BGH bestätigt Strafe für Weimarer Familienrichter

Nicht alle Medien berich­ten schon in der Überschrift so vor­ein­ge­nom­men und wenig jour­na­li­stisch wie die "taz":

taz​.de (29.11.24)

Doch auch die "Tagesschau" schafft es nicht, sach­lich zu informieren:

»Weil ein Familienrichter aus Weimar die Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen für falsch hielt, such­te er gezielt nach einem pas­sen­den Fall und geneig­ten Gutachtern für eine ent­spre­chen­de Entscheidung – und beging so Rechtsbeugung…

Er hat­te es zwei Schulen in sei­nem Gerichtsbezirk unter­sagt, Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Virus gegen­über den Schülerinnen und Schülern durch­zu­set­zen: Mindestabstände, Masken- und Testpflicht soll­ten für sie nicht mehr gelten.Aber: Für eine sol­che Entscheidung war er als Familienrichter über­haupt nicht zustän­dig… Um einen ent­spre­chen­den Beschluss erlas­sen zu kön­nen, such­te der Mann einen "pas­sen­den" Fall…

Und über sei­ne pri­va­te E‑Mail-Adresse hat­te er Kontakt zu Gutachtern auf­ge­nom­men, die bereits als maß­nah­men­kri­tisch gal­ten, noch bevor es über­haupt ein Verfahren gab. Als alles aus Sicht des Richters "pass­te" ver­kün­de­te er im April 2021 dann sei­nen Beschluss. Die Entscheidung wur­de von Kritikern der Corona-Maßnahmen beju­belt. Juristen in ganz Deutschland aber waren – gelin­de gesagt – verwundert…

Entscheidung hat­te kei­nen Bestand

Dieser Beschluss aus Weimar hat­te in der höhe­ren Instanz auch kei­nen Bestand. Aber mehr noch: Das Landgericht Erfurt ver­ur­teil­te den Familienrichter zudem wegen Rechtsbeugung. Zwei Jahre Freiheitsstrafe, aus­ge­setzt zur Bewährung, gab es. Weil der Mann das ihm über­tra­ge­ne – und eigent­lich neu­tral aus­zu­üben­de – Richteramt ziel­ge­rich­tet miss­braucht habe. Nun hat das höch­ste deut­sche Strafgericht, der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, die­se straf­recht­li­che Verurteilung bestätigt…

"Die Neutralität der Richter ist für den Rechtsstaat und das Vertrauen der Bürger in des­sen Bestand von her­aus­ra­gen­der Bedeutung. In sei­ner kon­kre­ten Ausprägung war der Verstoß gegen die Neutralitätspflicht hier mas­siv" sag­te Eva Menges, die Vorsitzende Richterin des zwei­ten Strafsenats am BGH…

Der nun rechts­kräf­tig ver­ur­teil­te Familienrichter aus Weimar woll­te sich nach der Urteilsverkündung nicht äußern. Sein Richteramt und den Anspruch auf eine Pension hat der 61-Jährige verloren.«

Das Reden von der "Neutralität der Richter" ist in einer Klassengesellschaft immer ver­schlei­ernd. Erst recht trifft das auf Prozesse mit poli­ti­schen Implikationen zu. Die Entscheidung aus Weimar war natür­lich eine poli­ti­sche, die Reaktion des Staates eine eben­sol­che. Am län­ge­ren Hebel sit­zen in der Regel dann die­je­ni­gen, die die Macht aus­üben. Wikipedia sagt:

»In sei­ner Eigenschaft als Behörde ist der Bundesgerichtshof – wie der Bundesfinanzhof und das Bundesverwaltungsgericht – dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) unter­stellt und unter­liegt – unter Wahrung der rich­ter­li­chen Unabhängigkeit – des­sen Dienstaufsicht.«

Beim BGH selbst ist zu lesen:

»Die Richterinnen und Richter des Bundesgerichtshof wer­den vom Richterwahlausschuss gewählt und vom Bundespräsidenten ernannt. Die Ernennung erfolgt auf Lebenszeit. Der Richterwahlausschuss ist ein aus 32 Mitgliedern bestehen­des Gremium, das vom Bundesjustizminister ein­be­ru­fen wird und sich aus den Justizministern der 16 Bundesländer sowie 16 wei­te­ren, vom Deutschen Bundestag gewähl­ten Mitgliedern zusammensetzt…«

Auf lto​.de war 2019 über die Praxis zu erfahren:

»… Der Richterwahlausschuss wird vom Bundesjustizminister ein­be­ru­fen. Bereits etwa sechs Monate vor dem Wahltermin müs­sen Minister und Wahlausschuss geeig­ne­te Kandidaten vor­schla­gen. Da lau­fen dann über­all die Leitungen heiß: Die Präsidenten der Oberlandesgerichte und Bundesgerichte wei­sen auf geeig­ne­te Kandidaten hin und die Politik mischt kräf­tig mit, um für die Parteikollegen die begehr­ten Posten zu bekom­men. Der Richterwahlausschuss als plu­ra­li­sti­sches Organ muss dann am Ende die Wahl tref­fen, die Bundesjustizministerin zustimmen…

Immer wie­der wird die feh­len­de Transparenz bemän­gelt. Die Entscheidungskriterien blei­ben im Dunkeln und manch ein Kandidat wird sein Scheitern nicht nach­voll­zie­hen kön­nen. Die Vorgeschlagenen müs­sen ein Auswahlverfahren durch­lau­fen, das als schwie­rig gilt.

