"Unangekündigte brachiale Polizeieinsätze gegen Menschen im Kirchenasyl"

In Hamburg wird im März gewählt. Der SPD-Hardliner und Innensenator Andy Grote führt den "Kampf gegen rechts und für unse­re Demokratie", indem er erst­mals seit 40 Jahren ein Kirchenasyl bre­chen läßt. Der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Rechtsaußen hat­te sich mit sei­ner Coronapolitik inter­na­tio­nal einen berüch­tig­ten Namen gemacht. Noch bevor sein Kanzler Scholz die Phrase ver­wen­de­te, sprach Grote im Mai 2021 "von 'einer klei­nen Zeitenwende', die sich die Hamburgerinnen und Hamburger hart erar­bei­tet hät­ten". Gemeint war die Aufhebung der fünf­wö­chi­gen nächt­li­chen Ausgangsbeschränkung "zur Eindämmung der Corona-Pandemie" (s. hier).

Aufsehen erreg­te Grotes "Pimmelgate"-Affäre:

Im Juni 2020 hat­te Grote, im Gegensatz zu sei­nen eige­nen Verfügungen Kontaktverbote betref­fend, "in einer Bar in der Hafencity mit zahl­rei­chen Gästen auf sei­ne Wiederwahl als Senator ange­sto­ßen" (web​.archi​ve​.org, 27.6.20). Was unter Coronagläubigen als Skandal galt, ende­te mit einer lau­en Entschuldigung und einem Bußgeld, aber ohne den gefor­der­ten Rücktritt. Um so grö­ßer war die Empörung über sei­nen Tweet vom 30.5.21 mit 121 Likes:

Zu den hef­ti­gen Reaktionen aus der lin­ken Szene gehör­te ein Tweet mit der Äußerung "Du bist so 1 Pimmel". Darauf wie­der­um star­te­te die Innenbehörde eine mar­tia­li­sche Hausdurchsuchung (s. hier und hier). Im August 2022 wur­de dies vom Hamburger Landgericht als rechts­wid­rig gerügt, ein ent­spre­chen­des Verfahren gegen den Urheber des Tweets war schon zuvor ein­ge­stellt wor­den (web​.archi​ve​.org, 17.8.22).

Prosten in Kannälen

Am 24.2.22 war auf mopo​.de zu lesen:

»17.48 Uhr: Hamburgs Innensenator Andy Grote befürch­tet durch die rus­si­sche Aggression in der Ukraine wei­te­res Konfliktpotenzial im Streit um die Corona-Politik in Deutschland. 

Innerhalb der Corona-Protestbewegung gebe es eine Strömung, „die russ­land­freund­lich ist“, sag­te der SPD-Politiker am Donnerstag. Es kön­ne sein, dass sich dies auch „in den Prosten [sic] auf der Straße bemerk­bar macht – die­se pro-rus­si­sche Tendenz in die­sem Spektrum“. Entsprechende Erklärungen kur­sier­ten bereits in den Social-Media-Kannälen [sic] und in den Messenger-Diensten.

Die russ­land­freund­li­chen Tendenzen unter Corona-Kritikern sei­en auch am Donnerstag bei Beratungen der Innenminister von Bund und Ländern über die Auswirkungen des rus­si­schen Angriffs erör­tert wor­den. „Das ist etwas, das wir auch bun­des­weit beob­ach­ten wol­len“, sag­te Grote.«

(Der Link ist nicht mehr ver­füg­bar. Ähnlich, aber mit Korrekturen, auf zeit​.de.)


Nun also schwingt sich der Law-and-order-Politiker auf den rechts­ra­di­ka­len Zug. Unter der Überschrift "Migration: Ende des Kirchenasyls?" berich­tet am 4.10.24 sued​deut​sche​.de:

»Es ist weit nach Mitternacht, als sich fünf Polizisten mit Taschenlampen am 30. September 2024 dem klei­nen Pfarrhaus der Kirche St. Christopherus in Hamburg nähern. Ein Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes bohrt die Eingangstür auf, auch ein Arzt, ein Dolmetscher und lei­ten­de Beamte der Hamburger Ausländerbehörde sind dabei. Die Polizei hat einen Durchsuchungsbeschluss mit­ge­bracht. Im Erdgeschoss, wo frü­her der Pfarrer wohn­te, gibt es eine klei­ne Gästewohnung. Der Mann, der dort lebt, ist das Ziel des Einsatzes.

Die katho­li­sche Pfarrei Heilige Elisabeth, zu der die Kirche gehört, gewährt einem 29-Jährigen aus Afghanistan, der nach Angaben der Kirche schwer krank ist, seit dem 9. August 2024 hier Kirchenasyl. Das bedeu­tet, er darf sich nur auf dem Kirchengelände auf­hal­ten, Anspruch auf Geld und medi­zi­ni­sche Versorgung hat er nicht, Kirchenmitarbeiter küm­mern sich um ihn. Er ist bei der kirch­li­chen Traumastelle in Behandlung und auf Medikamente angewiesen.

