Merkwürdig an der Analyse mit manchen richtigen Erkenntnissen ist, daß die Autorin paradoxes Wahlverhalten nur bei den Stimmen für die AfD sehen will.
»Die AfD ist gegen einen höheren Mindestlohn, möchte das Bürgergeld einschränken und stattdessen die Erbschaftsteuer abschaffen. Populistische Parteien setzen sich selten für Geringverdiener ein…
Trotzdem gibt die AfD vor, die Partei der Durchschnittsbürger zu sein und vor allem für diejenigen Politik zu machen, die kaum Vermögen haben und wenig verdienen. Eine Rhetorik, die ankommt. Viele Menschen wählen mitunter aus Angst vor Altersarmut die AfD, zeigt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung…
Solche Aussagen scheinen derzeit nur deshalb so gut anzukommen, weil viele Menschen unzufrieden sind. "Man wird aus Frust und Enttäuschung empfänglicher für populistische Parteien", sagt Neumeier. Dieser Frust speist sich laut dem ifo-Experten aus der weiter zunehmenden Ungleichheit. Deutschland zählt mittlerweile du den fünf Ländern mit der größeten Vermögensungleichheit in Europa.
Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigen sogar, dass Deutschland so ungleich ist wie kein anderes europäisches Land. Hierzulande besitzen die reichsten fünf Prozent rund 48 Prozent des Gesamtvermögens…
Die Hans Böckler Stiftung konnte zeigen, dass viele Angestellte in Ostdeutschland nicht nach Tarif bezahlt werden und somit nicht nur schlechter entlohnt, sondern auch seltener für den Urlaub oder zu Weihnachten bezuschusst werden…
Kaum ostdeutsche Vermögende
Dass der durchschnittliche westdeutsche Haushalt mit 121.500 Euro etwa doppelt so wohlhabend ist wie der in Ostdeutschland mit knapp 50.000 Euro, stellte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bereits 2019 fest. Auch besitzen Ostdeutsche seltener Immobilien als Westdeutsche. Das gilt sogar in den ostdeutschen Großstädten: In Leipzig gehören 70 Prozent der Eigentumswohnungen Menschen aus Westdeutschland…
Wenn Finanzminister Christian Lindner beschließt, mit der Schuldenbremse Milliarden einzusparen, verzweifeln die meisten bei solchen Nachrichten nicht sofort. Allerdings wirken sich diese finanziellen Entscheidungen langfristig direkt und spürbar auf das tägliche Leben vieler aus…
Außerdem bestimmt die Finanzpolitik, wie der Besitz in Deutschland verteilt wird. Zum Beispiel gibt es seit dem Jahr 1997 keine Vermögenssteuer mehr. Gleichzeitig werden Unternehmen teilweise von der Erbschaftsteuer befreit. Das Vermögen vieler deutscher Milliardäre, wie der BMW-Erbin Susanne Klatten oder dem Lidl-Gründer Dieter Schwarz, fußt aber auf Unternehmen und Kapitalbesitz wie Aktien. Das sorgt dafür, dass Milliardäre steuerlich besser gestellt sind als Menschen aus dem Mittelstand…«
Das sind richtige Beobachtungen, wobei sie nicht nur auf Ostdeutschland zutreffen. Das Dargestellte wurde möglich, weil schon lange nicht nur Geringverdienende ihre Stimme gegen ihre Interessen abgaben. Vielleicht mit Ausnahme der Linkspartei will an den beschriebenen Verhältnissen keine Partei, wie auch die AfD, etwas ändern. Deren gegenwärtiger Vorteil wie der des BSW ist: Sie war noch an keiner Regierung beteiligt. Mit allen anderen Parteien haben die WählerInnen eher schlechte Erfahrungen machen müssen. Ihre irrationale Hoffnung, es werde etwas besser, weil frischer Wind und Aufräumen versprochen wird, hat so wenig eine Grundlage wie der Glaube daran, daß traditionelle Parteien etwas "für unser Land" und "die da unten" erreichen wollten. Schließlich ist es absurd zu erwarten, die beschriebenen Ungleichheiten änderten sich dadurch, daß Grenzen abgeriegelt und Menschen ausgewiesen werden.
