Tödliche Viren aus australischem Labor verschwunden. Alles halb so wild

Die ursprüng­li­che Überschrift "Bioterror? Das ergibt kei­nen Sinn!" erschien der "Süddeutschen Zeitung" dann wohl doch zu hei­kel. Stephan Becker hat gute Gründe, den Vorfall herunterzuspielen.

sued​deut​sche​.de (18.12.24, Bezahlschranke)

Christina Berndt plau­dert mit dem Chef des Hochsicherheitslabors der Universität Marburg, "wo mit den aller­ge­fähr­lich­sten Erregern gear­bei­tet wird":

Haben Sie sie noch alle?

»… Auch Becker staun­te nicht schlecht, als er von den ver­schwun­de­nen Viren aus Australien las.

SZ: Wie Ihre Kollegen in Australien arbei­ten auch Sie in einem Hochsicherheitslabor mit furcht­bar gefähr­li­chen Viren. Sind Ihre Viren alle noch da?

Stephan Becker: Oh ja, da bin ich mir sicher. Wir füh­ren akri­bisch Buch über unse­re Viren. Das Labor ver­las­sen sie nur, wenn sie zuvor im Autoklav unschäd­lich gemacht wur­den, also in einer Art pro­fes­sio­nel­lem Schnellkochtopf, bei hohem Druck und hoher Temperatur. Und wenn wir mal eine nicht unschäd­lich gemach­te Probe an ein ande­res Labor ver­schicken, das damit for­schen will, wird alles sehr genau über­prüft: Zwei Mitarbeitende müs­sen den Versand über­wa­chen, die Viren wer­den mit einem spe­zi­el­len Kurier auf den Weg gebracht. Bei uns ist es defi­ni­tiv noch nie pas­siert, dass Viren ein­fach ver­schwun­den sind.«

Gut, daß der Transport hoch­ge­fähr­li­cher Viren inzwi­schen anders ver­läuft als 2003. Wir erin­nern uns: Auf dem Rückweg von der sams­täg­li­chen Verteidigung sei­ner Doktorarbeit in Frankfurt (las­sen wir das mal so ste­hen) stecken Kollegen Christian Drosten Virenmaterial eines SARS-infi­zier­ten Menschen zu. In sei­nem Auto kut­schiert er "die unheim­li­che Fracht" nach Hamburg. 2020 schil­der­te er den Vorgang so:

»Ich muss­te sowie­so nach Frankfurt, um mei­ne Doktorarbeit zu ver­tei­di­gen. (…) Und dann habe ich ein­fach ein Fläschchen mit Vero-Zellen mit zurück­ge­nom­men, in mei­nem Auto. (Lacht.) Dafür kann ich jetzt nicht mehr ver­haf­tet wer­den. Es ist zu lan­ge her. (Lacht erneut.)«

Mehr zu den Hintergründen hier.

Zurück zur "SZ". Weil also, offen­bar anders als bei den Kollegen in Australien, hier­zu­lan­de akri­bisch Buch geführt wird, kann bei uns nichts pas­sie­ren. In Down Under war man wohl ein wenig schlam­pig, erzählt Becker:

»Offenbar war ein Gefrierschrank, in dem die Viren lager­ten, zuvor kaputt­ge­gan­gen. Das hört sich für mich danach an, dass die tief­ge­fro­re­nen Proben dadurch auf­ge­taut sind und im Anschluss ver­nich­tet wur­den. Mit auf­ge­tau­ten Proben kann man nichts mehr anfan­gen, die Viren sind zer­stört. Wahrscheinlich hat nur jemand ver­ges­sen, die Proben aus den Listen aus­zu­tra­gen. Deshalb feh­len sie jetzt…

Nehmen wir mal an, Ihre These von der ver­säum­ten Viren-Buchhaltung stimm­te nicht. Könnte auch jemand sol­che Proben mit nach Hause genom­men haben?

Dass jemand von außen das macht, ist höchst unwahr­schein­lich. Aber ein Mitarbeiter könn­te das theo­re­tisch schon tun – auch wenn es bei uns sehr vie­le Regeln und Sicherheitsvorkehrungen gibt…

Wäre es nicht auch mög­lich, dass ein Mitarbeiter ganz kühl einen Biowaffenanschlag plant und dafür gefähr­li­che Erreger braucht?

