der Flagge prangt das Symbol der SS-Panzer-Division „Das Reich“ im Logo der "Brigade Asow". Es ist für den Bayerischen Rundfunk so etwas wie Folklore.
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Die SS-Division war Teil des Vernichtungskrieges gegen die UdSSR, namentlich der Ukraine. Das "Unternehmen Barbarossa" der Nazis und der Wehrmacht wurde u.a. geplant vom späteren Gründer des Bundesnachrichtendienstes, Reinhard Gehlen, und dem späteren Generalinspekteur der Bundeswehr, Adolf Heusinger.
Über das damalige Regiment war am 13.4.22 auf br.de zu lesen:
»Asow-Regiment: Ukrainische Helden oder Extremisten?
… Extremismusforscher Alexander Ritzmann vom "Counter Extremism Project" sagte der ARD im März 2022, dass das Regiment auch in der Symbolik abgerüstet habe. Die Wolfsangel – ein Symbol, das von Rechtsextremisten genutzt wird – sei zwar noch im Asow-Emblem, andere extremistische Symbole seien aber entfernt worden. Die Wolfsangel bedeute im Ukrainischen so viel wie "Unsere Nation"…«
Zuvor wurde eine Differenzierung "zwischen dem Asow-Regiment als militärischem Ableger und der Asow-Bewegung um die Partei "National Corps", die der politische Arm ist", konstruiert:
»… Aktive Kämpfer könnten nicht Parteimitglied werden. Auch eine Mitarbeiterin einer deutschen Sicherheitsbehörde untermauert diese Einschätzung: Beim Regiment spiele eine rechtsextreme Ideologie "eher eine untergeordnete Rolle", sagt sie im Gespräch mit dem #Faktenfuchs; sie möchte namentlich nicht genannt werden. Das Regiment gebe sich aber nur gemäßigter…«
Die ungenannte Expertin des #Faktenfuchses schafft es bis ins Fazit:
»Laut Informationen aus Sicherheitsbehörden spielt beim Regiment eine rechtsextreme Ideologie "eher eine untergeordnete Rolle" – auch wenn zum Beispiel auf deren Flagge noch immer rechtsextreme Symbole zu sehen sind. Rechte Extremisten feiern sie als Helden.
Die Asow-Bewegung, die offen rechtsextrem agiert, hat laut Experten wenig Rückhalt in der ukrainischen Bevölkerung. Die daraus entstandene Partei kam bei den Wahlen auf gut zwei Prozent und schaffte es nicht ins Parlament. Aus Deutschland pflegt vor allem die rechtsextreme Kleinstpartei "Der Dritte Weg" Verbindungen zur Asow-Bewegung in der Ukraine. Kämpfer rechtsextremer Gruppen gibt es in diesem Krieg auch auf russischer Seite.«
Das war noch vor dem Krieg, sofern man ihn nicht mit dem Maidan beginnen lassen will:

»… In einer Erklärung der Präsidentschaft hieß es zudem, man erkenne die Nationalisten, die während des Zweiten Weltkriegs gegen die "sowjetische Besatzung" gekämpft hätten, als "Kämpfer für die Unabhängigkeit der Ukraine" an. Die Gruppen standen während des Krieges zeitweise an der Seite der Nationalsozialisten. Verurteilt werden in der Erklärung außerdem "die totalitären kommunistischen und Nazi-Regime in der Ukraine". Auch wer deren "kriminellen Charakter" öffentlich leugnet, riskiert eine Strafe. Die Herstellung und Verbreitung der Symbole ist nur noch zu Lehrzwecken oder für die Forschung erlaubt. Wer gegen die Vorschriften verstößt, riskiert Haftstrafen von fünf bis zehn Jahren…«
Das alles kann nicht den Angriff Rußlands auf die Ukraine rechtfertigen. Es wirft allerdings ein Schlaglicht auf "unsere Werte", die um den Preis von Abermilliarden Euro und Hunderttausenden von sterbenden russischen und ukrainischen Menschen durchgesetzt werden sollen.
Update: Ein Leser hat gefunden, daß der ukrainische Präsident acht Fotos zum Gefangenenaustausch veröffentlichte. Die "Tagesschau" entschied sich für das einzige mit dem Asow-Symbol:

Während ich dem hier gesagten zustimmen möchte, fühle ich mich doch verpflichtet darauf hinzuweisen, dass die russische Seite mit dem Faschismus-Problem der ukrainischen nicht relevant nachsteht. Auch dort herrscht ekelhafter nationaler Chauvinismus, welcher der gegnerischen Nation die Existenz abspricht. Bekennende Nazis – und selbst sich nach dem Krieg noch zum Faschismus bekennende – Intellektuelle wie Iwan Iljin werden gehuldigt. Ultranationalisten und Faschisten kämpfen auch auf russischer Seite, zum Beispiel die Russische Imperiale Legion (benutzen übrigens auch die schwarze Sonne), Nationalbolschewisten und Duginisten/Eurasisten. Alexander Dugin, welcher in den 90ern den Faschismus in Russland popularisierte und die nationalbolschewistische Partei mitgründete, hat einen wachsenden Einfluss. Kürzlich erst hat er einen seiner ultrareaktionären Artikel direkt bei der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti platzieren können. Die Gesetze sind äußerst repressiv geworden. Linke werden praktisch täglich verfolgt und teils auch lange eingesperrt. Und weil wir in postmodernen Zeiten leben berufen sich gleichzeitig auch *beide* Regimes auf Antirassismus/Antifaschismus.
