Ein "Pamphlet", das "fassungslos" macht, im Wortlaut

»Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten

"Als Lehrende der Berliner Hochschulen ver­pflich­tet uns unser Selbstverständnis dazu, unse­re Studierenden auf Augenhöhe zu beglei­ten, aber auch zu schüt­zen und sie in kei­nem Fall Polizeigewalt auszuliefern.

Unabhängig davon, ob wir mit den kon­kre­ten Forderungen des Protestcamps ein­ver­stan­den sind, stel­len wir uns vor unse­re Studierenden und ver­tei­di­gen ihr Recht auf fried­li­chen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände ein­schließt. Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind grund­le­gen­de demo­kra­ti­sche Rechte, die auch und gera­de an Universitäten zu schüt­zen sind. Angesichts der ange­kün­dig­ten Bombardierung Rafahs und der Verschärfung der huma­ni­tä­ren Krise in Gaza soll­te die Dringlichkeit des Anliegens der Protestierenden auch für jene nach­voll­zieh­bar sein, die nicht alle kon­kre­ten Forderungen tei­len oder die gewähl­te Aktionsform für nicht geeig­net halten.

Es ist kei­ne Voraussetzung für grund­recht­lich geschütz­ten Protest, dass er auf Dialog aus­ge­rich­tet ist. Umgekehrt gehört es unse­res Erachtens zu den Pflichten der Universitätsleitung, solan­ge wie nur mög­lich eine dia­lo­gi­sche und gewalt­freie Lösung anzu­stre­ben. Diese Pflicht hat das Präsidium der FU Berlin ver­letzt, indem es das Protestcamp ohne ein vor­an­ge­hen­des Gesprächsangebot poli­zei­lich räu­men ließ. Das ver­fas­sungs­mä­ßig geschütz­te Recht, sich fried­lich zu ver­sam­meln, gilt unab­hän­gig von der geäu­ßer­ten Meinung. Die Versammlungsfreiheit beschränkt zudem nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ("Fraport") das Hausrecht auch für Orte, die, wie wohl auch der Universitätscampus der FU Berlin, öffent­lich zugäng­lich sind und viel­fäl­ti­gen, dar­un­ter öffent­li­chen Zwecken dienen.

Wir for­dern die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen ihre eige­nen Studierenden eben­so wie von wei­te­rer straf­recht­li­cher Verfolgung abzu­se­hen. Der Dialog mit den Studierenden und der Schutz der Hochschulen als Räume der kri­ti­schen Öffentlichkeit soll­te ober­ste Priorität haben – bei­des ist mit Polizeieinsätzen auf dem Campus unver­ein­bar. Nur durch Auseinandersetzung und Debatte wer­den wir als Lehrende und Universitäten unse­rem Auftrag gerecht."«
docs​.goog​le​.com

Am 8.5.24 war auf tages​spie​gel​.de zu erfahren:

»… 143 Berliner Professor:innen und Dozenten unter­zeich­ne­ten das Statement, dar­un­ter die Philosophin Rahel Jaeggi, der Soziologe Linus Westheuser (Co-Autor von „Triggerpunkte“), Ulrike Freitag, Leiterin des Leibniz-Zentrums Moderner Orient, und Florian Zemmin, Direktor des Instituts für Islamwissenschaft der Humboldt-Universität. Rund 400 wei­te­re Unterzeichner:innen aus Deutschland und dem Ausland hat­ten sich am Mittwoch bereits ange­schlos­sen…«

Als kri­ti­sche Stimme zitiert wur­de ein "Mitarbeiter an der Universität der Künste", dem die Stellungnahme "nicht dif­fe­ren­ziert genug" sei. "Von sol­chen Versammlungen [sei­en] über kurz oder lang 'isra­el­feind­li­che und anti­se­mi­ti­sche' Äußerungen zu erwar­ten".

Sie nennen es "Journalismus"

Am 9.5.24 heißt es, eben­falls im "Tagesspiegel":

»Exklusiv Streit um pro­pa­lä­sti­nen­si­sche Proteste: Chef der Hochschulrektoren kri­ti­siert offe­nen Brief von Uni-Lehrkräften

Rund 100 Lehrkräfte hat­ten in einem Schreiben ein pro­pa­lä­sti­nen­si­sches Protestcamp an der FU Berlin ver­tei­digt. Mehrere Politiker reagie­ren ver­ständ­nis­los – und auch die Hochschulrektorenkonferenz.«

Aus über 500 UnterzeichnerInnen wer­den 100, aus dem Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz gleich das gan­ze Gremium. Letzterer wird fak­ten­re­si­stent so wiedergegeben:

»"Hochschulen sind kei­ne Orte, … an denen die ter­ro­ri­sti­schen Angriffe der Hamas vom 7. Oktober 2023 geleug­net, das Existenzrecht Israels infra­ge gestellt oder gene­rell abwei­chen­de Meinungen und wis­sen­schaft­li­che Aussagen nie­der­ge­brüllt wer­den dürfen."

