Fernsehturm vs. Grashalm. Reichtum in Düsseldorf. Ärgerliche Nazivergangenheit

In sel­te­nen Fällen, etwa so häu­fig wie Todesfälle nach "Impfungen", gibt es in der "Rheinischen Post" Interessantes zu lesen. Wie hier am 8.11.24:

»Um die unfass­ba­re Ungleichheit zwi­schen Vermögen grei­fen zu kön­nen, hilft eine Vorstellung des Düsseldorfer Fernsehturms und der Rheinwiesen: Vergleicht man die Höhe des größ­ten Bauwerks der Stadt mit der Länge von Grashalmen, kommt man unge­fähr auf den Unterschied zwi­schen den Reichsten und Otto Normalfamilie.

Die Familien Henkel, Droege und Schwarz-Schütte haben jeweils ein Milliardenvermögen. Das zeigt eine Auswertung von Andreas Bornefeld, einem Experten für Vermögensdaten, der für Medien wie das „Manager Magazin“ und „Forbes“ Reichenlisten recher­chiert. Und dem­ge­gen­über lau­tet ein Ergebnis des gera­de erschie­ne­nen Sozialberichts 2024: Ein mitt­le­rer Haushalt in Westdeutschland ver­fügt über knapp 130.000 Euro Nettovermögen.«

Die letz­te Zahl mag sta­ti­stisch zutref­fen. Wie rea­li­stisch sie ist, wäre dis­kus­si­ons­fä­hig. Der besag­te "Sozialbericht 2024" kommt nicht ohne Propaganda aus, stellt aber fest, was nicht zu ver­schwei­gen ist:

»… Der neue Sozialbericht zeigt, dass die Zustimmung zur Demokratie als Staatsform unge­bro­chen hoch ist. Auch die poli­ti­schen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie haben dar­an nichts geändert…

Die durch­schnitt­li­chen Realeinkommen sind laut Daten des Sozio-oeko­no­mi­schen Panels bis 2021 gestie­gen, ver­zeich­ne­ten nach dem star­ken Preisauftrieb infol­ge des rus­si­schen Angriffs auf die Ukraine jedoch im Jahr 2022 wie­der einen Rückgang. Die Armutsrisikoquote ist ins­ge­samt etwas gesun­ken und die Einkommensunterschiede zwi­schen Ost und West haben sich wei­ter ange­gli­chen. Auch Ungleichheiten bei der Vermögensverteilung waren leicht rück­läu­fig. Dennoch springt die im inter­na­tio­na­len Vergleich hohe Vermögensungleichheit in Deutschland immer noch ins Auge. So ver­füg­ten 2021 die ober­sten 10 % der Bevölkerung über mehr als die Hälfte des gesell­schaft­li­chen Gesamtvermögens. Zugleich leb­te fast ein Sechstel der bun­des­deut­schen Haushalte unter­halb der Armutsrisikoschwelle, und mehr als die Hälfte der armuts­ge­fähr­de­ten Bevölkerung war 2021 von dau­er­haf­ter Armut betrof­fen, mit Armutsperioden von drei Jahren und mehr…«
bpb​.de (6.11.24)

Im "RP"-Artikel wer­den genannt:

»Simone Bagel-Trah, Familie Henkel: geschätz­tes Vermögen 24,6 Milliarden Euro

Walter Droege, Familie Droege: geschätz­tes Vermögen 5 Milliarden Euro

Patrick Schwarz-Schütte, Familie Schwarz-Schütte: geschätz­tes Vermögen 2,2 Milliarden Euro«

Angesichts des enor­men Reichtums kann man die Spende der Henkel AG & Co. KGaA an das RKI (100.000 €, Verwendungszweck: Corona-Forschung) nur als knick­rig bezeich­nen. 2019/​20 brach­te die BASF SE "Unterstützungsleistungen" an das Bundesministerium für Gesundheit in Höhe von 42,5 Millionen Euro auf (sie­he Millionen-Spenden der Industrie an das Bundesgesundheitsministerium und eine Metallskulptur des Corona-Virus).

