Das Kabinett des Kapitals

Ausführlich infor­miert abge​ord​ne​ten​watch​.de über Personalien des Kabinetts des Kapitals. Die Wirtschaftslobby sitzt inzwi­schen direkt auf Ministersesseln und denen von Staatssekretären:

abge​ord​ne​ten​watch​.de (6.5.25)

»… Viele Regierungsmitglieder sind seit Jahren eng mit wirt­schaft­li­chen Akteuren ver­floch­ten. Manche wur­den bis zuletzt dafür bezahlt, für Anliegen eines Unternehmens bei der Bundesregierung zu lob­by­ie­ren – nun beklei­den sie selbst ein Regierungsamt. Andere setz­ten sich als Abgeordnete gezielt für Konzerne ein, ver­schaff­ten ihnen direk­ten Zugang zur Regierung oder mach­ten sich für Staatsaufträge stark.

Kurzer Draht zum Kanzler – der Finanzkonzern muss dafür nur seinen Ex-Aufsichtsratschef anrufen

So ver­fü­gen eini­ge Unternehmen und Verbände nun über einen beson­ders kur­zen Draht zur Regierungsspitze. Der welt­größ­te Vermögensverwalter Blackrock braucht nur sei­nen lang­jäh­ri­gen Aufsichtsratschef anru­fen – und lan­det direkt bei Bundeskanzler Merz. Die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche? Noch am Morgen ihrer Amtsübernahme ist sie als Interessenvertreterin eines Energiekonzerns regi­striert (der Eintrag wird zur Mittagszeit ent­fernt). Digitalminister Karsten Wildberger? Steht eben­falls noch im Lobbyregister – als Top-Manager eines Elektronikriesen und Vizepräsident eines Lobbyverbandes. Nahtloser kann der Übergang vom Lobbyjob in ein Ministeramt nicht sein…«

Da wären:

»Blackrock-Lobbyist a.D.:
Friedrich Merz (CDU) – Bundeskanzler

Als die Bundestagsabgeordneten im Jahr 2005 erst­mals ihre Nebeneinkünfte offen­le­gen muss­ten, zog Friedrich Merz vor das Bundesverfassungsgericht – und ver­lor. Wie sich spä­ter zeig­te, hat­ten weni­ge Abgeordnete so vie­le bezahl­te Unternehmensposten wie Merz: Bei der Commerzbank, dem Versicherungskonzern Axa, der Deutschen Börse, dem Immobilienkonzern IVG und vie­len wei­te­ren Unternehmen.

2005 grün­de­te Merz den Förderverein der unter­neh­mer­na­hen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Der von der Metall- und Elektrolobby finan­zier­te Verband gilt als eine der ein­fluss­reich­sten Interessengruppen Deutschlands.

Seine Jahre außer­halb des Bundestags (2009–2021) war Merz unter ande­rem als Aufsichtsratsvorsitzender und Lobbyist für den Vermögensverwalter Blackrock tätig. Das US-Finanzunternehmen hält bei nahe­zu jedem DAX-Konzern Anteile, bei man­chen als größ­ter Einzelaktionär…

Die Drehtür-Ministerin:
Katherina Reiche (CDU) – Ministerin für Wirtschaft und Energie

Reiche ist ein Paradebeispiel für den Drehtüreffekt, also den Wechsel zwi­schen Politik und Wirtschaft. Die lang­jäh­ri­ge CDU-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin star­te­te nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag im Jahr 2015 zunächst eine Karriere als Interessenvertreterin: Zunächst als Hauptgeschäftsführerin beim Verband kom­mu­na­ler Unternehmen (VKU), zuletzt war sie Vorstandsvorsitzende der Eon-Tochter Westenergie AG. Nun kehrt Reiche erneut in die Politik zurück…

Im April 2025 wur­de bekannt, dass Reiche und der frü­he­re Verteidigungs- und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ein Paar sind. Guttenberg hat­te nach sei­nem Rücktritt infol­ge einer Plagiatsaffäre die Lobby- und Beratungsfirma Spitzberg Partners gegrün­det, die unter ande­rem im Auftrag des inzwi­schen insol­ven­ten Unternehmens Wirecard bei der Bundesregierung lob­by­ier­te. In Guttenbergs Linkedin-Profil sind neben dem Chefposten bei Spitzberg (“Chairman”) zahl­rei­che wei­te­re Unternehmensposten auf­ge­führt, unter ande­rem als Aufsichtsratsmitglied bei der inter­na­tio­na­len Kommunikationsagentur Edelman und dem US-Finanzdienstleister Clocktower Group.