Ich hal­te das für sehr unwahr­schein­lich. Wir ken­nen unse­re Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon seit Jahren, wenn sie in das Labor ein­ge­ar­bei­tet wer­den. Außerdem ist der­je­ni­ge, der mit sol­chen Viren außer­halb eines Hochsicherheitslabors han­tiert, selbst in der größ­ten Gefahr. Insofern kann man sich nur vor­stel­len, dass jemand sol­che Viren mit­nimmt, der sich gera­de in einer psy­chi­schen Ausnahmesituation befin­det. Aber Bioterror? Das ergibt für mich kei­nen Sinn…

Sind denn jemals Viren aus einem Forschungslabor her­aus­ge­langt? Vor ein paar Jahren wur­de mal befürch­tet, dass sich eine Wissenschaftlerin in Hamburg beim Stich mit einer Nadel mit Ebola infi­ziert haben könnte.

So etwas kann theo­re­tisch pas­sie­ren. Allerdings herr­schen sehr stren­ge Sicherheitsvorschriften bei der Arbeit mit sol­chen gefähr­li­chen Viren. Zum Beispiel muss man immer drei Paar Handschuhe über­ein­an­der tra­gen. In Hamburg ist es letzt­lich auch gut aus­ge­gan­gen. Die Person hat­te sich nicht infi­ziert…«

Es ist schon erstaun­lich. Noch nicht lan­ge ist es her, daß in einer Bundeswehrkaserne ein Wasserhahn klemm­te und die Medien voll waren mit Warnungen, dahin­ter stecke bestimmt ein rus­si­scher Anschlag (sie­he Da kann doch nur der Russe hin­ter stecken). Nun sind nach­weis­lich über 300 Proben hoch­ge­fähr­li­cher Viren ver­schwun­den, und der Experte wie­gelt ab. Eine Erklärung dafür ist hier nachzulesen:

Viren-Bäcker bekommt neu­es Hochsicherheitslabor in Marburg für mehr als 40 Millionen Euro

Auch hier kommt Becker vor:

Was inter­es­siert Timo Ulrichs an bio­lo­gi­schen Waffen?

Und hier auch:

Drosten will, daß wir die Risiken sei­ner Gain-of-Function-Forschung aushalten

Mehr als ein Jahr lang vertuscht?

Im Interview wer­den kei­ne Daten genannt. Die zitier­te Pressemitteilung der Regierung von Queensland vom 9.12.24 besagt:

»…

      • Die Untersuchung wird einen schwer­wie­gen­den histo­ri­schen Verstoß gegen die Biosicherheitsprotokolle im Public Health Virology Laboratory in Queensland unter­su­chen, bei dem Ampullen mit infek­tiö­sen Viren unauf­find­bar waren.
      • Zu den feh­len­den Ampullen gehö­ren das Hendra-Virus, das Lyssavirus und das Hantavirus.
      • Die Verstöße wur­den im August 2023 entdeckt…

Das Labor bie­tet lan­des­weit spe­zia­li­sier­te Diagnose­dienst­leistungen, Überwachung und Forschung für Viren und durch Mücken und Zecken über­tra­ge­ne Krankheitserreger von medi­zi­ni­scher Bedeutung an.

Proben des Hendra-Virus, des Lyssavirus und des Hantavirus wer­den ver­misst und wur­den im August 2023 bei einem schwer­wie­gen­den Verstoß gegen die Biosicherheitskontrollen als abhan­den­ge­kom­men gemeldet…

„Angesichts eines so schwer­wie­gen­den Verstoßes gegen die Biosicherheitsprotokolle und des poten­zi­el­len Verlusts infek­tiö­ser Virusproben muss Queensland Health unter­su­chen, was pas­siert ist und wie sich ein sol­cher Vorfall in Zukunft ver­hin­dern lässt“, sag­te Minister Nicholls…«
state​ments​.qld​.gov​.au (9.12.24)

Auf oe24​.at wird am 12.12.24 sogar berich­tet: "Wie der Gesundheits­minister des Bundesstaats Queensland nun öffent­lich bestä­tig­te, ereig­ne­te sich der Vorfall bereits 2021, wur­de aber erst zwei Jahre spä­ter intern bemerkt."

3 Antworten auf „Tödliche Viren aus australischem Labor verschwunden. Alles halb so wild“

  1. Und wie­der eine Meldung die geeig­net ist, Angst und Schrecken aus­zu­lö­sen. Die Viren braucht man da gar nicht, es genügt die Behauptung.

  2. Die Welt ver­liert nichts! Meine Vermutung, die Wirtschaften wer­den es wie­der unter die Leute brin­gen. Die Wege der Herren*Innen sind unergründlich.

    — Weg ist Da! —

    Im übri­gen spei­chert das Netz die Überkapazitäten. Fuerchtet euch nicht!

    Das Weg ist de'r Ziel? [Fragetseichen]

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