Die Henkels und ein Kriegsverbrecher mit Persilschein

Ein schlam­pi­ger Artikel in der "Wirtschaftswoche" berich­te­te am 24.10.17 über eine ZDF-Doku:

»Die Persil-Story
Die Henkel-Familie gehört zu den mäch­tig­sten Unternehmer-Clans in Deutschland. Nur wenig dringt von ihr an die Öffentlichkeit. Doch hin­ter den Kulissen lief nicht immer alles har­mo­nisch ab, zeigt ein Filme [sic] des ZDF…

[Es] gibt ein Kapitel in der Firmengeschichte, in dem der Familienfriede aufs äußer­ste gefähr­det war – und das aus­ge­rech­net in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Das ZDF beleuch­tet aus­führ­lich die­se schwie­ri­ge und wenig bekann­te Phase des Unternehmens. Werner Lüps, Enkel des Firmengründers, woll­te mit aller Macht Henkel-Chef wer­den. Der begei­ster­te Anhänger der NSDAP ver­such­te, durch poli­ti­sche Intrigen und sei­ne Kontakte zu Hermann Göhring [sic], einem der ein­fluss­reich­sten Politiker der Nationalsozialisten, den dama­li­gen Konzernchef Hugo Henkel aus dem Amt zu drängen.

Das schwar­ze Schaaf der Familie [sic]
Das gelang ihm schließ­lich auch, weil er durch­sickern lässt, dass Hugo Henkel Geld in die Schweiz geschafft hat­te [sic]. Hugo muss­te sich dar­auf­hin in den Aufsichtsrat zurück­zie­hen…«

Die Intrige war nicht ganz erfolg­reich. Das Schaaf "ver­un­glück­te auf dem Rückweg von der Reichshauptstadt Berlin nach Düsseldorf auf der Autobahn. Hugos älte­ster Sohn wur­de neu­er Firmenchef und sorg­te wie­der für den Familienfrieden."

Mehr weiß Wikipedia über Hugo Henkel (hier ohne Links und Quellen zitiert):

»… Zum 1. Mai 1933 trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 2.266.961). Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels berief Hugo Henkel im Oktober 1933 in den Verwaltungsrat des Werberats der deut­schen Wirtschaft. Von Mai 1934 bis 1942 war er Mitglied des Düsseldorfer Gemeinderates und ab spä­te­stens 1937 Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bank AG.

Da Hugo Henkel zu den 42 Industriellen auf der Kriegsverbrecherliste des Sonderausschusses des US-Senats (Kilgore Committee) gehör­te, wur­de er im September 1945 inhaf­tiert und die Firma unter alli­ier­te Kontrolle gestellt. Im Januar 1947 wur­den er und sei­ne bei­den Söhne Jost und Konrad ent­na­zi­fi­ziert. So konn­ten sie ihr Eigentum wie­der­erlan­gen und errei­chen, dass die Demontagen in den Jahren 1948 bis 1950 deut­lich gerin­ge­ren Umfang hat­ten als zuvor geplant. Er begann mit dem Wiederaufbau der zer­stör­ten Industrieanlagen, die danach wie­der den Betrieb auf­nah­men. Er enga­gier­te sich für sozia­le und kul­tu­rel­le Belange. Er war Mitglied der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf.

Zur Erinnerung an Hugo Henkels Frau Gerda wur­de 1976 von der Tochter Lisa Maskell die Gerda Henkel Stiftung gegrün­det, die sich für die Förderung der Wissenschaft – vor­ran­gig der Geschichtswissenschaft, der Archäologie und der Kunstgeschichte – enga­giert. Sitz der Stiftung ist bis heu­te die 1911 errich­te­te neu­ba­rocke Stadtvilla von Hugo und Gerda Henkel in der Malkastenstraße 15…

1951 erhielt er von der Medizinischen Akademie der Universität Düsseldorf den Titel eines Ehrendoktors (Dr. med. h. c.) sowie von der Stadt Düsseldorf die Ehrenbürgerschaft. Außerdem wur­de er in die­sem Jahr zum Ehrenbürger der Universität Bonn ernannt…«

Aus der Familienchronik

In einer umfang­rei­chen Firmenchronik aus dem Jahr 2016 infor­miert der Konzern über Vorgänge 1933:

»11.5. Durch Verordnung der natio­nal­so­zia­li­sti­schen Ortsgruppenleitung wird der Henkel­-Betriebsrat in Düsseldorf „gleich­ge­schal­tet“ und umbesetzt.«

Für 1934 wird ver­mel­det: "Der Betriebsrat in Düsseldorf wird auf­ge­löst und durch einen Vertrauensrat ersetzt". Die Passivkonstruktionen wer­den in Firmengeschichten in sol­chen Zusammenhängen ger­ne genutzt. Vermutlich konn­te sich die Geschäftsleitung ein­fach nicht wehren…

Diesen Eintrag zum Jahr 1935 soll­te man nicht miß­ver­ste­hen: "Die bel­gi­sche SA Persil betei­ligt sich mit einem eige­nen Pavillon an der Weltausstellung in Brüssel".

