Vergessenes Wissen von vor vier Jahren

Am 8.12.20 war auf dem unver­däch­ti­gen Portal "Arzt & Wissenschaft" zu lesen:

»Die Impfstoffe sind zu min­de­stens 90 Prozent wirk­sam. Das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung erklärt, war­um die mei­sten Menschen die Aussage lei­der falsch ver­ste­hen und des­halb fal­sche Aussagen zur Wirksamkeit von Corona-Impfstoffen ver­brei­tet werden.

Der media­le Jubel war groß, als BioNTech und Pfizer mel­de­ten, dass ihr Impfstoff gegen Covid-19 „zu 90 % wirk­sam“ sei. Inzwischen haben sie und ande­re Hersteller sogar nach­ge­legt und berich­ten, dass die Wirksamkeit gar bei bis zu 95 % lie­ge. Das sind alles erfreu­li­che Ergebnisse. Aber was bedeu­tet „zu 90 % wirk­sam“ in Zusammenhang mit Impfstoffen eigent­lich genau?

Bei wie vielen Menschen wirkt der Impfstoff?

In ver­schie­de­nen Medien, dar­un­ter im Bayerischen Rundfunk und der „Berliner Zeitung“, wur­de das so erklärt: „Das heißt, 9 von 10 Menschen kön­nen durch die Impfung vor einer Infektion geschützt wer­den.“ Demnach wäre der Impfstoff bei 90 % aller Menschen, die sich imp­fen las­sen, wirksam.

Aber stimmt das? Bedauerlicherweise nein…«

Am Beispiel der Pfizer-Zulassungsstudie mit zehn­tau­sen­den TeilnehmerInnen wird die Berechnung erklärt. 8 Fälle in der Impfgruppe ste­hen gegen 86 in der Placebogruppe.

»Relative und keine absolute Risikoreduktion

Die Formulierung „zu 90 % wirk­sam“ bezieht sich also nicht auf 9 von 10 Menschen, die zur Impfung gehen, und auch nicht auf alle Teilnehmer der Studie oder alle Menschen, die sich in Deutschland imp­fen las­sen. Sie ist eine rela­ti­ve Risikoreduktion, die sich auf die Zahl der Infizierten bezieht, aber kei­ne abso­lu­te Reduktion, die sich auf alle Geimpften bezieht.

Wirksamkeit der Grippeschutzimpfung

Der Unterschied zwi­schen rela­ti­ver und abso­lu­ter Risikoreduktion ist für vie­le Menschen schwer zu ver­ste­hen. Er wird viel­leicht am Beispiel der Grippeschutzimpfung für Menschen zwi­schen 16 und 65 Jahren noch­mals kla­rer. In einer Saison mit gerin­ger Verbreitung des Grippevirus liegt die Wirksamkeit der Grippeschutzimpfung etwa bei 50 %. Diese Zahl bedeu­tet aber nicht, dass 5 von 10 Geimpften vor der Grippe geschützt sind. Sie bedeu­tet, dass von je 100 Personen ohne Impfung zwei eine bestä­tig­te Influenzainfektion beka­men, und von je 100 Personen mit Impfung nur eine (s. dazu auch die Informationen des Harding-Zentrum für Risikokompetenz)…«


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4 Antworten auf „Vergessenes Wissen von vor vier Jahren“

  1. Nur damit das mal klar ist:
    Die Wirksamkeit jed­wel­cher Impfstoffe inter­es­siert die Produzenten nicht im Geringsten. Und auch nicht den Staat und die­je­ni­gen die damit Handel treiben.

  2. Eine Variante der Aufklärung mit­tels *eigent­lich* tri­via­ler Erklärung, die trotz­dem (angeb­lich) "für vie­le Menschen schwer zu ver­ste­hen [ist]" begeg­ne­te mir die­ser Tage bei der halb­stün­di­gen Quer-Lektüre eines Buchladenhüters: das Magnum Opus ("Freiheit") einer der Hauptverantwortlichen für den wesent­lich schwe­rer zu ver­ste­hen­den "Corona-Maßnahmen"-Wahnsinn:
    Nach einer guten Seite der Auflistung sämt­li­cher von ihrem Regime (völ­lig unwis­sen­schaft­lich) ver­häng­ten "Maßnahmen", für die sie davor(!) jeden, der ihr das pro­phe­zeit hät­te, subi­to "für ver­rückt erklärt" hät­te folgt dann (plötz­lich und uner­war­tet) das "expo­nen­ti­el­le Wachstum", das die doo­fen (alle, OK, außer viel­leicht Södi und Kretsche) MPs (m/​w/​d) par­tout nicht ver­ste­hen (und dann gehor­chen) wollten.
    Nicht mal die tol­len Modellrechnungen, für die der wacke­re Meyer-Herr-Mann extra sei­ne Herbstferien geop­fert hat­te (und die mit "Wissenschaft" nur am Rande etwas zu tun hat­ten: bissl kor­rekt ange­wand­te Mathematik, aber wenn die Parameter sämt­lich auf Annahmen beruh­ten, die "mit dem Wissen von damals" – also seit April 2020 – bereits den Kampf mit der Realität (jen­seits anek­do­ti­scher Interviews, vir­tu­el­ler Weltuntergangsmessen mit schreck­li­chen Bildern aus Intensivstationen) längst ver­lo­ren hatten
    https://​www​.inten​siv​re​gi​ster​.de/​#​/​a​k​t​u​e​l​l​e​-​l​a​g​e​/​z​e​i​t​r​e​i​hen
    und nur noch durch öffent­li­che Glaubensbekenntnisse, Hasspredigten gegen Ketzer und die Hoffnung auf den "Impf"-Messias zusam­men­ge­hal­ten wurde.

    Die "Notbremse" hat sie trotz­dem hel­denin­nen­haft durchgeboxt.
    Schade, dass "Arzt und Wissenschaft" damals ein­fach das Handtuch warfen … .

  3. Und noch einen oben drauf! Wenn ich mich rich­tig ent­sin­ne sind das "nur" die Angaben des Herstellers selbst. Und zum letz­te­ren Beispiel, da wird's extrem deut­lich: 1/​100 und 2/​100 könn­ten auch der rei­ne Zufall sein, und nicht eben 50%.

    Und zwei Punkte zu den Versagern. Wie hoch ist die Impferkranktenrate. Und war­um gibt es dazu kei­ne brauch­ba­ren Studien.
    Meine ganz boe­se Vermutung: Vermutlich war­tet man bis der Hersteller die Erkrankungs- gar Todesraten ermit­teln lässt. Da war­ten wir bis zum jüng­sten Gericht, auch wenn das moeg­li­cher­wei­se in den letz­ten vier Jahre expo­nen­ti­ell, even­tu­ell, moeg­li­cher­wei­se nae­her gerueckt sein koenn­te. Wohl bekomm's beim Tee trin­ken. (und abwarten)

    Und last but not least. Wenn man nun, gemes­sen am letz­ten Beispiel, einen von Hundert bewah­ren kann, heisst das noch lan­ge nicht dass das dann aus­ge­rech­net der­je­ni­ge gewe­sen sein wird, wel­cher einen "Schweren Verlauf" hät­te bekom­men kön­nen. Da muss man – glau­be ich ja nur – die pro­zen­tua­le Eventualität (wie hoch eigent­lich?) – noch­mal mit drauf rech­nen. Eng wird's, ne?

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