Die von Lauterbach und Wieler erzeugte Panikstimmung erreicht im Frühsommer 2022 auch die Gesundheitsämter. Am 3.6.22 wendet sich eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes der Stadt Kassel mit einer Mailanfrage an den Krisenstab:
»Betreff: Anfrage Umgang Verdachtsfälle Omikron BA.5 (Einreisende Portugal)
Guten Tag liebe Kolleg:innen des RKI!
Wir sind hier gerade in Abklärung einer medizinischen Angestellten (geboostert geimpft), die sich bis zum letzten Maiwochenende in Portugal (Rundreise) aufgehalten hat und direkt nach der Rückkehr entsprechende recht ausgeprägte Symptomatik entwickelt hat (aber nicht hospitalisiert).
Mittlerweile ist die SARS-CoV‑2 Infektion bestätigt, wir haben das Labor um die Sequenzierung gebeten. Das Ergebnis wird uns aber nicht zeitnah erreichen. Sollte hier Ihrer Ansicht nach nicht vielleicht doch schon eine verschärfte Absonderung, ggf. auch der Kontakte erfolgen? Ansonsten können die Personen nach 5 Tagen raus, auch mit einer Krankschreibung darf man ja das Haus verlassen. KPs unterliegen rechtlich keiner Absonderung. Wir überdenken gerade hausintern weitere Maßnahmen auf Grundlage des IfSG, hätten aber gerne grundsätzlich Ihre Einschätzung dazu, da die Reiserückkehr uns entsprechende Konstellationen häufiger bieten wird. Noch gibt es dazu keine offiziellen Empfehlungen. BA.5 könnte uns ansonsten überrollen.
Danke und freundliche Grüße«
Eine halbe Stunde später wird ihr geantwortet:
»,,, Die Variante BA.5 wurde als "Variant of Concern" eingestuft, d.h. bei gesicherter und intensiver Exposition von Kontaktpersonen wäre es sicher angebracht, hier über die Anordnung einer Quarantäne nachzudenken. Die konkrete Entscheidungn bzgl. Isolierung/Quarantäne liegt bei ihnen. Eine verlängerte Isolierung bei negativem PCR-Test ist jedoch vermutlich nicht einfach zu begründen.«
Die Kollegin aus Kassel hakt nach:
»… In dem geschilderten Fall ist mittlerweile bekannt, dass die Kinder weiter in die Schulen geschickt worden, das erste bereits auch seit Mittwoch PoC pos. und leicht symptomatisch, das 2. Kind saß trotzdem heute noch in der Grundschule. Schauen wir mal, wie schnell sich das entfaltet. PCRs zu den Kinder konnten wir nicht organisieren, weil keiner testen konnte/wollte. Viele Hausärzte nehmen sich da aus finanziellen Gründen raus. PCR Teststellen in für die Betroffenen erreichbarer Entfernung gibt's nicht und wenn, testet man da ja nur Asymptomatische. Derzeit haben wir also nur die Reiseanamnese und keine VoC-Bestätigung, können also rechtlich eigentlich nur nach Hessischer Verordnung arbeiten – 5 Tage Iso, dann raus aus der Absonderung, egal ob weiter positiv oder nicht – eigenverantwortlich soll der Betroffene dann entscheiden und eigenverantwortlich Kontakte reduzieren. Nur in der Klinik arbeiten darf die Krankenschwester nicht, dafür braucht sie einen negativen Test oder PCR mit CT>30. Für das Verlassen der häuslichen Isolation ist nach den 5 Tagen in Hessen kein weiterer Test erforderlich. Das mal als Real-Life Bericht. Das Labor des Klinikum Kassels hat uns mitgeteilt, dass sie aktuell immer noch auf der Suche nach einem Labor für die Sequenzierung sind.
Wir verfügen weitestgehend nur über die PM über BA.5 in Portugal. Welche Erkenntnisse liegen Ihnen vor? Ist da ein strengeres Vorgehen überhaupt wichtig/indiziert? Überdenkt man Einreiseregelungen? Die Presse spricht von einer hohen Hospitalisierungsrate unter dieser eigentlich deutlich besser grundimmunisierten portugiesischen Bevölkerung? Wissen Sie da Näheres? Stimmt das überhaupt?…«
Am 7.6.22 gibt es eine Rundmail an den Krisenstab:
»… Liebe Kolleginnen und Kollegen,
diese Frage/der "Erfahrungsbericht" des GA Kassel (s. unten) sollte auf die TO der morgigen Sitzung der Lage AG (COVID-19) gesetzt werden, da hinsichtlich besonderer Maßnahmen bei einer VOC bei Einreise zahlreiche FGs betroffen wären (etwa FG31, FG36, FG37, FG14, ZIG) und hier offensichtlich Informationsbedarf von Seiten der GÄmter besteht.
Im Speziellen Fall geht es um ggf. gebotene Maßnahmen bei Einreise aus Portugal im Sinne des Containments…«
Der Schriftwechsel, der hier unter Verzicht von "sics" wiedergegeben wird, findet sich im geleakten Dokument "Bitte auf die TO des KS_Lage-AG am 8_7_2022 AW_ID 5411_Anfrage Umgang Verdachtsfälle Omikron BA_5 (Einreisende Portugal).msg" im Ordner für den 8.6.24. Dort gibt es die Tagesordnung der Sitzung in Form zweier Entwürfe. Dort wird der Punkt in TOP 4 "Aktuelle Risikobewertung" erwähnt: "Maßnahmen bei einer VOC bei Einreise (ID 5411)". Im Protokoll der Sitzung erscheint das Thema in TOP 14 "Transport und Grenzübergangsstellen":
Antworten an das Gesundheitsamt sind nicht überliefert.