Der Präsidialrat des jewei­li­gen Bundesgerichtes gibt näm­lich eine Stellungnahme zur per­sön­li­chen und fach­li­chen Eignung jedes Bewerbers ab. Dieser Rat ist ein inter­nes Gremium am Gericht, das die bis­he­ri­ge Arbeit der Kandidaten prüft und mit ihnen im Vorfeld der Wahl inten­si­ve Gespräche führt. An die jewei­li­ge Empfehlung des Präsidialrates ist der Richterwahlausschuss jedoch nicht gebun­den. Was aber die bei­den Gremien letzt­lich über­zeugt und ob es über­haupt ein objek­ti­ves Anforderungsprofil gibt, bleibt hin­ter ver­schlos­se­nen Türen. Der Wahlausschuss muss sei­ne Entscheidung nicht begrün­den…«

Hin und wie­der erle­ben wir, daß Gerichte auch das Handeln poli­tisch Verantwortlicher rügen. Die gröb­sten Verfassungsverstöße von Bundesregierung und Parlament, meist hand­werk­lich schlecht gemacht, wer­den vom Bundesverfassungsgericht zurück­ge­wie­sen. Das Ergebnis ist meist, daß in gro­ßer Eintracht die Gesetze ange­paßt wer­den, um die geplan­ten Maßnahmen doch durch­zu­set­zen. Das war so bei der Schleifung des Asylrechts, bei diver­sen Polizei- und Geheimdienstregeln der Bundesländer und in vie­len ande­ren Fällen.

Sicherlich spielt in der Rechtsprechung eine gewich­ti­ge Rolle, aus wel­chen sozia­len Schichten sich die RichterInnen rekru­tie­ren. Schon tra­di­tio­nell kom­men die wenig­sten von ihnen von "unten". Daß die Herrschenden ihre Apparate mit Ihresgleichen absi­chern, gehört zu jeder Gesellschaftsordnung. Im Kaiserreich wur­den mon­ar­chi­sti­sche Adlige auf die Richterstühle gesetzt, in moder­nen "west­li­chen Demokratien" sind es vor­nehm­lich dem kapi­ta­li­sti­schen System geneig­te Bildungsbürger (und inzwi­schen ‑innen), in den vor­ma­li­gen sozia­li­sti­schen Staaten wur­den plan­mä­ßig "Werktätige mit Klassenstandpunkt" gefördert.

Unabhängigkeit und Neutralität blei­ben damit not­wen­dig Floskeln. Erkennbar ist das bei­spiels­wei­se an den Schnellgerichten, die in Berlin im Halbstundentakt Urteile gegen "sozi­al Benachteiligte" spre­chen, die sich des Schwarzfahrens oder klei­ner Ladendiebstähle schul­dig gemacht haben. Und im kras­sen Gegensatz dazu die jah­re­lan­gen Verfahren wegen Cum-Ex, bei denen sich – anders als die klei­nen Gauner – Täter wie der Chef der Warburg-Bank Christian Olearius mit Hilfe ihres Reichtums exzel­len­te Verteidiger lei­sten kön­nen und eine Einstellung des Verfahrens errei­chen. Begleitend kommt der Kanzler immer noch mit Erinnerungslücken durch.

Während im Weimarer Verfahren nie­man­dem der klein­ste Schaden ent­stan­den ist, außer daß die Glaubwürdigkeit der "Maßnahmen" in Gefahr geriet, wer­den die Millionenschäden, die Spahn und Lauterbach mit ihren "Impfstoff"-, Masken‑, Medikamenten- und Testdeals ange­rich­tet haben, nicht im gering­sten ver­folgt. Es bleibt wie eigent­lich immer die hilf­rei­che Frage: Wem nutzt es?

9 Antworten auf „BGH bestätigt Strafe für Weimarer Familienrichter“

  1. Dann hät­te der Richter also Eigeninitiative gezeigt. Das darf man in der Position anschei­nend nicht.

    Darüber hin­aus waren sei­ne Schlussfolgerungen zur Maskenproblematik ver­mut­lich zutref­fend, und die Konseqzenzen zwin­gend – auch wenn er sie for­mal nicht zie­hen durf­te. Ein Menschen- und Kinderfreund, ver­mu­te ich.

    Vor acht­zig Jahren wäre er dafür noch gehenkt wor­den. Heute ver­liert er sein Amt und sei­ne Pension, was mal wie­der zeigt, unter welch frei­heit­li­chen Umständen wir leben. Ich schla­ge vor, wir stif­ten einen Preis für Zivilcourage.

