"Machen Sie den Löwen dafür verantwortlich, dass er das Zebra gefressen hat?"

Das Bemerkenswerteste an die­sem Artikel ist, daß er auf einem Portal erschien, das fast voll­stän­dig von "phil­an­thro­pi­schen" Stiftungen und Staatsgeldern finan­ziert wird (inve​sti​ga​te​-euro​pe​.eu).

»… Eine Recherche von Investigate Europe legt offen, dass die 15 größ­ten euro­päi­schen und ame­ri­ka­ni­schen Arzneimittelhersteller, dar­un­ter auch BMS, mehr als 1300 Tochtergesellschaften in Steueroasen und Niedrigsteuergebieten gegrün­det haben. 

Diese Gebiete bie­ten den Unternehmen nied­ri­ge Steuern oder Möglichkeiten zur Gewinnverlagerung – manch­mal auch bei­des. In Europa sind sich Forscher und Aktivisten im Allgemeinen einig, dass dazu Irland, die Niederlande, die Schweiz und Luxemburg gehö­ren. Die 15 größ­ten Pharmaunternehmen haben so allein in den ver­gan­ge­nen fünf Jahren Gewinne von 580 Milliarden Euro ange­häuft. Dieser Betrag über­steigt ihre Kosten für Forschung und Entwicklung (F&E), denn die Industrie behaup­tet häu­fig, dass die hohen Arzneimittelpreise nötig sei­en, damit die Konzerne for­schen und inno­va­tiv sein kön­nen, um neue Medikamente zu ent­wickeln. Die Renditen ste­hen im Einklang mit den über­gro­ßen Gewinnen, die für den gesam­ten Sektor typisch sind…

Mehr Gewinn als Forschungskosten

Die von Investigate Europe zusam­men­ge­stell­ten Daten zei­gen jedoch, dass die Industrie bei einer kol­lek­ti­ven Betrachtung mehr Gewinn aus dem Verkauf bestehen­der Medikamente erzielt, als sie in die Entwicklung neu­er Medikamente inve­stiert. In den unter­such­ten fünf Jahren haben die 15 mul­ti­na­tio­na­len Unternehmen 580 Milliarden Euro nach Steuern ein­ge­nom­men, wäh­rend sie 572 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung auf­wen­de­ten. Die Gewinne wur­den größ­ten­teils in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen in Höhe von ins­ge­samt 558 Milliarden Euro an die Aktionäre aus­ge­schüt­tet. Infolgedessen gaben die fol­gen­den Konzerne mehr für die Belohnung von Investoren als für Forschung und Entwicklung aus: Abbvie, Johnson & Johnson, Novartis, BMS, Pfizer, Novo Nordisk und Amgen. Andere Unternehmen, dar­un­ter Astra Zeneca, Merck und Bayer, inve­stier­ten mehr in Forschung und Entwicklung, als sie Gewinne erziel­ten oder an ihre Aktionäre aus­zahl­ten. Das in euro­päi­schen Steuerparadiesen ange­häuf­te Vermögen der gro­ßen Pharmaunternehmen steht im Gegensatz zu der Ungleichheit beim Zugang und den knap­pen Gesundheitsbudgets vor Ort. So sehr Irland die Arzneimittelhersteller mit sei­nen steu­er­li­chen Vergünstigungen lockt, iri­sche Patienten müs­sen oft län­ger als ihre west­eu­ro­päi­schen Kollegen war­ten, bis sie inno­va­ti­ve Medikamente erhal­ten…«

Abschließend wird ein CEO zitiert, der frü­her für den Novartis-Konzern tätig war:

»Nach Ansicht des ehe­ma­li­gen Novartis-Direktors ist es Aufgabe der Regierungen, bei der Unterzeichnung von Verträgen mit Pharmakonzernen Bedingungen zu stel­len, die die Preise dämp­fen und den Wettbewerb för­dern. Die Unternehmen sei­en "so orga­ni­siert, dass sie ihren Gewinn maxi­mie­ren", sagt er. "Ich glau­be also nicht, dass ich sie dafür ver­ant­wort­lich mache. Machen Sie den Löwen dafür ver­ant­wort­lich, dass er das Zebra gefres­sen hat? Nein."«


Den Hinweis zu die­sem Beitrag ver­dan­ke ich einem Kommentar, der auf einen Tweet von Josch. feat. Frank. @chefofmembers auf­merk­sam macht. Er ver­weist auch auf die­sen Tweet:

4 Antworten auf „"Machen Sie den Löwen dafür verantwortlich, dass er das Zebra gefressen hat?"“

  1. PS: Die DDR war auch eine Steuer-Oase. Da wur­den mit Steuern finanziert:
    Kliniken, Schulen, Internate,
    Universitäten, Hochschulen, Berufsschulen,
    Kuranlagen, Kinderferienlager,
    Kindergärten, Erholungsheime,
    Ferienheime, Arztpraxen, Schulspeisung,
    Grundnahrungsmittel, Mietwohnungen,
    Straßenbau, Wohnungsbau,
    Öffentliche Verkehrsmittel,
    NVA, VP, Ministerien,
    Volkskammer, Politbüro,
    Gaststätten, Kaufhallen,
    Kulturhäuser, Theater, Kino,
    Gesundheitliche Versorgung, Energieversorgung,
    Fernwärme, Heizung, Freibäder,
    Hallenbäder, Sportanlagen usw.

    Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

  2. Nun ja, ich habe Zweifel, ob der Zugang zu "inno­va­ti­ven Arzneimitteln" mit Vorteilen ver­bun­den ist, außer daß sie teu­rer sind, wegen der Patentrechte. Ich wür­de da eher auf die set­zen, mit denen bereits Erfahrungen gesam­melt wur­de, und hät­te mehr Bedenken, je neu­er sie sind. Neu heißt mit­nich­ten bes­ser. Sieht man bei vie­len Produkten.

  3. Wobei aber die Kosten für "F&E" ger­ne in die Kalkulationen mit über­nom­men wer­den, weil sie – so ver­mu­te ich natür­lich nur! – Projektübergreifend wir­ken. Da kön­nen die Jünger der Betriebswirtschafterei schön mit spie­len. 😉 Waren es nicht einst die alten Delewaren, die mein­ten daß man am Ende mer­ken wird daß man F&E nicht essen kann. Ich glau­be da ver­wechs­le ich 'grad was. Das kann natür­lich nicht sein. viel­eicht weiß ja Eine/​r wie das ging, mit dem Spruch. Es hat­te etwas zu tun, mit der Art und Weise wie wir wirt­schaf­ten?!? ( "Die B90/DieGruenen*innen" wis­sen es ueb­ri­gens auch nicht bes­ser – und tun ja un-/wis­sent­lich bloß so, nicht wahr) – HiHi, das Schild ist ja "Blau" .… kaputtlach .… 😀

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