Diese Aspekte werden in der Anti-Regierungs- und Anti-Kriegs-Blase leider wenig wahrgenommen. Die selbe Verniedlichung, welche die Pro-Kriegs-Fraktion mit dem ukrainischen Regime betreibt wird leider von sehr vielen aus der Antikriegsfraktion mit Russland betrieben. Und da die Menschen nicht so blöde sind, und sehen, dass es nicht so einfach sein kann, schadet das der Antikriegsbewegung, macht sie unglaubwürdig.
An dieser Stelle können wir getrost "dogmatisch" auf leninschen Prinzipien bestehen. Das ist ein zwischenimperialistischer Krieg und wir stehen auf keiner von beiden Seiten. Wir stehen auf der Seite der einfachen Leute, die zu hunderttausenden in diesem Krieg verfeuert werden.
@anonym:
Danke!
Und Applaus für den letzten Satz.
Als undogmatischer "gefühlslinker" Demokrat sogar ganz ohne Lenin.
@aa:
Eine Erläuterung des geschichtlichen Kontexts ist natürlich immer sinnvoll – vor allem dann wenn man zu dessen Lektüre weniger Zeit benötigt als Wladimir Wladimirowitsch halbstundenlang zuzuhören (und sich danach zu fragen, ob man nicht endlich Rom vom faschistischen Regime befreien müsste, um dort wieder ein heiliges Reich aufbauen zu können).
Ich bin ja allgemein etwas skeptisch, was "Nazi-Keulen" (oder vom Kyrillischen "i" aufs Lateinische "N" gedrehte "Wolfsangeln") angeht: kennen "wir" das nicht zur Genüge von irgendwelchen "Faktencheckern", die bei jeder "Corona-Demo" nach "Reichsbürgern" und/oder "Nazis" suchten (und natürlich fanden), und "uns" damit diskredit- und diffamierten?
Mit der "A3OB-Nummer" habe ich, neben dem von dir skizzierten, noch ein weiteres Problem: deren Überbetonung (zusammen mit dem Schlagwort "Bandera") ist schließlich ein Kernelement der (ursprünglichen) Kreml-Propaganda: dass man eine Art "gerechten Krieg" gegen das "faschistische Kiewer Regime" führe, basta!
Platt zusammengefasst hier: https://tass.com/politics/1555743
(Auch wenn die Kriegsziele sich mittlerweile vom Vagen ins andere Vage verschoben haben mögen
https://www.fr.de/politik/kriegsziel-nicht-ukraine-propaganda-putin-neue-strategie-krieg-gegen-westen-zr-92759820.html
und Grund zu der Annahme besteht, dass man sich in Moskau sogar mit einer Art "Korea-Lösung" nicht zufrieden gäbe – schließlich gibt es im Baltikum genügend "eigene Leute", die zu "schützen" man vorgeben könnte).
Ein dieser Tage im "Tucker-Interview" geäußertes Detail würde mich, wenn ich Balte wäre, mehr als nur beunruhigen (Putin wird nach einem möglichen Angriff auf Polen befragt, bestreitet, dort irgendwelche Interessen zu haben und packt "Lettland" in die Antwort gleich mit rein, obwohl die Propaganda bereits – zugegeben, mit Steilvorlage aus Riga – seit über 3 Wochen läuft: https://tass.com/politics/1733169 ).
Und als Pole ist man ja schon qua Geburt "Russland-skeptisch", erinnert sich an den "Sender Gleiwitz" und weiß, dass es auch im Kaliningrader Gebiet Sender (oder andere Objekte) gibt, die problemlos und unerwartet von *jemandem" überfallen werden könnten.
Sorry, wollte nicht ausschweifen … .
@Kassandro: Danke. Der Beitrag war kein Plädoyer für Putin oder den Krieg. Die Verklärung des russischen Angriffs sehe ich ähnlich kritisch wie Du. Als gelernter Linker habe ich mit dem Imperialismus der anderen Seite so wenig am Hut wie dem eigenen. Altmodisch meine ich immer noch: Der Hauptfeind steht im eigenen Land.
Ich sehe dennoch einen Unterschied zwischen der krampfhaften Suche nach Nazi-Symbolen auf Corona-Demos und dem stolz vorgetragenen Faschosymbol durch den ukranischen Präsidenten und die Tagesschau.