"Der Chemiker Dr. Friedrich Supf wird Inhaber der Firma Sichel. Die Familie Sichel muss wegen ihrer jüdi­schen Abstammung in das Ausland emi­grie­ren", heißt es für das Jahr 1936. Die Sichelwerke waren ein wich­ti­ger Zulieferer von Henkel und wur­den 1962 über­nom­men (jewi​ki​.net). Die Familie Sichel muß­te nicht "wegen ihrer jüdi­schen Abstammung" emi­grie­ren, son­dern konn­te ihr Leben ret­ten vor den Mordplänen der Partei, der Hugo Henkel angehörte.

Aus dem Jahr 1937 erfah­ren wir:

»8.5.–17.10. Große Reichsausstellung „Schaffendes Volk“ in Düsseldorf: über 5 Millionen Besucher im Henkel-Pavillon.«

Es han­delt sich hier um die wich­tig­ste Propagandaschau der Nazis (schaf​fen​des​vol​k1937​.de). Sie wur­de orga­ni­siert vom "Werberat der deut­schen Wirtschaft", in dem auf Einladung von Jospeh Goebbels Hugo Henkel saß (de​.wiki​pe​dia​.org).

1938 wech­selt Hugo Henkel "auf Druck der Nationalsozialisten in den neu ein­ge­setz­ten Beirat und Aufsichtsrat" (?), sein Neffe "Werner Lüps wird 'Betriebsführer'".

Über das Jahr 1940 lesen wir:

»1.5. Die Deutsche Arbeitsfront zeich­net Henkel in Düsseldorf­-Holthausen als „Nationalsozialistischen Musterbetrieb“ aus…

Im bel­gi­schen Werk Herent wer­den eine P3­-Fabrikationsanlage (Produktionsbeginn zum 1.1.1942) und eine Wasserglaslöserei gebaut, bei­de vor­wie­gend zur Belieferung der Wehrmacht (Wasserglaslöserei zu 100 Prozent).«

Was mag da 1941 abge­lau­fen sein?

»18.2. Die deut­sche Besetzung Frankreichs macht den „Rückkauf“ der Warenzeichenrechte an Persil für Frankreich und die fran­zö­si­schen Besitzungen mög­lich (1,6 Millionen Francs). Die Übernahme wird jedoch am 26.10.1945 ohne Beteiligung von Henkel für nich­tig erklärt…

Als Ersatz für zahl­rei­che zur Wehrmacht ein­ge­zo­ge­ne Mitarbeiter beschäf­tigt Henkel in Düsseldorf-Holthausen am Jahresende 343 aus­län­di­sche Zivilarbeiter und 194 Kriegsgefangene.«

1942 sol­len es "435 aus­län­di­sche Zivilarbeiter und 127 Kriegsgefangene" gewe­sen sein. Angebrachter wäre das Wort Zwangsarbeiter. Einige wer­den auch ernährt:

»Einrichtung einer Betriebsküche bei Matthes & Weber (Duisburg) für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Frankreich, den Niederlanden und der Ukraine.«

"Bei Schwarzkopf in Berlin wer­den Medikamente und Seren für den Hauptsanitätspark der Wehrmacht abge­füllt." Für 1943 wer­den "574 aus­län­di­sche Zivilarbeiter und 108 Kriegsgefangene" in Düsseldorf-Holthausen berich­tet, 1944 sind es noch 353 bzw. 113 Menschen.

Weichgespült ist die­ser Eintrag über das Jahr 1943:

»Von Oktober bis zum 10.4.1945 wird der SPD­-Politiker Dr. Kurt Schumacher nach sei­ner Entlassung aus dem Konzentrationslager Dachau im Sichel­-Werk in Hannover als Buchhalter beschäf­tigt.«

Der Sozialdemokrat war fast 10 Jahre in ver­schie­de­nen Konzentrationslagern inhaf­tiert. Als er schwer­krank ent­las­sen wur­de, wur­de er "vom Arbeitsamt den Sichel-Werken in Hannover als Buchhalter für die Lagerverwaltung zuge­wie­sen." Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wur­de er erneut für einen Monat von der Gestapo inhaf­tiert (de​.wiki​pe​dia​.org).

