Ein Hauch von Weimar

Der "FAZ"-Redakteur freut sich halb tot, daß die Bundeswehr in Kürze über die "gemein­ste Waffe auf dem Schlachtfeld" ver­fü­gen wird, führt die­sen Vorgang aber nicht zu Ende.

faz​.net (9.4.25)

»Die Bundeswehr wird Hunderte bewaff­ne­te Drohnen anschaf­fen und sich Produktionskapazitäten für Tausende sol­cher Fluggeräte sichern. Das hat das Verteidigungsministerium vori­ge Woche bekannt gemacht. Die Militärs wol­len damit eine Bewaffnungslücke schlie­ßen, die seit Jahren klafft…

Die Bundeswehr ist seit Jahren im Hintertreffen, weil die Politik, ins­be­son­de­re die SPD, ihr Kampfdrohnen ver­wei­gert hat.«

Für die­sen Vaterlandsverrat wird nament­lich eine Person ver­ant­wort­lich gemacht:

»Niemand hat deren Anschaffung mehr bekämpft als der lang­jäh­ri­ge SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich. Über Jahre hat der beken­nen­de Pazifist Drohnen-Befürworter in der eige­nen Partei nie­der­ge­hal­ten und vier Verteidigungsminister von Ursula von der Leyen (CDU) bis Boris Pistorius (SPD) mit immer neu­en Einwänden, Arbeitsgruppen und angeb­li­chem Diskussionsbedarf ausgebremst…

Es ist viel­leicht kein Zufall, dass die Entscheidung zur sofor­ti­gen Anschaffung bewaff­ne­ter Drohnen jetzt fällt, drei Wochen nach­dem Mützenich sein Amt ver­lo­ren hat…

Als dann 2021 der ver­tei­di­gungs­po­li­ti­sche Sprecher der SPD-Fraktion, Fritz Felgentreu, alle Voraussetzungen erfüllt sah, inter­ve­nier­ten Mützenich und der Parteichef Norbert Walter-Borjans. Felgentreu trat zurück. Die CDU sprach von „Verrat an unse­rer Truppe“, unter­nahm aber auch nichts wei­ter. Dabei galt längst, was deut­sche Generäle nun erst­mals laut sagen: „Es han­delt sich um ein Mengenverbrauchsgut mit hoher Innovations­geschwindigkeit.“…«

Der so spricht, hat nicht "gedient", son­dern "den Zivildienst an einer Schule für Körperbehinderte" absol­viert (faz​.net). Offensichtlich ist er den­noch gänz­lich unemp­fäng­lich für das uner­meß­li­che Leid, das durch Drohnen auch für die Zivilbevölkerung ent­steht. Das gilt glei­cher­ma­ßen für rus­si­sche wie für ukra­ni­sche ("Allein die Ukraine hat nach eige­nen Angaben im Kampf gegen Russland mehr als eine Million klei­ne und gro­ße Drohnen pro­du­ziert. Mehr als 10.000 Drohnen wür­den pro Monat ein­ge­setzt, hieß es schon 2023"). Es gilt für die per­ma­nent im Gazastreifen ein­ge­setz­ten Fluggeräte wie für die US-Drohnen, mit denen auch von demo­kra­ti­schen Präsidenten geziel­te Morde an isla­mi­sti­schen Funktionären, aber auch TeilnehmerInnen von Hochzeitsgesellschaften began­gen wur­den. Julian Assange wur­de für den Beweis die­ser Verbrechen jah­re­lang ver­folgt und psy­chisch gefol­tert. Edward Snowden erging es kaum bes­ser. Nachdem west­li­che Länder, auch die BRD, sei­ne Asylanträge abge­lehnt hat­ten, blieb ihm nur das Exil aus­ge­rech­net in Rußland.

