Es ist richtig, die beiden Vertragsdokumente, die die 77. Weltgesundheits-Generalversammlung im Mai und Juni beschließen will, breit zu diskutieren und zu kritisieren. Geschieht das mit dummen und falschen Behauptungen, wird dieses Anliegen beschädigt. Ein Musterbeispiel dafür ist dieser offene Brief.
Wir lesen:
»[Die WHO] wird bindende Anordnungen erteilen, statt wie bisher nur Empfehlungen aussprechen, und entsprechende Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen durchführen. Sie wird die Produktion und Zuteilung aller Gesundheitsprodukte kontrollieren, Abriegelungen, Kita-/ Kiga-/ Schul- und Universitätsschließungen anordnen, Reisebeschränkungen aussprechen, medizinische Zwangsuntersuchungen und ‑impfungen und globale Gesundheitsbescheinigungen verlangen können, sowie erhebliche finanzielle Beiträge einzelner Staaten einfordern dürfen.«
Nichts davon steht in den vorliegenden Entwürfen.
»Die WHO könnte also durch die Ausrufung eines Gesundheitsnotstandes von internationaler oder regionaler Bedeutung (engl.: PHEIC oder PHERC) unsere Demokratie AUS- und EIN-schalten. Der Schalter liegt in der Hand einer einzelnen, nicht transparent gewählten und strafrechtlich nicht verantwortlichen Person, des WHO-Generaldirektors Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus. Er war von Anfang an Mitglied der terroristischen Volksbefreiungsfront von Tigray, äthiopischer Gesundheitsminister (2005–2012) und Außenminister (2012–2016) dieses mörderischen Regimes, ehe er 2017 Generaldirektor der WHO wurde.«
Hier soll nicht erörtert werden, ob die Beteiligung am Sturz des Diktators Mengistu Haile Mariam vorwerfbar ist und ob Tedros neben der Einführung einer universellen Krankenversicherung Schlimmes zu verantworten hat. Die Ausrufung einer Pandemie obliegt bereits heute in undemokratischer Weise dem WHO-Generaldirektor. Wenn damit „unsere Demokratie“ ausgeschaltet wurde, hatten dies nationale Regierungen oder Parlamente entschieden. Daran ändert sich vom Prinzip her auch in Zukunft nichts. Es ist der deutsche Bundestag, der sich für oder gegen Verschärfungen bei der „Pandemiebekämpfung“ aussprechen kann. Genau deshalb ist eine parlamentarische und gesellschaftliche Diskussion notwendig. Hier ist Kranz zuzustimmen.
Die folgende Formulierung zur WHO ist längst nicht mehr aktuell (siehe who.int), eignet sich aber weiterhin zur Feindbildung:
»Ihr Haushalt wird zu 80 % von privaten Sponsoren getragen (allen voran: der Bill-und-Melinda-Gates- Stiftung), bzw. ihre Strategie von diesen bestimmt (World Economic Forum, Rockefeller-Stiftung u.a.).«
Ein Fitzelchen Wahrheit findet sich in dieser Passage:
» Im Entwurf der IHR-2024 wurden die bisherigen Handlungsprinzipien (Beachtung der Würde sowie der Menschen- und Freiheitsrechte) durch die neuen Handlungsprinzipen (Equity, Diversity und Inclusion) gänzlich ersetzt; im Pandemievertrag wurde die Würde in der jüngsten Version als Handlungsmaxime erst nach starkem internationalen Widerspruch wieder eingesetzt, jedoch deutlich relativiert. Die Beratungen
über die beiden „Rechtsinstitute“ finden im Geheimen statt. Sie widersprechen in der derzeitigen Form allen Prinzipien unserer Verfassung, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ebenso, sowie dem Rechtsstaats‑, dem Demokratie- und dem Föderalismusprinzip.«
Eine Behauptung trifft zu (geheime Verhandlungen), eine ist halb richtig. In der letzten Zusammenfassung (Article-by-Article Compilation of Proposed Amendments) zu den International Health Regulations (IHR) werden Vorschläge von 15 Staaten oder Regionen aufgelistet. Indien schlägt in der Tat vor, die Formulierung „full respect for the dignity, human rights and fundamental freedoms of persons“ zu ersetzen durch “principles of equity, inclusivity, coherence”. (Seine Phantasie läßt Kranz das böse Wort “Diversity” hineinschummeln.) Allerdings existiert auch die vom Generaldirektor gleichzeitig veröffentliche Stellungnahme des Review Committee regarding amendments to the International Health Regulations (2005), in der es heißt:
»Der Ausschuss empfiehlt nachdrücklich die Beibehaltung des bestehenden Wortlauts "volle Achtung der Menschenwürde, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten" als übergreifendes Prinzip im ersten Absatz und stellt fest, dass die Begriffe Menschenrechte, Menschenwürde und Grundfreiheiten im Rahmen von Verträgen, denen viele der Vertragsstaaten der Verordnungen beigetreten sind, klar definiert sind.«
Es ist an der Gesundheitsversammlung, sich dazu zu positionieren, was vom Prinzip her ein demokratischer Prozeß ist.
In Bezug auf den Pandemievertrag straft die auf der Seite der MWGFD gezeigte Fassung Kranz Lügen. Was dort den Regeln der „FDGO“ widerspricht oder gar den Föderalismus angreift, ist ihm keine weitere Ausführung wert. Ihm reichen die Schlagworte vom „Spuk eines One-World-Gesundheitsregimes“ und eines „internationalen Ermächtigungsgesetzes“.
Ich bin mit den inneren Strukturen der MWGFD nicht vertraut. Ob hier deren Positionen vertreten werden oder Kranz einen Alleingang gestartet hat, weiß ich nicht. Der Offene Brief findet sich jedenfalls nicht auf der Seite der MWGFD* (wenn auch eine Menge anderer Unsinn von ihm). Soweit mir bekannt ist, wurde er bisher nur auf den stramm rechten Portalen ansage.org und journalistenwatch.com veröffentlicht. Er kann hier geladen werden.
Eine weiterführende Dokumentensammlung zum Thema gibt es auf https://coronaquest.de/who-pandemievertrag/. Der dortigen Bewertung würde ich nicht in allen Punkten folgen.
* Update: Das stimmt so nicht. Wie einem Kommentar mitgeteilt wird, gibt es den Brief dort etwas verschämt unter dem Menüpunkt WHO – WHO–Informationen.
„Der Offene Brief findet sich jedenfalls nicht auf der Seite der MWGFD (wenn auch eine Menge anderer Unsinn von ihm).“
Diese Aussage trifft nicht zu. Der offene Btief findet sich auf der Seite der MWGFD im WHO-Menü unten.
@CoronAirSteril©️: Danke, ist nachgetragen.