Vom Digitallobbyisten zum Digitalminister:
Karsten Wildberger (parteilos) – Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung

… 2021 hat­te Wildberger Merz im Amt als Vizepräsident beim Wirtschaftsrat beerbt. Anders als der Name ver­mu­ten lässt, ist der Wirtschaftsrat kein Parteigremium, son­dern ein unab­hän­gi­ger Lobbyverein mit direk­tem Draht zur CDU-Spitze: Über einen festen Sitz bei den Sitzungen des Parteivorstands kann er sei­ne Anliegen par­tei­in­tern plat­zie­ren. Zu den Mitgliedern zäh­len laut Lobbyregister unter ande­rem GoogleHuawei und Facebook Deutschland

Doch mög­li­che Interessenkonflikte rei­chen über sein Engagement im Wirtschaftsrat hin­aus. Bis zu sei­ner Berufung ins Kabinett war Wildberger Vorstandschef von Ceconomy – dem Mutterkonzern von Media Markt und Saturn – sowie Geschäftsführer der MediaMarktSaturn Retail Group.

MediaMarktSaturn misch­te in der Vergangenheit selbst aktiv in Digitaldebatten mit. Noch im September 2024 über­mit­tel­te der Konzern ein vier­sei­ti­ges Forderungspapier an die Bundesregierung. Die Handelskette, für die Wildberger damals als Lobbyist agier­te, beklag­te unter ande­rem einen „unlau­te­ren Wettbewerb von Händlern und Marktplätzen aus Drittländern“, zum Beispiel durch “asia­ti­sche Online-Plattformen”. Für genau sol­che Anliegen von MediaMarktSaturn dürf­te künf­tig der Ex-Chef zustän­dig sein – als Minister…

Eng mit der Digitalwirtschaft:
Thomas Jarzombek (CDU) – Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung

Kaum jemand in der CDU ist so eng mit der Digitalwirtschaft ver­bun­den wie der lang­jäh­ri­ge for­schungs­po­li­ti­sche Sprecher der Unionsfraktion. 

Jarzombek sitzt unter ande­rem im Rat des Think Tanks Agora Digital. Die vom bis­he­ri­gen Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) geför­der­te Organisation for­der­te im Zuge der Koalitionsverhandlungen ein “schlan­kes” Digitalministerium – und bekam ein um “Staatsmodernisierung” auf­ge­wer­te­tes Digitalministerium mit Jarzombek als Parlamentarischen Staatssekretär…

Eine zen­tra­le Rolle spiel­te Jarzombek bei der Gründung des Bundesverband Künstliche Intelligenz – zumin­dest indi­rekt. Verbandspräsident Jörg Bienert berich­te­te, Jarzombek habe ihm gera­ten, einen eige­nen Verband zu grün­den, wenn er Anliegen an die Politik her­an­tra­gen wol­le: „Das war gewis­ser­ma­ßen der Trigger für die Gründung des KI-Verbands.“

Games-Förderin mit Amigo-Vergangenheit:
Dorothee Bär (CSU) – Ministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt

Die CSU-Politikerin geriet mehr­fach wegen mög­li­cher Interessenkonflikte und Vorwürfen der Vetternwirtschaft in die Schlagzeilen. Von 2007 bis 2009 beschäf­tig­te Bär einen Mitarbeiter der Münchner Lobbyagentur Concilius in ihrem Bundestagsbüro. Später erklär­te sie, sich nicht mehr „zwei­fels­frei“ erin­nern zu kön­nen, ob die­ser sei­ne Tätigkeit für die Agentur ihr gegen­über offen­ge­legt habe…

Im Jahr 2016 gab Bär als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium eine indi­rek­te Kaufempfehlung für einen Geländewagen der VW-Tochter Skoda. Für die „Bild am Sonntag“ teste­te sie das Auto und lob­te es mit den Worten, das Preis-Leistungs-Verhältnis sei „der Hammer“. 