"Deutschland den Deutschen, Ausländer raus", läßt sich heute auf hippe Rhythmen in Edel-Restaurants genau so grölen wie auf Wahlsiegfeiern. Daß damit eine Gemeinsamkeit der genannten Multimilliardäre und prekär lebender Menschen imaginiert wird, fällt dabei nur wenigen auf. Wie bei Corona wird ein Volksganzes phantasiert, das sich, um Lockdowns und Schulschließungen zu vermeiden, gegen eine Minderheit, in dem Fall der "Impfverweiger", wehren muß. Damals stellten nur wenige die Frage, ob dabei die Interessen von Biontech und der Telekom identisch mit denen der meisten Menschen waren. Auch heute wird von solchen Themen abgelenkt, indem Sündenböcke präsentiert werden. Sie waren und sind stets austauschbar, können JüdInnen sein oder "Sozialschmarotzer", "Russenknechte" oder eben Menschen ohne deutschen Paß. Noch nicht lange vorbei ist die Zeit, da ein Impfpaß den Unterschied machte.
Die Antworten in der "Zeit"-Analyse sind nicht falsch, erinnern nur leider an Sonntagsreden:
»So könnte eine Finanzpolitik Gewerkschaften stärken, indem sie zum Beispiel Tarifgehälter steuerlich privilegiert behandelt. Auch könnte sie höhere Steuern auf besonders große Vermögen einführen, wie es die Ökonomin Jirmann fordert. Sie meint damit zum einen eine Vermögenssteuer von mindestens zwei Prozent im Jahr, die sich eben nicht auf Einkommen aus Erwerbsarbeit bezieht. "Es darf keine steuerlichen Ausnahmen bei großen Erbschaften mehr geben", sagt sie.
Allein eine Vermögenssteuer hätte dem deutschen Staat in den vergangenen 30 Jahren 380 Milliarden Euro eingebracht. Geld, das Deutschland einsetzen könnte, "um in die Bildung, neue Wohnungen und die Infrastruktur vor allem auf dem Land zu investieren", wie Jirmann sagt. Dazu gehören laut Kriwoluzky auch gut ausgestattete Schulen und Universitäten. Damit sich dort weniger Menschen benachteiligt fühlen und weniger für populistische Parteien stimmen.«
Der Pferdefuß versteckt sich im letzten Satz. So lange brav die bisher regierenden Parteien gewählt werden, scheint es keinen Handlungsbedarf zu geben. Zumal sich anscheinend Menschen auch nur benachteiligt fühlen.
Hier liegen zwei Denkfehler vor. Einmal sind die genannten Themen zwar wichtig für die WählerInnen, spielen aber in den Forderungen der populistischen Parteien kaum eine Rolle oder werden systemkonform begleitet. Zum anderen nehmen viele WählerInnen nationalistische bis völkische Parolen nicht einfach nur als bedauerliche Begleitumstände von Protest hin. So wie die Ausgrenzung von "MaßnahmekritikerInnen" nicht nur das Werk von ExtremistInnen in Politik und Medien war, sondern massentauglich gemacht wurde, verhält es sich in der Migrationsfrage. Da nehmen sich allenfalls in der Wortwahl, und auch da immer weniger, die Parteien am rechten Rand und die etablierten nichts.
Beigetragen zu der Situation haben aber auch die dümmlichen Demonstrationen "für die Demokratie" und die arroganten Aufrufe, wählen zu gehen, nur bloß nicht blau. Sie haben in ähnlicher Weise populistisch agiert, indem einfache Antworten auf komplexe Probleme gegeben wurden, und dabei Macht und Interessen ausgeklammert wurden.
https://www.t‑online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100494956/afd-hoehenflug-bei-brandenburg-wahl-das-ist-ein-skandal.html
Dazu mal diese Meinung. Der Autor hat sich in der so genannten "Corona"-Krise vehement und permanent damit hervorgetan, alle "Schutz"-Maßnahmen so richtig passend und angebracht zu finden, so wie viele seiner Kollegen und Kolleginnen bei diesem Portal. Ich wohne nicht in Brandenburg, bin in keiner Partei, aber wenn ich eine der beiden erfolgreichen Parteien gewählt hätte, würde ich mich durch solchen Meinungskommentar sehr beschimpft und verunglimpft fühlen.
