Streiks müssen wieder Spaß machen!

Der öffent­lich-recht­li­che RBB betreibt ein "info­ra­dio" mit dem Slogan "Wir lie­ben das Warum". Beinahe rund um die Uhr wer­den dort alle 20 Minuten als Nachrichten bezeich­ne­te Meldungen gesen­det. Das Spezielle ist, daß die­se auch noch anmo­de­riert wer­den, um das betreu­te Hören auf die Spitze zu trei­ben. Noch vor den sehr aus­ge­wähl­ten Kurznachrichten erfolgt die Ankündigung, es sei zu hören, wie der Kanzler mit Falschinformationen der Ukraine in den Rücken fal­le. Vor eini­ger Zeit hieß es regel­mä­ßig, zu erfah­ren sei gleich, ob man bei den "Maßnahmen" wirk­lich wei­ter so zöger­lich sein könne.

In den letz­ten Tagen kom­men hier Moderatorinnen zum Einsatz, die merk­lich empört ankün­di­gen, daß schon wii­ieeeder die Bahn strei­ke und ihre sowie des Volkes Geduld so was von am Ende sei. Wie gesagt, alle 20 Minuten.

Lustig sind meist die spä­ter fol­gen­den O‑Töne. Schon ner­vig sei es, ist in der Regel zu hören, daß man jetzt nicht wie vor­ge­se­hen von A nach B kom­me. Streiks sei­en ja not­wen­dig, gera­de für bes­se­re Arbeitsbedingungen, aber aus­ge­rech­net heu­te? Durchweg kommt ein gene­rel­les Verständnis für das Bahnpersonal, die FlugbegleiterInnen und die ande­ren Lufthansa-Beschäftigten zum Ausdruck. Nur stö­ren tut es gera­de doch.

Offensichtlich gelingt es über­haupt nicht, das Gerede des Bahn-Vorstands von der "blan­ken Zumutung" glaub­wür­dig zu ver­kau­fen. Zu reich­hal­tig sind die Erfahrungen der Reisenden, vor allem der­je­ni­gen, die die Bahn beruf­lich nut­zen, mit den all­täg­li­chen Zumutungen des Unternehmens.

Verblüffend ist dabei man­ches. Einmal, daß es kaum gelingt, eine in ande­ren Fragen recht leicht zu mani­pu­lie­ren­de Bevölkerung gegen die Arbeitskämpfe auf­zu­brin­gen. Das war bereits bei den Streikaktionen im Gesundheits- und Erziehungswesen der Fall.

Weiter sind Ausmaß, Dauer und Konsequenz der Streiks in der extrem har­mo­ni­e­süch­ti­gen bun­des­deut­schen Arbeitswelt unge­wöhn­lich. Es wird kaum so geplant sein, aber schon das zeit­li­che Zusammenfallen von Aktionen kon­kur­rie­ren­der Gewerkschaften in pro­spe­rie­ren­den Konzernen stellt eine neue Qualität der Arbeitskämpfe dar. Es hat den Anschein, als ob damit das alte Ritual von Muskelzeigen, gefolgt von schnel­lem Kompromiß, vor­erst pas­sé sei.

Neben dem Umstand, daß gemein­sa­mer Kampf das wirk­sam­ste Mittel gegen die Spaltung anhand von Migrationsgeschichten ist, weit mehr als jede Demo zusam­men mit Unternehmerverbänden und Abschiebeparteien, ist es die­se Gefahr des kon­se­quen­te­ren Vertretens gemein­sa­mer Interessen, die Kapital- und Medienvertreter auf den Plan ruft.

Die Stimmen wer­den lau­ter, wie es stets heißt, wenn die Herrschenden etwas im Schilde füh­ren. An die­ser emp­find­li­chen Stelle des Klassenverhältnisses soll für Ruhe und Ordnung gesorgt wer­den: "CSU for­dert Reform und will durch­grei­fen" (msn​.com, 13.3.24). Denn pein­li­cher­wei­se ist selbst auf die bür­gerl­che Justiz ange­sichts der Rechtslage kein Verlaß. Andererseits steht Gesetzesänderungen mit Zwangsschlichtungen und vor­ge­ge­be­nen zeit­li­chen Einschränkungen im Wege, daß wir es nicht nur mit dem dämo­ni­sier­ten GDL-Chef zu tun haben. Auch ver­di und den ande­ren DGB-Gewerkschaften dürf­te bewußt sein, daß ein Angriff auf das Streikrecht, der mit dem "Schutz von Infrastruktur" daher­kommt, sie alle tref­fen wird. Schließlich sind auch nicht geleer­te Mülltonnen und ver­scho­be­ne OPs, bestreik­te Kitas und Geschäfte miß­lich für vie­le nicht direkt vom Arbeitskampf Betroffene.

Es bleibt span­nend. Auf der einen Seite zei­gen die Streiks, daß trotz aller Trends zu Automatisierung, KI und Entmenschlichung der Arbeit immer noch gilt: Wenn ein star­ker Arm es will, ste­hen die Räder still. Und gera­de wol­len es vie­le, weil sie ler­nen, daß sie nur so ihren Lebensstandard und den ihrer Kinder annä­hernd auf­recht­erhal­ten kön­nen. Auf der ande­ren Seite soll­ten wir uns ein­stel­len auf eine Propagandawelle, wenn die ent­spre­chen­de Maschinerie zur Zeit auch etwas auf­ge­rie­ben erscheint ange­sichts der über­wäl­ti­gen­den Zahl der zu bekämp­fen­den Gegner: Noch immer trei­ben "Coronaleugner" ihr Unwesen, mucken Bauern auf, ist dem Russen Einhalt zu gebie­ten und die Staatsräson in Gaza zu ver­tei­di­gen, und dabei ist noch nicht ein­mal der Chinese im Spiel.

Eine Antwort auf „Streiks müssen wieder Spaß machen!“

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert