"Zwar wäre das psychisch kranke Opfer ohne den gewaltsamen Einsatz der beiden Polizisten nicht gestorben…"

stern​.de (17.10.24)

»Bei einem Polizeieinsatz kam im Mai 2022 ein psy­chisch kran­ker Mann zu Tode. Nun muss sich das Mannheimer Landgericht erneut mit dem bereits im ersten Anlauf heiß dis­ku­tier­ten Fall beschäf­tig­ten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung einer der bei­den ange­klag­ten Polizisten auf­ge­ho­ben, wie das höch­ste deut­sche Strafgericht in Karlsruhe mit­teil­te. Ihm war im März vom Landgericht wegen Körperverletzung im Amt eine Geldstrafe von 6.000 Euro auf­er­legt worden.

Die bei­den Mannheimer Polizeibeamten waren zu dem töd­lich enden­den Einsatz geru­fen wor­den, um das spä­te­re Opfer in die Psychiatrie-Station des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) zurück­zu­brin­gen. Der Mann wehr­te sich dage­gen, wor­auf­hin die Polizisten ver­such­ten, ihm Handschellen anzu­le­gen. Einer der Beamten schlug dem Mann dabei unter ande­rem mit der Faust mehr­mals gegen den Kopf. Im Prozess ging es spä­ter vor allem um die Frage, ob die Beamten sich selbst ver­tei­dig­ten, oder zu bru­tal vorgingen…

Das Landgericht ent­schied im März: Das Vorgehen der bei­den Beamten war über­wie­gend gerecht­fer­tigt. Dem ver­ur­teil­ten Polizisten wur­de die Geldstrafe von 6.000 Euro auf­er­legt, sein mit­an­ge­klag­ter Streifenpartner wur­de frei­ge­spro­chen. Der BGH bestä­tig­te den Freispruch im August – er ist somit bereits rechtskräftig.

Zwar wäre das psy­chisch kran­ke Opfer ohne den gewalt­sa­men Einsatz der bei­den Polizisten nicht gestor­ben, sag­te der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung in Mannheim. Der 47 Jahre alte Patient des Zentralinstituts sei aus Sicht sei­nes Arztes an jenem Tag aber in einem psy­chi­schen Ausnahmezustand gewe­sen. Der Mediziner habe die Polizei geru­fen, weil er befürch­tet habe, dass sich der Patient selbst gefährde.

Die Polizisten sei­en nicht nur berech­tigt, son­dern ver­pflich­tet gewe­sen, den herz­kran­ken Mann auch gegen sei­nen Willen in das ZI zurück­zu­brin­gen, so der Richter. Polizeirechtlich gese­hen habe eine Gefahr für die öffent­li­che Sicherheit und Ordnung vor­ge­le­gen. Auch hät­ten sich die Polizisten im Einsatz gegen Angriffe des spä­te­ren Opfers ver­tei­di­gen dürfen. 

Die 120 Tagessätze zu 50 Euro muss­te der ver­ur­teil­te Polizeioberkommissar aller­dings wegen Körperverletzung im Amt zah­len. Er hat­te dem Mann Pfefferspray in das Gesicht gesprüht und ihn meh­re­re Male geschla­gen. Das Pfefferspray sei berech­tig­ter­wei­se gezo­gen wor­den, weil der Beamte nicht habe aus­wei­chen kön­nen und sich habe weh­ren dür­fen, so das Gericht. Die Schläge sei­en aber "kei­ne gebo­te­ne Verteidigungshandlung"…

Der Vorsitzende der Mannheimer Bezirksgruppe der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Thomas Mohr, erklär­te: "Wir sind uns alle dar­über bewusst, dass der Verlust eines Menschenlebens tra­gisch ist, jedoch dür­fen wir die Umstände, unter denen die­ser Einsatz statt­fand, nicht außer Acht las­sen. Dieser Vorfall beweist erneut, wie wich­tig es ist, unse­re Kolleginnen und Kollegen in her­aus­for­dern­den Einsatzlagen zu unter­stüt­zen und ihnen wäh­rend des juri­sti­schen Bewertungsprozesses Rückhalt zu geben."«

4 Antworten auf „"Zwar wäre das psychisch kranke Opfer ohne den gewaltsamen Einsatz der beiden Polizisten nicht gestorben…"“

  1. Da der Herzkranke Patient einer psych­ia­tri­schen Anstalt nicht mehr am Leben ist, kann er kei­ne Aussage mehr machen. Ob aller­dings Juristen die Aussage eines "Normalsterblichen" über­haupt auch nur doku­men­tiert wis­sen möch­ten, bleibt ehe­dem frag­lich. Meines Wissens läuft die Dokumentation so ab, dass man sich der Aussagen eines Prozessbevollmächtigten bedient. Das steht dann für die Aussage des Klägers/​Mandanten mög­li­cher­wei­se auch des ein- oder ande­ren Zeugen. Der "Prozessbevollmächtigte" ist "Bestandteil der Rechtspflege". Seiner Aussage wird zuwei­len mehr Realitätsbezug bei­gemes­sen als der Aussage des "Mandanten". Das ver­ein­facht natür­lich die Prozedere stark. Und ist mei­nes Erachtens, in nicht gera­de weni­gen Fällen, von vor­ne bis hin­ten erstun­ken und erlo­gen!* Realität im Sinne des Wortes, ist dabei nicht das Maß.