Zitat:
Man muss es so klar sagen: Nicht jeder, der die AfD wählt, ist ein Rechtsextremist – aber jeder, der rechtsextremistischen Landesverbänden der AfD zu Wahlerfolgen verhilft, versündigt sich an der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
Ende Zitat
Was heißt "versündigen"?, frage ich. Sollen hier wieder mal Schuldgefühle erzeugt werden so wie in 2020, 2021, 2022, 2023: "Nur wenn sich alle an die Regeln halten, kann die Pandemie beendet werden." "Nur wenn sich alle impfen lassen, kann die Pandemie beendet werden." "Nur wenn alle Masken tragen … " – der Rest der Liturgie ist bekannt.
Wer hat sich versündigt? Die Maßnahmenbefürworter oder die Opfer der "Schutz"-Maßnahmen?
@Dunkelziffer: Kann denn Wählen Sünde sein? Wäre mal ein nettes Remake. Natürlich werden in dem Artikel Phrasen gedroschen und ein Zerrbild der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" vorausgesetzt, das nicht ganz zu dem dreisten Satz paßt: "AfD-Wähler gehören nicht ausgegrenzt, aber konfrontiert: Sie sollten die Verpflichtung spüren, sich für ihre Wahlentscheidung rechtfertigen zu müssen". Wählerbeschimpfung hat schon gegen die NSDAP nicht geholfen und taugt schon mal gar nichts, wenn die Schimpfenden inhaltlich ganz ähnliche Positionen vertreten wie die Geschmähten. Gerade Brandenburg hat gezeigt, daß die WählerInnen eher das Original der Remigrationspolitik wählen als die Kopie von Herrn Merz.
Zur letzten Frage: Man könnte sie auch umdrehen. Wer hat sich versündigt? Die Maßnahmengegner, die jetzt ihrerseits Sündenböcke stigmatisieren, und zwar Hand in Hand mit den angeblich bekämpften "Altparteien"?
Wenn Meinung ein Diktat ist, ist jedes Wahlergebnis vorhersehbar. Das fängt schon mit den Bordsteinfratzen an.
afd = germany first!
die leute identifizieren sich mit germany und übersehen, daß ihre verelendung germany first nicht widerspricht.
wenn die in/ausländer weniger bürgergeld bekommen, dann steigen die renten, die löhne, die mieten sinken?
germany first ist der primat des wirtschaftswachstums als des gesamtgesellschaftlichen zieles, dem sich jeder zu unterwerfen hat, auch der bürgergeld empfänger, der mieter, der rentner, der arbeiter, usw.
ob "du" eine wohnung hast, heizung, oder so, ist nicht wesentlich.
germany first ist eine mobilmachung der arbeitskraft, die durch populismus motiviert wird, zur arbeit gebracht wird.
man wird in anspruch genommen, man muß verzichten, für germany first, wenn deutschland wieder gesund ist, wird man belohnt werden.
der "klimawandel" ist auch populistisch, weil er verzicht fordert, im namen des Planeten Erde, und damit davon ablenkt, daß auch die weltrettung dem staatsziel wirtschaftswachstum dient, auch wenn die rechnung nicht aufgeht.
die rüstung ist wirtschaftswachstum durch ein ungenießbares produkt, die rüstung zehrt den verzicht auf und verlangt weiteren verzicht, verarmung.
die rüstung zehrt wirtschaftswachstum auf, weil sie unproduktiv ist. das zeug ist schrott.
man verarmt für deutschland, man läßt sich für deutschland impfen, man verarmt fürs klima, für den kampf gegen die tyrannen, die feinde der menschheit, die versklaven wollen, die die freiheit bedrohen.
populismus sagt dem volk, es wird besser werden, wenn wir uns anstrengen, wenn das virus weg ist, wenn die zeitenwende geschafft ist, wenn die ausländer integriert sind, wenn das klima abkühlt, wenn die sonne scheint.
Btw:
> Hans Böckler hat sein Leben lang für die Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit gekämpft – ein Anliegen, dem die Hans-Böckler-Stiftung bis heute verpflichtet ist.
Sehen Sie, so werden wir belogen. Denn der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Arbeit und privater Aneignung des durch gesellschaftliche Arbeit erzeugten Mehrwertes ist im Kapitalismus nicht lösbar. Es ist gleichermaßen der Grundwiderspruch einer ganzen Epoche.
Die Kleinen Leute – also Geringverdiener, Arbeitslose und Habenichtse – haben gelernt, dass sie immer den Kürzeren ziehen, egal wen sie wählen. Und da sie ohnehin gefickt werden, ficken sie halt zurück.