Steinmeier sauer. Eingeladener Kriegstreiber kritisiert ihn

Ähnlich wie "Bild" berich­ten die mei­sten Medien über den Schriftsteller Marko Martin, der aus­er­se­hen war, auf dem Festakt zu „35 Jahre Friedliche Revolution“ beim Bundespräsidenten im Schloss Bellevue zu sprechen:

bild​.de (8.11.24)

Anstatt, wie es sich gehört, Stasi- und Mauer-Phrasen abzu­lie­fern, nahm er sich die SPD vor, die für ihn mehr oder weni­ger aus Putin-Knechten besteht. Für die "Süddeutsche Zeitung" heißt das am 8.11.24 unter der lie­be­vol­len Überschrift "Dresche in Schloss Bellevue": Martin "rech­ne­te mit der Russlandtreue Frank-Walter Steinmeiers ab". Wie es üblich ist bei Regierungskritik (etwa zu "Impfpflicht", Waffenexporten oder Sozialkürzungen) ver­öf­fent­licht die "Welt" die Rede im Wortlaut. Wir lesen:

»… Wäre es etwa „ange­mes­sen“, die Tatsache zu beschwei­gen, dass bei den letz­ten Landtagswahlen in ost­deut­schen Ländern zwei illi­be­ra­le Parteien Erdrutschsiege ein­fah­ren konn­ten, die eine rechts­extrem und bei­de offen Putin-affin und infam­ste Kreml-Propaganda ver­brei­tend, was jedoch zumin­dest im Fall der auto­ri­tä­ren Wagenknecht-Sekte die bei­den gro­ßen demo­kra­ti­schen Parteien bei ihren diver­sen Verhandlungen nicht son­der­lich zu stö­ren scheint?

Weshalb ist wohl, sowohl nach reprä­sen­ta­ti­ven Umfragen wie auch nach der Stimmung auf der Straße, in den Büros und Betrieben und an den abend­li­chen Küchentischen, die über­le­bens­not­wen­di­ge Unterstützung der mör­de­risch ange­grif­fe­nen Ukraine im Osten signi­fi­kant weit weni­ger popu­lär als im Westteil des Landes?

Was dort immer wie­der zu hören ist, jen­seits einer abstrak­ten und oft nur vor­ge­scho­be­nen Sorge um den „Frieden“: „Der Putin, der Putin, immer nur der Putin – und was ist mit uns?“ Aus die­ser absurd ver­eng­ten Perspektive her­aus scheint selbst der Angriffskrieg auf die Ukraine zuvör­derst ein erneu­ter west­li­cher Vorwand, um sich nicht um die Belange Ostdeutscher zu küm­mern

Weshalb plötz­lich auch die­se Inflationierung des Friedensbegriffs, obwohl die über­gro­ße Mehrheit der in der DDR auf­ge­wach­se­nen Jugendlichen und Männer einst den Kriegsdienst eben­so wenig ver­wei­gert hat­te wie zuvor die Teilnahme am Wehrkundeunterricht in der Schule, die vor­mi­li­tä­ri­sche Lager-Ausbildung in der Lehrzeit und spä­ter­hin die Übungen der soge­nann­ten „Betriebskampfgruppen“? Wirkt hier womög­lich noch immer jene Regime-Propaganda nach, die „Frieden“ nur dann gewähr­lei­stet sah, wenn es den Machtinteressen des Kreml dien­te, wäh­rend das Verteidigungsbündnis der Nato als „impe­ria­li­sti­scher Kriegstreiber“ ver­leum­det wurde?…

Jener per­ver­tier­te Friedensbegriff, der gänz­lich ohne die Frage nach Dauer, Stabilität und Gerechtigkeit aus­kommt, saust ja inzwi­schen wie ein Weberschiffchen zwi­schen Ost und West hin und her…