Als Bundesministerin wird Bär künf­tig unter ande­rem für Raumfahrt zustän­dig sein. Die baye­ri­sche Raumfahrtindustrie dürf­te gro­ße Hoffnungen in die CSU-Politikerin set­zen. Bayern ver­folgt mit „Bavaria One“ ein eige­nes Raumfahrtf­örder­programm, zuletzt gelang dem von der Landesregierung geför­der­ten Unternehmen Isar Aerospace ein Raketenstart in Norwegen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat ange­kün­digt, Milliarden aus dem Sondervermögen des Bundes in die Raumfahrt stecken zu wollen.

Auf Wohlwollen stieß Bärs Ernennung in der Videospiel­wirtschaft. Der Branchenverband Game freu­te sich, dass nun eine Politikerin das Ministerium über­neh­me, die sich in der Vergangenheit “mit gro­ßem Engagement” für die Branche ein­ge­setzt habe…

Türöffner für US-Startup:
Philipp Amthor (CDU) – Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung

Kaum war Philipp Amthor in den Bundestag gewählt, mach­te ihn eine Lobbyaffäre bun­des­weit bekannt. 

2018 ver­mit­tel­te der CDU-Abgeordnete dem kurz zuvor gegrün­de­ten New Yorker Start-up Augustus Intelligence einen Termin im Bundeswirtschaftsministerium. Nachzulesen ist das in einem ver­trau­li­chen Brief, den abge​ord​ne​ten​watch​.de spä­ter ver­öf­fent­lich­te

Im Zuge der Koalitionsverhandlungen 2025 zwi­schen Union und SPD setz­te sich Amthor für eine Abschaffung des Informations­freiheitsgesetzes (IFG) in sei­ner „bis­he­ri­gen Form“ ein…

Im Konflikt mit dem EU-Recht:
Alexander Dobrindt (CSU) – Innenminister

Dobrindt ist einer der weni­gen Kabinettsmitglieder mit Minister­erfahrung. Von 2013 bis 2017 lei­te­te er das Bundesverkehrs­ministerium – in der Zeit, als der soge­nann­te VW-Abgasskandal ans Licht kam.

Damals wur­de bekannt, dass Hersteller wie Volkswagen ille­ga­le Abschalteinrichtungen in Diesel-Fahrzeuge ein­ge­baut hat­ten, um Abgaswerte zu mani­pu­lie­ren. Der Skandal war nicht nur ein mas­si­ver Vertrauensbruch gegen­über Verbraucher:innen, son­dern auch ein kla­rer Verstoß gegen EU-Recht. Dobrindt schlug spä­ter vor, genau jene Richtlinie zu ändern – was den ursprüng­li­chen Rechtsverstoß nach­träg­lich lega­li­siert hätte…

Als Alexander Dobrindt 2013 unter Angela Merkel Verkehrs­minister wur­de, mach­te er sich umge­hend an ein zen­tra­les Wahlkampfversprechen der CSU: die soge­nann­te „Ausländer-Maut“. Deutsche Autofahrer:innen soll­ten ver­schont blei­ben, zah­len soll­ten nur Fahrer:innen aus dem Ausland – ein Modell, das gegen EU-Recht ver­stieß. Das Ergebnis: Das Projekt schei­ter­te vor dem Europäischen Gerichtshof und koste­te den Staat am Ende hun­der­te Millionen Euro an Schadensersatz.

Als Innenminister wird Dobrindt unter ande­rem mit dem Thema Migration befasst sein. Der CSU-Politiker hat bereits ange­kün­digt, umge­hend eine Weisung für “mehr Grenzkontrollen und mehr Zurückweisungen” zu ertei­len und damit eine Wahlkampfforderung sei­ner Partei umzu­set­zen. Das Vorhaben könn­te erneut in Konflikt mit EU-Recht geraten.