„Er war ganz ruhig, wie versteinert“

Der Geflüchtete lei­stet kei­nen Widerstand. „Er war ganz ruhig, wie ver­stei­nert“, sagt Diakon Andreas Petrausch, der zufäl­lig dabei ist in die­ser Nacht, weil er alar­miert wur­de und in der Nähe wohnt. Petrausch ist seit sechs Jahren Flüchtlingsbeauftragter des Erzbistums. Petrausch kann – umringt von Einsatzkräften – noch kurz mit dem 29-Jährigen spre­chen, dann wird der Mann nach Frankfurt gebracht, dort muss er in ein Flugzeug nach Schweden steigen.

Seit 40 Jahren wur­de in Hamburg kein Kirchenasyl mehr gebro­chen. Eigentlich gibt es bereits seit 2015 eine Vereinbarung zwi­schen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BamF) und den Kirchen

Für die SPD-geführ­te Innenbehörde in Hamburg ist der Fall ein­deu­tig: Der Antrag des Afghanen, ein Asylverfahren in Deutschland zu füh­ren, wur­de als unzu­läs­sig abge­lehnt. „Gemäß Dublin-III-Verordnung erfolgt die Prüfung des gestell­ten Asylantrags sowie der Fluchtgründe stets im zustän­di­gen Mitgliedstaat – in die­sem Fall Schweden“, sagt der Sprecher des Innensenators…

Hamburg ist kein Einzelfall, nach Jahren der Ruhe geht die Polizei deutsch­land­weit immer mas­si­ver gegen Kirchenasyle vor. Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ zähl­te von Juli 2023 an allei­ne sie­ben Fälle, in denen die Polizei ein Kirchenasyl räu­men ließ – so vie­le wie in zehn Jahren zuvor nicht…

„Richtig wütend“ sei sie, sagt die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich. „Unangekündigte bra­chia­le Polizeieinsätze gegen Menschen im Kirchenasyl sind völ­lig über­zo­gen und unver­hält­nis­mä­ßig“, so Heinrich. Kirchenasyl wer­de „immer aus guten Gründen und erst nach sorg­fäl­ti­ger Prüfung“ gewährt. „Und genau des­halb wer­den wir die­ses Engagement nicht auf­ge­ben, auch wenn der poli­ti­sche Druck steigt und die Abschiebezahlen erhöht wer­den sol­len.“…«

5 Antworten auf „"Unangekündigte brachiale Polizeieinsätze gegen Menschen im Kirchenasyl"“

  1. Aya Velázquez
    In eige­ner Sache: Dafür wer­de ich vom Verfassungsschutz beobachtet
    Nachdem der Verfassungsschutz die Antwortfrist auf mei­ne Anfrage über­schrit­ten hat­te, wofür ich eigent­lich beob­ach­tet wer­de, kam nun eine Antwort.
    Das Ergebnis ist erschreckend lächerlich.
    Aya Velázquez
    Oct 03, 2024

    https://substack.com/home/post/p‑149546170

    s. dazu
    https://​nor​bert​haer​ing​.de/​m​a​c​h​t​-​k​o​n​t​r​o​l​l​e​/​a​y​a​-​v​e​l​a​z​q​u​e​z​-​v​e​r​f​a​s​s​u​n​g​s​s​c​h​u​tz/

  2. Was regen Sie sich denn auf? Das gehört alles zum System, denn das funk­tio­niert nun­mal nicht anders. Schönen Sonntag weiterhin!

  3. Kann man das so sagen, "poli­ti­scher rechts-aussen der SPD"? Früher (vor Jahrzehnten) habe ich Die mal gewählt, und hal­te mich sogar Heute noch für eine Art "Sozialdemokrat" – DIE aber nicht mehr so! (jeden­falls nicht mehr so wie damals) Deswegen ver­wun­dert mich die­se Betitelung. Aber was soll's, auch ich muss­te letzt­end­lich durch das Leben ler­nen, und nicht durch die "poli­ti­schen" Sprüchekloppereien um Wählers Stimme.

    Könnte man sich nicht eini­gen auf "Flügel", weil "aussen" klingt so nach "Minderheit"? – Rechter Flügel der SPD! Ein paar "lin­ke" denen ich's zuge­ste­hen wür­de, gibt's da ja immer noch. Auch wenn man's schwer glau­ben mag, zuwei­len. Aber eins ist wahr. "Rechts" und "Links" tau­gen manch­mal gar nicht viel, um eine "Haltung" dar­zu­le­gen. "Haltung", was ist das eigent­lich SPD? 🙂
    [… und Frau Buyx natürlich .…]

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