    Halten wir also fest: Der arme Mann woll­te nicht Patient der Psychiatrie sein oder blei­ben. Das kann man der Story so wohl entnehmen.

    *so habe ich das jeden­falls erfah­ren müssen

  2. Völlig logisch. Um zu ver­hin­dern, dass der Patient sich sel­ber gefähr­det, lässt man ihm von der Polizei eine über den Dez geben.

    Diagnose: Nicht an, son­dern nur mit einem Polizeieinsatz verstorben.

  3. „Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft schlug der Mann, der an para­no­ider Schizophrenie litt, auf die Polizisten ein. Das Pfefferspray, das ein Beamter ein­setz­te, zeig­te offen­bar kei­ne Wirkung. Daraufhin sol­len sie ihn zu Boden gebracht und ver­sucht haben, ihm Handschellen anzu­le­gen. Dabei soll ein Beamter ihn mehr­mals mit der Faust geschla­gen haben, unter ande­rem gegen den Kopf. Der 47-Jährige blu­te­te aus der Nase und blieb auf dem Bauch lie­gen. Durch die lan­ge Fixierung, so die Staatsanwaltschaft, litt er unter Sauerstoffmangel, wur­de bewusst­los und starb kurz dar­auf im Krankenhaus.“
    https://​www​.swr​.de/​s​w​r​a​k​t​u​e​l​l​/​b​a​d​e​n​-​w​u​e​r​t​t​e​m​b​e​r​g​/​m​a​n​n​h​e​i​m​/​v​e​r​f​a​h​r​e​n​-​g​e​g​e​n​-​v​o​r​f​a​l​l​-​m​a​r​k​p​l​a​t​z​-​m​a​n​n​h​e​i​m​-​g​e​g​e​n​-​p​o​l​i​z​e​i​b​e​a​m​t​e​-​1​0​0​.​h​tml vom 13.07.2023

    „Der 47-jäh­ri­ge Verstorbene litt an para­no­ider Schizophrenie. (…) Um kurz nach 12 Uhr ver­ließ er das ZI wie­der. Sein behan­deln­der Arzt folg­te ihm – weil er befürch­te­te, dass sich sein Patient selbst gefähr­den könn­te. Weil der Psychiater es selbst nicht schaff­te, den Mann zurück ins ZI zu brin­gen, bat der Arzt die Polizei um Hilfe. Doch auch den Beamten gelang es nicht, den Mann zur Rückkehr zu bewe­gen. Die Polizisten benutz­ten laut Anklage dann Pfefferspray – das zeig­te aber kei­ne Wirkung. Sie woll­ten den Mann fest­hal­ten, doch der 137 Kilogramm schwe­re 47-Jährige wehr­te sich laut Anklage mit Faustschlägen. Dann brach­ten die Beamten den Mann mit ver­ein­ten Kräften zu Boden, so die Anklage und auch die Aussage des Hauptangeklagten. [Der Angeklagte] habe ihm dann vier Mal mit der Faust gegen den Kopf geschla­gen, schreibt die Staatsanwaltschaft.“

    „Direkt neben dem Tatort saßen zwei Brüder beim Mittagessen. Sie beka­men das Geschehen aus näch­ster Nähe mit. Einer der bei­den sag­te aus, er habe den Eindruck gehabt, dass der auf­ge­wühl­te Mann ruhig gestellt wer­den musste.

    Die Schläge eines der Polizisten zum Kopf des Mannes hat er nicht gese­hen. Er berich­te­te zudem, dass der 47-Jährige sich mit enor­mer Kraft gewehrt habe. Der Zeuge hat tür­ki­sche Wurzeln, ist seit 1992 Rettungssanitäter und pri­vat DFB-Fußball-Schiedsrichter. Er betei­lig­te sich an den Reanimationsmaßnahmen für den Bewusstlosen und berich­te­te auch von den vie­len Beleidigungen der Polizei gegen­über bei dem Einsatz.

    Sein Bruder, der mit ihm im Restaurant saß, sag­te eben­falls aus. Er habe gese­hen, wie ein Polizist den 47-jäh­ri­gen im Stehen geschla­gen habe. Dies ließ sich aber anhand eines im Gericht gezeig­ten Überwachungsvideos für den Marktplatz nicht nach­voll­zie­hen. Dort ist nur zu sehen, wie der 47-jäh­ri­ge dem Polizisten einen Faustschlag versetzt.“
    https://​www​.swr​.de/​s​w​r​a​k​t​u​e​l​l​/​b​a​d​e​n​-​w​u​e​r​t​t​e​m​b​e​r​g​/​m​a​n​n​h​e​i​m​/​n​a​c​h​-​p​o​l​i​z​e​i​g​e​w​a​l​t​-​i​n​-​m​a​n​n​h​e​i​m​-​b​e​g​i​n​n​t​-​p​r​o​z​e​s​s​-​g​e​g​e​n​-​z​w​e​i​-​p​o​l​i​z​i​s​t​e​n​-​1​0​0​.​h​tml vom 17.01.2024

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