Davon will Carstens nichts wis­sen. Ihn freut vielmehr:

»Immerhin haben Generalinspekteur Carsten Breuer und der geschäfts­füh­ren­de Verteidigungsminister Pistorius nun end­lich einen Weg eröff­net, damit die Soldaten der Bundeswehr sich der inzwi­schen gemein­sten Waffe auf dem Schlachtfeld bedie­nen und erweh­ren können.«

Der Schatten von Weimar

Im Juni 1922 wur­de der dama­li­ge libe­ral-kon­ser­va­ti­ve Außenminister Walther Rathenau von Rechtsradikalen ermor­det, übri­gens weni­ge Kilometer von unse­rer Wohnung ent­fernt. Vorausgegangen war dem eine bei­spiel- und gna­den­lo­se Hetzkampagne gegen den "Erfüllungspolitiker". Nach dem ver­lo­re­nen 1. Weltkrieg, an dem der Aufsichtsratsvorsitzende der AEG mit ihrer Rüstungsproduktion füh­rend betei­ligt war, setz­te er alles dar­an, die Reparationsleistungen Deutschlands zu mini­mie­ren. Bei den Westmächten biss er auf Granit, ledig­lich mit der jun­gen Sowjetunion gelang ihm ein Sonderabkommen. Das war das Schlimmste, was er aus reak­tio­nä­rer Sicht über­haupt tun konn­te. Nicht nur, daß es zäh­ne­knir­schend die Niederlage akzep­tier­te, wur­de ihm zum Verhängnis. Vor allem die im wohl­ver­stan­de­nen Interesse der deut­schen Industrie lie­gen­de Kooperation mit den rus­si­schen und ukra­ni­ni­schen Bolschewiken wur­de ihm zum Verhängnis.

Natürlich ist Berlin nicht Weimar. Politische Morde wur­den in den letz­ten Jahren von der extre­men Rechten ver­übt, aber vom bür­ger­li­chen Mainstream nicht gou­tiert. Niemand, auch Carstens nicht, for­dert die phy­si­sche Kaltstellung Mützenichs. Besorgniserregend in einer zuneh­mend mili­ta­ri­stisch auf­ge­heiz­ten Stimmung ist aller­dings, daß recht ähn­lich wie vor 100 Jahren Menschen als "Lumpenpazifisten" denun­ziert wer­den oder wie Mützenich in einen Zusammenhang zum "Verrat an unse­rer Truppe" gebracht wer­den. Dabei ist nichts fal­scher, als den SPD-Funktionär des Pazifismus zu bezich­ti­gen. Wenn er mit­un­ter auch etwas unmi­li­ta­ri­stisch geblinkt hat, so war er einer der­je­ni­gen, die die "Zeitenwende" mit­ge­tra­gen und popu­la­ri­siert haben. So wenig wie Rathenau ist Mützenich ein Friedenskämpfer. Wieder aber reicht es, die Russen nicht per­ma­nent zu dämo­ni­sie­ren, um ins kon­ser­va­ti­ve Visier zu gera­ten. Doch wie in den 20-er Jahren und davor hin­dert das die SPD nicht, mit jenen ins Regierungsbett zu stei­gen, die ihre eige­nen Funktionäre diffamieren.

6 Antworten auf „Ein Hauch von Weimar“

  1. Deutschland hat die Zahlung von Reparationen ein­fach ein­ge­stellt und damit die Besetzung von Saarland und Rheinland durch fran­zö­si­sche Truppen pro­vo­ziert, die da bis 1930 blie­ben. Griechenland war­tet bis heu­te auf die Zahlung von Reparationen.