Und Hand aufs laue Herz: Ist tat­säch­lich im kol­lek­ti­ven Gedächtnis aner­kannt, dass der erste Stein aus der Berliner Mauer einst auf der Lenin-Werft in Danzig geschla­gen wur­de? Anerkannt, dass sich die viel gelob­te Entspannungspolitik auf stei­gen­de Verteidigungsausgaben im west­deut­schen BIP stüt­zen konn­te – und natür­lich auf den Schutzschirm der Nato und auf eine ame­ri­ka­ni­sche Politik, die der Sowjetunion ein­drück­lich die Grenzen ihrer Expansionsmacht auf­zeig­te?«
welt​.de (8.11.24)

Das sind mal ehr­li­che Worte. Schon zuvor hat­te er die hier ange­spro­che­ne pol­ni­sche Solidarność in höch­sten Tönen gelobt, weil sie dem ver­haß­ten "Kommunismus" in Polen den Garaus mach­te. Ergänzend bestä­tigt er, daß dies das eigent­li­che Ziel der "Entspannungspolitik" war, das "natür­lich" auf NATO und Aufrüstung auf­bau­te. Doch anstatt die­se höchst erfolg­rei­che Strategie der Sozialdemokratie, nament­lich Egon Bahrs, zu prei­sen, macht er sie nie­der. In der gän­gi­gen geschichts­fäl­schen­den Pose spricht er über die "demo­kra­ti­schen Revolutionen in Kyjiw, mit den Europa-Fahnen in den Händen der Demonstranten" 2004 und 2013/​14 und fährt fort:

»Währenddessen scheint es, dass die als Geo- und Realpolitik kaschier­te Verachtung, die einst aus den Worten Egon Bahrs sprach, noch heu­te fortwirkt.

Schon wird Gerhard Schröder, nach wie vor reue­los groß­spre­che­ri­scher Duzfreund des Massenmörders im Kreml, vom neu­en Generalsekretär der Kanzlerpartei garan­tiert, dass selbst für ihn wei­ter­hin Platz sei in der deut­schen Sozialdemokratie. Dies übri­gens zum glei­chen Entsetzen der Osteuropäer und gestan­de­ner Sozialdemokraten, mit dem sie 2016 aus dem Mund des dama­li­gen Außenministers hören muss­ten, die Nato-Manöver an der Ostflanke, um die dor­ti­gen Demokratien zu schüt­zen, sei­en „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“. Säbelrasseln und Kriegsgeheul?«

Martin spielt hier an auf eine kla­re Minute Steinmeiers im Jahr 2016, die aller­dings nicht lan­ge währ­te. Im "Spiegel" war damals zu lesen:

spie​gel​.de (20.6.16)

»Es ist vor allem ein Satz des deut­schen Außenministers, der in Berlin, in Washington, Paris, London Irritationen und in Moskau gro­ße Aufmerksamkeit aus­löst. "Was wir jetzt nicht tun soll­ten, ist durch lau­tes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage wei­ter anhei­zen", hat sich Frank-Walter Steinmeier in der "Bild am Sonntag" zitie­ren lassen.

Seitdem muss er sich erklä­ren. Am Montagmorgen, vor dem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg, ver­tei­digt Steinmeier sein Konzept der zwei Säulen, er spricht von Abschreckung und Dialog. Im Augenblick schei­ne es so zu sein, "als wür­den wir die­se zwei­te Säule völ­lig vergessen"… 

In Berlin muss Außenamtssprecher Martin Schäfer in der Bundespressekonferenz aus­führ­lich Stellung bezie­hen… "Man möge mir den Satz oder Absatz zei­gen, der nicht auf der Linie der Bundesregierung wäre", sagt Schäfer. Neben ihm sitzt Regierungssprecher Steffen Seibert. Auch der Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) greift ein und sagt, die Manöver der Nato sei­en "gut, rich­tig und wich­tig", "maß­voll und transparent"…