Das geleakte Dokument gibt es hier.
Sonst noch Fragen?
Einerseits verzichtet der Krisenstab hier auf einen weiteren Panikschub. Andererseits kommt niemand auf Idee zu fragen, wie es um den Schutz durch die "Impfungen" bestellt ist. Ausgangspunkt war eine Frau ("geboostert geimpft"), die nicht nur positiv getestet war, sondern eine "recht ausgeprägte Symptomatik entwickelt" haben soll. Keine Frage ist auch, wieso ausgerechnet das Vorzeigeland Portugal mit seiner "Impfquote" von 87 % mit einer erhöhten Hospitalisierungsrate und einer gestiegenen Sterblichkeit zu kämpfen hat.
Der mediale Kontext war damals:
Was erklären die "Experten"?
»… „Die angekündigte Sommerwelle ist leider Realität geworden. Das bedeutet auch für die nächsten Wochen wenig Entspannung“, sagte Karl Lauterbach…
Da wir „wieder sehr viele ungeschützte Kontakte haben, reicht der positive Effekt des Sommerwetters leider nicht aus, um die derzeitig sehr starke Welle zu verhindern“, sagt Ralf Reintjes, Epidemiologe der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften…
"Eine regelrechte Welle kann Probleme verursachen und stellt eine Gefahr für Risikogruppen in Deutschland dar: Ältere und Menschen mit chronischen Erkrankungen“, warnt [Timo] Ulrichs…
Nach bisherigen Daten sind diese beiden Varianten, die nun dominant werden, nicht nur sehr ansteckend, sondern eventuell auch stärker krankmachend (pathogener), beurteilt Friedemann Weber, Virologe Universität Gießen die aktuelle Corona-Lage: „Es ist also durchaus möglich, dass der momentane Anstieg noch eine Weile anhält und auch zu einer Zunahme an Todesfällen führt – so wie es in Portugal zu beobachten ist.“ Dennoch hätten wir dank Impfungen und wegen vorheriger Infektionen eine gewisse Populationsimmunität..
Darum erklärte auch Virologe Christian Drosten kürzlich, er sei „etwas beunruhigt“ angesichts der Entwicklung in Portugal, wo nicht nur die Inzidenz, sondern auch die Sterbefälle anstiegen..«
Neben Zwischenüberschriften wie "Brauchen wir wieder mehr Maßnahmen?", "Droht im Herbst erneut ein Lockdown?", "Wer sollte sich jetzt die vierte Impfung holen – wer kann warten?" wird ungeniert diese Grafik gezeigt:
Mehr zur damaligen Lage in Portugal und der Stimmungsmache hierzulande in:
Das war der Hintergrund:
"Pressekonferenz zur COVID-19-Impfstrategie im Herbst und zum G7-Gipfel der Gesundheitsminister:innen" (youtube.com, 18.5.22)
(Hervorhebungen in blau nicht in den Originalen.)
Update:
»Eine Initiative der Luftwaffe kam an: Gemeinsam mit den Johannitern und dem Kassel-Airport wurde der Impffortschritt vorangetrieben. Denn auf dem Rollfeld hieß es am Wochenende nicht „ready for takeoff“, sondern Ärmel hochkrempeln für die COVID-19Coronavirus Disease 2019-Impfung. Besonders Kinder wurden mit dem Konzept des Impf-Airbus angesprochen.
Die Faszination für die Luftfahrt und der Wille, die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern: Die Luftwaffe hat gezeigt, dass sich beides vereinen lässt. Mit dem Airbus A400M, umfunktioniert in eine mobile Impfstation, konnten sich Luftfahrtbegeisterte am vergangenen Wochenende eine Impfung abholen und gleichzeitig das Flugzeug besichtigen.
142 Erstimpfungen, davon 112 für Kinder
Dass der Impf-Airbus der Luftwaffe gut angekommen ist, beweisen die Zahlen:
- 840 Impfungen
- 142 Erstimpfungen (davon 112 für unter Zwölfjährige)
- 135 Zweitimpfungen
- 563 Booster
Von 10 bis 18 Uhr wurde vergangenen Samstag und Sonntag alles darangesetzt, die COVID-19Coronavirus Disease 2019-Impfung an die Frau beziehungsweise an den Mann zu bringen. Das Lufttransportgeschwader 62 aus Wunstorf hat dazu einen A400M zur Verfügung gestellt und wurde tatkräftig durch die helfenden Hände der Johanniter, von Mitarbeitern am Kassler Flughafen und von Sanitätsstabsoffizieren der Reserve unterstützt.
„Ich freue mich, dass die Aktion so gut angenommen wurde, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen so hervorragend klappt und dass wir damit zum Impferfolg in ganz Deutschland beitragen können“, sagte Oberstarzt d. R.der Reserve Dr. Florian Wolf vor Ort. Jeder Piks zähle im Kampf gegen die Pandemie.«