    Was Rathenau betrifft: Im 1922 abge­schlos­se­nen Rapallo-Vertrag ging es um weit mehr als nur um einen gegen­sei­ti­gen Verzicht auf Reparationszahlungen. Hauptsächlich ging es der SPD-geführ­ten Reaktion um die Beseitigung der Weimarer Republik. Nachdem 1920 der Kapp-Putsch infol­ge eines Generalstreiks schei­ter­te, war klar daß die Errichtung einer faschi­sti­schen Diktatur nur mit finan­zi­el­ler und indu­stri­el­ler Unterstützung sei­tens der USA erfolg­reich sein kann. Und die­se Unterstützung kam 1924 in Gestalt des Dawesplan. Mit Millionen die­ser FED-Anleihe und aus den Fonds von General Motors die eben­falls um die­se Zeit nach Deutschland kamen, wur­de schließ­lich der deut­sche Faschismus finan­ziert. Hitler schrieb "Mein Kampf" um von all­dem abzu­len­ken und erklär­te gar das Deutsche Volk für kreditunwürdig.

    Rathenau war nicht der Einzige. Tausende Widerstandskämpfer wur­den in den "Goldenen Zwanzigern" ermordet.

  2. Und wenn sie Sozialdemokraten irgend­wann wie­der im KZ sit­zen, sti­li­sie­ren sie sich zu Freiheitskämpfern, und jam­mern bit­te­re Tränen über die Faschisten, denen sie mit ihrer Anbiederung an kon­ser­va­ti­ve Politik den Weg zur Macht geeb­net haben.

    1. @isnixgut

      Genau! Und Millionen Menschen glau­ben bis heu­te, daß Sozialdemokraten was mit Sozial und Demokratie zu tun haben.

  3. Es fällt öfters die Aussage, dass frü­her alles bes­ser war. Das stimmt lei­der so nicht. Dies beruht auf einem sub­jek­ti­ven Empfinden und bezieht sich meist auf die eige­ne Kindheit. In die­ser Zeit war man "unschul­dig" und weit­ge­hend frei von Sorgen zumin­dest die die Erwachsenen plag­ten. In der Tat war frü­her eini­ges bes­ser, aber ande­res war auch deut­lich schlech­ter. Den besten Zeitraum gibt es schlicht­weg nicht…

    Die Menschheit ist in den letz­ten Jahrhunderten auch nicht intel­li­gen­ter gewor­den – zumin­dest nicht hin­sicht­lich der empa­thi­schen Intelligenz…

    Viele Grüße
    Walter aka Der Ösi

  4. Warten wir noch eini­ge Jahre, dann sind auch die letz­ten Zeugen /​Kriegskinder weg­ge­stor­ben. Dann kön­nen sie auch nicht, wie heu­te in der DLF Lebenszeit, mit 91 Jahren zum Hörer grei­fen und an die Kriegsjahre erin­nern und das heu­ti­ge Kriegsgeschrei beklagen.
    ab min. 1.01. Leider https://​www​.deutsch​land​funk​.de/​l​a​e​r​m​v​e​r​s​c​h​m​u​t​z​u​n​g​-​w​o​-​f​i​n​d​e​n​-​w​i​r​-​s​t​i​l​l​e​-​1​0​0​.​h​tml (Logischerweise?) geht die Moderatorin nicht auf das Gesagte ein. Husch husch…über Maschinengewehr und Bombenlärm, oder auch nur der Lärm der Kampfjets, Hubschrauber etc. soll es nicht gehen. Das muß halt sein. Krieg muß geübt wer­den. Mal abge­se­hen davon, daß nur der Tod die Stille bringt.

  5. Pace
    @theotherphilipp
    Apr 10
    Die ersten Autos, die VW in Serie bau­te, waren Kübelwagen für den Krieg
    und falls Potz-Fritz und sei­ne Rasselbande von Bürokraten ihr Koalitionsgeschwurbel ernst meinen,
    wird es denn auch das Letzte sein, was da vom Band rollt.

    https://nitter.net/pic/media%2FGoK1ObuWEAAF4ZY.jpg%3Fname%3Dsmall%26format%3Dwebp

    Apr 10, 2025 · 11:23 AM UTC
    https://​nit​ter​.net/​t​h​e​o​t​h​e​r​p​h​i​l​i​p​p​/​s​t​a​t​u​s​/​1​9​1​0​2​9​2​6​3​0​4​2​6​0​2​6​2​8​0#m

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