Für sehr kur­ze Zeit ändert sich 1945 eini­ges für die Familie Henkel:

»16.4. Besetzung des Werks Düsseldorf­-Holthausen durch US­Truppen. Ab dem 5.6. nimmt die bri­ti­sche Militärkommandantur ihre Arbeit auf. 

20.9. Verhaftung von fünf Mitgliedern der Familie Henkel: 

  • Dr. Hugo Henkel, 
  • Dr. Jost Henkel, 
  • Dr. Willy Manchot, 
  • Dipl.­Ing. Reinhold Woeste und 
  • Dr. Konrad Henkel. 

Weitere sie­ben Mitglieder der Geschäftsleitung und der Aufsichtsgremien wer­den eben­falls durch die Besatzungsmacht ver­haf­tet. Zwischen dem 21. und 27.11. wer­den außer Dr. Jost Henkel und Dr. Hermann Richter alle am 20.9. ver­haf­te­ten Firmen­ und Familienangehörigen aus der Haft entlassen.

Nach Kriegsende ver­liert Henkel alle aus­län­di­schen Tochtergesellschaften und Beteiligungen sowie sämt­li­che Markenrechte im Ausland. 

30.10. Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 5 wird das gesam­te deut­sche Auslandsvermögen der Kontrolle und der Verfügung der vier Siegermächte unterstellt. «

Doch schon im Sommer dür­fen vie­le Betriebsteile wei­ter produzieren.

»Während des Zweiten Weltkriegs wur­den 1.560 Düsseldorfer Henkel­-Mitarbeiter zur Wehrmacht ein­ge­zo­gen; 259 sind gefal­len oder durch Bombenangriffe gestor­ben, 141 wer­den ver­misst. Am Jahresende sind 3.724 Mitarbeiter beschäftigt.«

Von Gefallenen der Familie Henkel wird nicht berichtet.

Anders als in den Westzonen ver­fährt man 1945 in der SBZ:

»Verstaatlichung der Deutschen Hydrierwerke AG, Rodleben, und der Böhme AG, Chemnitz. Die Sowjetische Militärbehörde ent­eig­net auch die Henkel GmbH in Genthin.«

Verschwurbelt heißt es auch: "Infolge der Kriegsereignisse wird der Produktionsstandort in Bromberg (Bydgoszcz), Polen, Ende Januar aufgegeben".

1946 wird bereits wie­der ein Umsatz in Höhe von 63 Millionen Reichsmark ver­zeich­net. 1947 ist wie­der alles beim alten:

»20.11. Die Ernennung von Dr. Paul Schulz zum Treuhänder wird zurück­ge­zo­gen; die Vermögenssperre der Henkel & Cie GmbH und der Henkel & Cie AG wird aufgehoben. 

21.11. Rückkehr der Familie Henkel in die Firma. Die alte Geschäftsleitung wird wie­der in ihre frü­he­ren Rechte eingesetzt…

Werbeslogan: „Zum Saubermachen – Henkelsachen“…«

(Hervorhebungen in blau nicht in den Originalen.)

3 Antworten auf „Fernsehturm vs. Grashalm. Reichtum in Düsseldorf. Ärgerliche Nazivergangenheit“

  1. »Verstaatlichung der Deutschen Hydrierwerke AG, Rodleben, und der Böhme AG, Chemnitz. Die Sowjetische Militärbehörde ent­eig­net auch die Henkel GmbH in Genthin.«

    Nein. In der SBZ wur­den die­se Betriebe nicht ver­staat­licht son­dern in Volkseigentum über­führt. Gemäß der 1945 in Potsdam gefass­ten Beschlüsse die im Übrigen auch die West-Alilierten unter­schrie­ben haben.

    Nur hat­ten die Westalliierten nie­mals vor sich an die im Potsdam gefass­ten Beschlüsse zu halten.

  2. Sie haben also Zwangsarbeiter beschäf­tigt, fürs Militär pro­du­ziert, und sich den Machthabern angebiedert.

    Das ist doch Tagesgeschäft von Unternehmern.

    1. >> Sie haben also Zwangsarbeiter beschäf­tigt, fürs Militär pro­du­ziert, und sich den Machthabern angebiedert.

      Die die Zwangsarbeiter beschäf­ti­gen sind die Machthaber.

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