Steinmeier stellt nicht Nato-Beschluss von Wales infrage

Doch auch wenn die Regierung einen Konflikt her­un­ter­zu­dim­men ver­sucht, Steinmeiers Sätze lösten schar­fe Kritik beim Koalitionspartner aus. Es gibt ja nicht nur den "Säbelrassel"-Satz. Ein wei­te­rer lautet:

"Wer glaubt, mit sym­bo­li­schen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaf­fen, der irrt. Wir sind gut bera­ten, kei­ne Vorwände für eine neue, alte Konfrontation frei Haus zu liefern."…

Steinmeier, das stellt Schäfer klar, steht zum Beschluss des Nato-Gipfels von Wales im September 2014, auf dem das Bündnis sein Sicherheitskonzept nach der Annexion der Krim durch Russland anpass­te. Seitdem wer­den ver­stärkt Luftraum- und Seeüberwachung, aber eben auch Übungen in den öst­li­chen Partnerländern durchgeführt.

Geht es Steinmeier um den Versuch, der im 20-Prozent-Tief ver­har­ren­den SPD durch ein außen­po­li­ti­sches Thema Auftrieb zu geben? Eine deut­li­che Mehrheit der Bundesbürger will mehr Kooperation und weni­ger Konfrontation mit Moskau. "Abwegig" nennt Schäfer Interpretationen, die aus den Äußerungen "einen innen­po­li­ti­schen Schlenker" ablei­ten…«

Weiter in der Schmährede:

»Sehr geehr­ter Herr Bundespräsident und bei allem Respekt: Auch das Nord-Stream-Projekt, an dem SPD und CDU so elend lan­ge gegen alle fun­dier­te Kritik fest­hiel­ten, war nur inso­fern „eine Brücke“ – Ihre Worte noch vom Frühjahr 2022 – als dass es Putin in sei­nen Aggressionen zusätz­lich ermu­tig­te, und zwar in sei­nem Kalkül, dass die Deutschen, anson­sten Weltmeister im Moralisieren, das lukra­ti­ve Geschäft schon nicht sau­sen las­sen wür­den, Ukraine hin oder her. Und wie­der­um war mit beträcht­li­cher Arroganz über­hört wor­den, wie hell­sich­tig in Osteuropa gewarnt wur­de. Und es ist auch das bedroh­te Osteuropa, das die Folgen zu tra­gen hat – in der näch­sten Zeit über­dies womög­lich sogar ohne ame­ri­ka­ni­schen Beistand.

Für unse­re und eure Freiheit: Es ist die gepei­nig­te Zivilbevölkerung in der Ukraine eben­so wie die Soldaten und Soldatinnen der ukrai­ni­schen Armee, die mit ihrem Widerstand auch unse­re seit 1989 gesamt­deutsch exi­stie­ren­de Freiheit zu schüt­zen ver­su­chen – auch jetzt, in die­ser Minute und unter unvor­stell­ba­ren Opfern. Und nein, jene Militär- und Osteuropawissenschaftler und die oft­mals in ihren eige­nen Parteien so sträf­lich iso­lier­ten Politiker in Deutschland, die sich Tag für Tag Gedanken dar­über machen, wie das über­fal­le­ne Land ange­mes­se­ner als bis­her unter­stützt wer­den kann – die­se enga­gier­ten Männer und Frauen ver­die­nen es nicht, als „Kaliber-Experten“ denun­ziert zu wer­den, sug­ge­rie­rend, es hand­le sich bei ihnen um „aus­ge­las­se­ne“ schieß­wü­ti­ge Querulanten…

Meine Damen und Herren, obwohl viel­leicht eini­ge von Ihnen eine etwas ande­re Rede erhofft oder erwar­tet hät­ten – ich dan­ke Ihnen, dass Sie mir zuge­hört haben.«

8 Antworten auf „Steinmeier sauer. Eingeladener Kriegstreiber kritisiert ihn“

  1. Inzwischen ist mir doch recht klar, wes­halb ich seit län­ge­rer Zeit kei­ne aktu­el­le Literatur mehr lesen mag, son­dern lie­ber alles mög­li­che aus der Jahren 1918 bis 1933 und 1946 bis 2000. Autoren wie Kolbenheyer, Kreuzhakler, Goebbels etc. habe ich ja schon im Studium lesen müs­sen und brau­che sol­ches Zeug nicht noch mal.

