Tilly brings nicht

Auf rp​-online​.de ist am 9.11.24 unter dem Titel »„Spielen den Song ,Indianerland’ nicht mehr“« ein Interview mit Urgesteinen des rhei­ni­schen Karnevals zu lesen. Jacques Tilly, Wagenbauer aus Düsseldorf, und Peter Brings, Kölner Karnevalshitsproduzent, spre­chen über Demokratie und dar­über, wie sie ihre Rolle sehen. Dabei ist weni­ger inter­es­sant, war­um die Band Brings ihren ziem­lich unbe­kann­ten Song "Indianerland" nicht mehr singt ("weil er zu Missverständnissen füh­ren könnte", sie­he you​tube​.com). "Allerdings habe ich die Aufregung um den Oberindianer im Lied von Udo Lindenberg nicht ver­stan­den", meint Brings immer­hin. Zu dem Fall mehr hier.

Aufschlußreicher sind die Worte von Tilly: "Allerdings ist heu­te nicht mehr klar, wer mit oben und unten gemeint ist. Wer bestimmt das denn?" und von Brings: "Man darf hier wirk­lich alles sagen. Verboten ist nichts".

»… Werden die Satiriker und alter­na­ti­ven Karnevalisten plötz­lich staatstragend?

TILLY Völlig rich­tig. In den 80er-Jahren habe ich gegen die Atomindustrie und die Aufrüstung demon­striert. Aber seit die Bedrohung unse­rer poli­ti­schen Institutionen durch Rechtsextreme der­ma­ßen zuge­nom­men hat, haben vie­le Satiriker – und auch ich – einen Positionswechsel voll­zo­gen. Deshalb wer­de ich schon mal als Systemling beschimpft…«

Da lesen wir alle paar Wochen, wie unse­re (!) poli­ti­schen Institutionen von deut­schen und inter­na­tio­na­len Gerichten ver­ur­teilt wer­den, weil sie die Verfassung und Verträge bre­chen. Rüstungsexporte und mit die­sen Waffen ver­üb­te Kriegsverbrechen haben der­ma­ßen zuge­nom­men, daß einem schlecht wer­den muß. Die Jecken sehen die Bedrohung aber nur bei den Rechtsextremen. Im Namen einer "Klimawende" erset­zen hoch­pro­ble­ma­ti­sches Frackinggas die AKWs, gegen die man frü­her demon­striert hat­te, Demos gegen Aufrüstung sind für die Narren out. Weil: Es könn­ten Rechte dabei sein. Daß das Remigrations-Projekt, über das sich cor­rec­tiv, Innen- und Kriegsminister echauf­fier­ten und hun­dert­tau­sen­de Menschen auf die Straßen trie­ben, inzwi­schen offi­zi­el­le Politik von Bundesregierung und EU sind, was küm­mert es Brings und Tilly?

Stattdessen "demon­strie­ren die Karnevalisten in Köln und Düsseldorf für die Demokratie". Ihr Anspruch ("Da muss man schon mal rich­tig nach oben tre­ten") bleibt völ­lig auf der Strecke. Ein Grund dafür dürf­te das Einstellen von Denken sein:

»Gefühlt war für mich – ich bin Jahrgang 1964 – immer die CDU an der Regierung. Dann schafft es die Ampel wirk­lich nicht in drei Jahren, das Land kaputt zu krie­gen. Sorry, wir leben immer noch in einem der freie­sten, sozi­al­sten und reich­sten Staaten Europas…«

Das sagt Peter Brings. Vielleicht soll­te er sich den Armutsbericht ein­mal zu Gemüte füh­ren und die Listen der reich­sten Deutschen. Und er soll­te nicht nur fühlen.

Update: Hier holt mich mein eige­nes Fühlen ein. In einer ersten Version des Textes stan­den hier unten noch fal­sche Zahlen. Vielen Dank für den Hinweis!

Seit 1964 regier­ten 23 Jahre CDU und FDP, 13 Jahre SPD und FDP, 14 Jahre CDU und SPD und 10 Jahre SPD und Grüne. In wes­sen Regierungszeit fie­len der erste völ­ker­rechts­wid­ri­ge Krieg der Bundeswehr und die Schleifung des Asylrechts, Hartz IV und die Aussetzung von Grundrechten wäh­rend der Corona-Jahre?

4 Antworten auf „Tilly brings nicht“

  1. Morgen fin­det in mit­tel­deut­scher Großstadt ein schu­li­sches "Herbstfest mit Laternen" statt.

    Ist es eigent­lich (nord­west­deut­sche) kul­tu­rel­le Aneignung oder schon "ewi­ge Gestrigkeit" wenn man aus Versehen und spon­tan von "Sankt Martin" spricht?
    Postmortale und deli­gi­ti­mie­ren­de Glorifizierung eines sich altru­istisch auf­spie­len­den römi­schen Besatzungssoldaten?

  2. "Wessis" wie Tilly und Brings füh­ren seit ihrer Geburt ein behü­te­tes und wohl­ver­sorg­tes Wattebäusschenleben in dem sie sich seit Jahrenzehnten als "Leistungsträger" sel­ber feiern. 

    Die exi­stie­ren­den Institutionen sind Garant für den Schutz ihres hart erlei­ste­ten Eigentums..

    Warum soll­ten sie in ihrem Alter noch irgend­wel­che Schüsse hören? Das kön­nen doch nur Böller sein.

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