Sobald… eine rein poli­ti­sche Eskalation betrie­ben wer­de, übten Hochschulen „sehr berech­tigt ihr Hausrecht aus und erstat­ten, wo nötig, Anzeige“.«

Bundes"bild"ungsministerin Bettina Stark-Watzinger wird so zitiert:

»„Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fas­sungs­los. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stel­len, wer­den Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt ver­harm­lost“, sag­te die FDP-Politikerin der „Bild“-Zeitung…«

"Mob von Antisemiten und Israelhassern"

Hervorgehoben stellt der "Tagesspiegel" dar:

Pamphlet fassungslos Mob

»Die CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz bezeich­ne­te den Brief als einen „Tiefpunkt für die deut­sche Wissenschaft“. Sie habe kein Verständnis dafür, „wenn Professoren und Dozenten einen Mob von Antisemiten und Israelhassern ver­tei­di­gen“, sag­te die stell­ver­tre­ten­de Vorsitzende der Unionsfraktion der Zeitung.«

Warum erin­nert mich das an das Jahr 1967 mit sol­chen Schlagzeilen?

7 Antworten auf „Ein "Pamphlet", das "fassungslos" macht, im Wortlaut“

  1. 1967 und 1968 war ich noch gar nicht gebo­ren. Ja, was erin­nert Sie an die Titelseiten, bitte? 

    Auf der Titelseite 2 links unten lese ich 'König Lazar Amselfelder' – wol­len Sie auf die Schlacht auf dem Amselfeld erin­nern, wo Serbien und Bosnien dem Vordringen des Osmanischen Reiches (Islam) ent­ge­gen getre­ten waren? 

    Oder mei­nen Sie es ging um den Vietnamkrieg? Wie hier: https://​www​.deutsch​land​funk​.de/​v​o​r​-​5​0​-​j​a​h​r​e​n​-​i​n​-​w​e​s​t​-​b​e​r​l​i​n​-​s​t​u​d​e​n​t​e​n​-​d​e​m​o​n​s​t​r​i​e​r​t​e​n​-​g​e​g​e​n​-​1​0​0​.​h​tml ?

    Na, ob man das wirk­lich ver­glei­chen kann?

    1. @A‑w-n‑n: Für ver­gleich­bar hal­te ich die Hetze gegen pro­te­stie­ren­de Studenten bei gleich­zei­ti­ger Ignoranz den Verbrechen gegen­über, die die Proteste hervorrufen.

  2. https://www.sueddeutsche.de/meinung/kommentar-fu-proteste-meinungsfreiheit‑1.7083762?reduced=true

    Die "soli­da­ri­sche" Gesichtsbekleidung wird aller­dings nicht unun­ter­bro­chen getra­gen: https://​taz​.de/​R​a​e​u​m​u​n​g​-​e​i​n​e​s​-​C​a​m​p​s​-​a​n​-​d​e​r​-​F​U​-​B​e​r​l​i​n​/​!​6​0​0​6​1​62/

    Hatte die "revo­lu­tio­nä­re 1. Mai – Demo" eigent­lich einen MASKENBLOCK, wie die Demo am 8. März?

  3. Fund bei der taz, Leerbrief mit Beleg*:

    >> Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus hat sich die Sache mal ange­schaut und das geht dann so:

    Frage der Interviewerin:

    "Was ist ein Zionist?"

    Antwort der Aktivistin:

    "Wenn du das fragst, bist du einer du Bitch."

    So geht Debatte. <<

    [*: https://​www​.face​book​.com/​j​u​e​d​i​s​c​h​e​s​f​o​r​u​m​/​v​i​d​e​o​s​/​8​2​2​0​1​5​9​1​3​1​6​6​8​2​3​/​?​m​i​b​e​x​t​i​d​=​r​S​4​0​a​B​7​S​9​U​c​b​x​w6v

    1. @Boris Büche: Ein gutes Beispiel dafür, daß Marginalisierte, Verfolgte, Geflüchtete nicht unbe­dingt die Klugen, Guten und Differenzierten sein müs­sen. Die Regierung der jahr­hun­der­te­lang drang­sa­lier­ten und zu gro­ßen Teilen ermor­de­ten Jüdinnen und Juden meint, sich mit Drangsalierung und Morden schüt­zen zu kön­nen und müs­sen. Der bri­ti­sche Premier Rishi Sunak, selbst mit migran­ti­schen Wurzeln, ist einer der wich­tig­sten euro­päi­schen Rassisten, an des­sen Programm die AfD naht­los anküp­fen kann. Um so wich­ti­ger sind gründ­li­che Analysen der Interessen bei Konflikten.

      1. Genau die­se Differenzierung ver­mis­se ich; Die Regierung von Israel ist eben nicht Israel, Israelis sind nicht "die Juden" und genau­so­we­nig anders­her­um. Wieviel pro­te­stie­ren seit Jahren gegen die Regierun Netanjahu. Auch gegen die Coronapolitik und der Ausverkauf der Gesundheitsdaten. 

        Kaum je war und ist die Rede von den Raketen und Bomben gegen die israe­li­sche Bevölkerung. (das legi­ti­miert nichts und wird auch durch nichts legitim).

        Ich ver­mis­se die­se Proteste bei ande­ren Themen. Gegen die Aufrüstung, gegen Krieg im Allgemeinen, gegen Rüstungsexporte egal wohin. Im Sudan herrscht Krieg übri­gens. Mio hun­gern und kön­nen nicht weg. Niemand hilft, von Protesten hört und sieht man nichts.

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