  2. Extremisten unter sich. Steinmeiner ist aller­dings Politiker, er ver­tritt also "höhe­re" Interessen. Beim Schriftsteller müss­te man etwas über die Biografie wis­sen, um sei­ne kru­den Ausführungen einzuordnen.

    Obwohl, nein, so inter­es­sant ist er auch wie­der nicht.

  3. >> Anstatt, wie es es sich gehört, Stasi- und Mauer-Phrasen abzu­lie­fern, nahm er sich die SPD vor, die für ihn mehr oder weni­ger aus Putin-Knechten besteht.

    Also das­sel­be Gelaber.

  4. Im Übrigen ist die NATO kein Schutzschild son­dern genau das was man mit Säbelrasseln und Kriegsgeheul cha­rak­te­ri­sie­ren kann. Haben die Ereignisse vom 23. Mai 1949 etwa nicht deut­lich genug gezeigt, daß ein Versprechen der West-Alliierten kei­nen Penny wert ist? Daß sich die­ses, 1945 in Potsdam gege­be­ne Versprechen bereits im sel­ben Jahr über Hiroshima und Nagasaki in Schall und Rauch auflöste!?

    Wenn man einem Versprechen Glauben schen­ken kann, dann dem in der Rede von Winston Churchill in Fulton/​USA, 5. März 1946 gege­be­nem Versprechen, nicht eher zu ruhen bis das ein­sti­ge Ziel des 2. Weltkrieges die UdSSR zu ver­nich­ten, erreicht wird. Und dafür war Egon Bahr nur einer der Handlanger, von wegen Entspannung!

    Die Geschichte nach 1945 zeigt, was all die­se Versprechen wert sind. Aber es gib Hoffnung, denn die gan­ze Welt schau­te auf das 21. Treffen des Waldai-Forums in Sotschi am 7. November 2024 – von ARD+ZDF natür­lich völ­lig unbemerkt.

  5. Okay, nen­nen wir die "aus­ge­las­se­nen, schiess­wü­ti­gen Kaliberexperten" eben anders. Meine Rede!

    Womit "berau­schen" die sich eigentlich ???

  6. die deut­sche Botschaft in Moskau ver­öf­fent­li­chen eine selt­sa­me Aussage. Hinter den pathe­ti­schen Parolen hat die Botschaft vie­le Dinge beschämt verschwiegen.

    Zum Beispiel, dass hin­ter die­ser «fried­li­chen Revolution» die Entscheidung der Weltmächte stand. Schließlich wur­de Deutschland nicht aus einem Grund geteilt, son­dern nach den Ergebnissen der Aggression des Dritten Reiches, die in den Zweiten Weltkrieg mün­de­te. Und nach­dem wir alles ver­ge­ben haben, hat unser Land im Prozess der Vereinigung der deut­schen Nation eine ent­schei­den­de kon­struk­ti­ve Rolle gespielt. Es war die Sowjetunion, die der Hauptverfechter der Vereinigung Deutschlands war.

    Maria Sacharowa

    Q: https://​deutsch​.news​-prav​da​.com/​w​o​r​l​d​/​2​0​2​4​/​1​1​/​0​8​/​2​4​4​6​1​2​.​h​tml

    1. @Erfordia : Maria Sacharowa ver­öf­fent­licht in der "Pravda" eine selt­sa­me Aussage.Hinter den pathe­ti­schen Parolen hat sie vie­le Dinge beschämt verschwiegen.

      1. @AA, die Sacharowa sagt die Wahrheit. Das ist histo­risch bewie­sen. Nur BILD-Leser ver­ste­hen das nicht, die wer­den das nie verstehen.

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