Im Einsatz für die Rüstungslobby:
Florian Hahn (CSU) – Staatsminister im Auswärtigen Amt (Zuständigkeit: Sicherheitspolitik)

Der CSU-Verteidigungspolitiker mach­te in der Vergangenheit wie­der­holt wegen sei­ner Nähe zur Rüstungsindustrie und zu Lobbyorganisationen von sich reden.

Als Mitglied des Verteidigungsausschusses setz­te sich Hahn 2016 für Rüstungsprojekte ein, von denen die Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH (IABG) aus sei­nem Wahlkreis pro­fi­tier­te. Gleichzeitig war er bis 2017 Aufsichtsratsmitglied der IABG und erhielt dafür bis zu 30.000 Euro jähr­lich. Den Vorwurf eines Interessenkonflikts wies er zurück.

Angesichts sei­ner lang­jäh­ri­gen Verbindungen zur Rüstungs- und Verteidigungsbranche stellt sich auch mit Blick auf sein neu­es Regierungsamt die Frage nach mög­li­chen Interessenkonflikten. Hahn war in Gremien ver­schie­de­ner Unternehmen und Organisationen aktiv, dar­un­ter beim Drohnenhersteller Quantum-Systems und bei der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik. Derzeit ist er Vizepräsident der Interessengemeinschaft Deutsche Luftwaffe, einem Verband mit zahl­rei­chen Rüstungskonzernen als Mitgliedern…«

4 Antworten auf „Das Kabinett des Kapitals“

  1. Solche Verflechtungen hat schon Karl Liebknecht ange­pran­gert. Und heu­te glau­ben Millionen Deutsche daß Wuchermieten, Migration, Krieg und Frieden, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Hunger usw. Ergebnisse irgend­wel­cher Wahlen seien.

  2. Die Verflechtungen über Juristen wären sicher­lich min­de­stens genau­so span­nend. Vor allem der Austausch von Personen zwi­schen den Staatsanwaltschaften, Gerichten, Justizministerien, Anwaltskanzleien, Bundestag, Landtagen, Zentralbanken, Institutionen natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Bedeutung, Medien und Konzernen zeigt, wer die Triebtäter des Regimes sind, was ihre Aufträge sind und noch vie­les mehr.

  3. Danke für die über­sicht­li­che Zusammenfassung der Zusammensetzung des Kabinett des Grauens. Ein wah­res Panoptikum der neo­li­be­ra­len, rus­so­pho­ben, migra­ti­ons­feind­li­chen und krie­ge­ri­schen neo­li­be­ra­len Ideologie. Hier kann sicher­lich noch eini­ges an wei­te­ren, ver­gleich­ba­ren Eigenschaften genannt wer­den. Eine Besetzung mit Personen, die die­sen "beruf­li­chen" Hintergrund und die Verbindungen haben und den o.g. Anliegen frö­nen, war doch schon lan­ge vor der Wahl zu erwar­ten. Es wird von Regierung zu Regierung extremer. 

    Am besten beob­ach­tet sich die­ses neo­li­be­ra­le Panoptikum aus der Ferne. Vor allem, wenn der Taurus fliegt und Marschflugkörper und Raketen sta­tio­niert sind und die Rechnung für die Kriegstauglichkeit begli­chen wer­den muss. Allerdings nicht von Gaza aus, da die deut­sche Staatsräson es erfor­dert, dort Nulldiät bis zum Ableben durch sel­bi­ge oder deut­sche oder US-Rüstungsgüter zu erleiden. 

    Von deut­schem Boden soll Frieden aus­ge­hen. Deutschland ist ein demo­kra­ti­scher und sozia­ler Bundesstaat. Die Würde des Menschen ist unantastbar.

    1. > Deutschland ist ein demo­kra­ti­scher und sozia­ler Bundesstaat.

      Nein. War die BRD noch nie. Der BRD-Staat war schon immer von pri­va­ten Interessen, vom Kapital bestimmt.

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