  2. Man kann Jedermann nur Eines raten.

    Lesen Sie den Gesetzestext im genau­en Wortlaut.

    Daran hat sich der Richter gehal­ten. Nichts Anderes. Der BGH hat, in sei­ner "Auslegung" (!) unrecht! (Real betrachtet)

    Man kann Realität nicht aus­le­gen. Übrigens kann man auch das Grundgesetz nicht ausser Kraft set­zen. Alles Klar, ne? Was da drin steht … guckstdu?!

    1. Korintherherde

      Gegenstand:
      "Irres" Verhalten zu recht­fer­ti­gen ist nicht mehrheitslegitimierbar.

      Umkehrschluss:
      Dem Richter zuzu­ge­ste­hen Recht gehan­delt zu haben, bedeu­tet dass ein Regierungsputsch vor­lag. Nichts min­der. – Oh, Entschuldigung, was bin ich Heute Morgen schon wie­der klein­ka­riert? – Was hät­te dann zu pas­sie­ren. Gibt es juri­sti­sche Menschen, die ihre "Staatsxamen bestan­den" haben, UND zu wis­sen ein­ge­ste­hen was in genau dem Fall zu gesche­hen hät­te. Ich wäre ganz Ohr. Wer hät­te da wohl Recht? Faktisch hat aber kei­ner was dahin­ge­hend getan. -> KEINER!

      Zwichengedanke:
      Die so genann­te "Freiheit" scheint also nicht sehr beliebt zu sein. Im Gegenteil woll­ten nicht gera­de Wenige laut­hals die Verfassung ganz abschaf­fen. Das hät­te insze­niert kaum bes­ser lau­fen kön­nen, für die Zeugen Coronas. – Aktienfondastisch!?

      Abgleich:
      Wie gesagt, bei Demokratie geht es um die Legitimation der Regierung. Es geht nicht dar­um abzu­stim­men was Realität ist und was nicht. Das geht näm­lich, eigent­lich, korin­then­kacken­der­we­se nicht. (Wdh: NICHT) 

      Beobachtung:
      Das schein­bar "irre", wie "mehr­heit­li­che Verhalten", hat einen ratio­na­len Grund.

      Schlussfolgerung:
      Es muss eine ratio­na­le Erklärung, neben der "Irrsinnsthese" bestehen.

      Synthese: Die Frage wäre zu untersuchen?

      ————————–
      Das Wort ist eine Waffel. Gebt sie dem Schaaf.

  3. "Die Neutralität der Richter ist für den Rechtsstaat und das Vertrauen der Bürger in des­sen Bestand von her­aus­ra­gen­der Bedeutung. In sei­ner kon­kre­ten Ausprägung war der Verstoß gegen die Neutralitätspflicht hier mas­siv" sag­te Eva Menges, die Vorsitzende Richterin des zwei­ten Strafsenats am BGH…

    Ein Familienrichter ist per Gesetz dazu ver­pflich­tet, zum Wohle eines Kindes zu han­deln, wenn er erkennt, dass dem Kind ein Unrecht wider­fährt (ich hat­te die Paragraphen vor eine hal­ben Ewigkeit unter coro​dok​.de zitiert). Im Gesetz steht nichts von einer Pflicht zur "Neutralität" gegen­über einem kor­rup­ten "Rechtsstaat", wie ihn sich Frau Menges vorstellt.

    Das Bundesverfassungsgericht ver­dreht den in Artikel 5, Absatz 1 erklär­ten Schutz der Bürger gegen eine Zensur durch den Staatsapparat zu einer Zwangsfinanzierung des Propagandafunks des Staatsapparats.
    Das Bundessozialgericht erklärt das pri­vi­le­gier­te Vertrauensverhältnis zwi­schen Arzt und Patient für nich­tig, zugun­sten kri­mi­nel­ler Konzerne.
    Und nun ver­nich­tet der Bundesgerichtshof das Leben eines auf­rich­ti­gen Richters, der nichts ande­res gemacht hat als Kinder vor Unrecht, Leid und Schaden durch einen tota­li­tä­ren Unrechtsstaatsapparat zu schützen.

    Diese "Justiz" ist fer­tig. Mit Personen wie den Richtern an den Bundesgerichten wird es in Deutschland kei­ner­lei Bewältigung der ver­gan­ge­nen Jahre geben. Es wird kei­nen Schutz vor zukünf­ti­gen Übergriffen geben. Die Richter an die­sen Gerichten sind sel­ber akti­ver Teil eines tota­li­tä­ren Regimes, das nicht dem Staat, sprich den Bürgern dient.

  4. Nicht der Richter hat sei­ne Macht miss­braucht, son­dern sein Handeln rich­te­te sich gegen den Machtmissbrauch des Staates an Kindern.
    Unglaublich, wie geschichts­ver­ges­sen sich die­ser Bundesgerichtshof zeigt.

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