"Ablage P" des RKI (28). Isolation von Alten. Schaade bleibt knallhart

Am 11.5.22 wird im Krisenstab dar­über dis­ku­tiert, ob die prak­ti­zier­te Isolierung in Heimen und Krankenhäusern von 14 Tagen ver­kürzt wer­den soll. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza schlägt vor, sie, wie in der übri­gen Bevölkerung üblich, auf 5 Tage zu verkürzen.

Ein Mailwechsel aus dem Leak zeigt, daß ein sol­cher Vorschlag selbst aus dem Ministerium kommt ("Abu Sin_​AW_​WG_​Regelung zur Entisolierung.msg"). Sogar Ute Rexroth, wahr­lich kei­ne Lockerungsfanatikerin, kann sich das vor­stel­len. Der Vorschlag wird abge­schmet­tert von Lars Schaade, sekun­diert von Frau Dr. Muna Abu Sin aus dem "FG 37: Noso­komiale Infek­tionen, Surveillance von Antibiotika­resistenz und ‑ver­brauch".

Im Folgenden wird aus den Mails unter Beibehaltung der dor­ti­gen Schreibweise zitiert. Sehr vor­sich­tig fragt Dr. Katharina Jung vom BMG-Referat 614 – "Infektionskrankheiten" am 10.5.22 an:

»Betreff: Regelung zur Entisolierung

Liebe Frau Rexroth,

im Nachklang zur heu­ti­gen AGI möch­te ich noch eine Anmerkung zu Isolierung von Bewohnerinnen und Bewohnern in Alten- und Pflegeheimen machen.

Ich bin mir sicher, dass die­se Regelungen nach sorg­fäl­ti­ger fach­li­cher Prüfung zum Schutz die­ser vul­ner­ablen Gruppe erstellt wurden.

Mir fällt aber auf, dass es ein Spannungsverhältnis zwi­schen Schutz vor Infektion und schwer­wie­gen­der sozia­ler Einschränkung für die hoch­be­tag­ten Menschen in die­sen Einrichtungen gibt.

Meine Befürchtung ist, dass die lan­ge Isolierungsdauer in den Heimen einen ein­schnei­den­den Verlust an Lebensqualität für die alten Menschen bedeutet.

Deshalb fra­ge ich mich, ob das RKI z.B. einen Appendix mit Modifikationsmöglichkeiten an die Empfehlung anhän­gen könn­te, der genau die­se Thematik aufgreift.

Duktus: Ja, aus Infektionschutzgründen müs­sen wir län­ger iso­lie­ren, aber alte Menschen sol­len nicht durch die Isolation unnö­tig lei­den:

Deshalb hier Modifikationsmöglichkeiten wie z.B.:

Im Sinne des Infektionsschutzes darf kein nor­ma­ler Besuch emp­fan­gen wer­den, aber es ist denk­bar, dass eine defi­nier­te Bezugsperson mit PSA kom­men darf (damit der alte Mensch nicht ver­einsamt und auch in sei­ner Krankheit Nähe und Trost bekom­men kann). Oder so

Aus mei­ner Sicht wäre das ein ech­ter Fortschritt, eine wich­ti­ge Orientierungshilfe und ein les­sons lear­ned aus den har­ten Zeiten, die Menschen in Alten- und Pflegeheimen schon hin­ter sich haben.

Falls das alles schon Gegenstand der Debatte war oder es so etwas schon gibt, ent­schul­di­ge ich mich, ich habe das erst heu­te so rich­tig mitbekommen.

Viele Grüße

Katharina Jung«

Zwanzig Minuten spä­ter lei­tet Ute Rexroth die Mail weiter:

»Lieber Herr Schaade, lie­ber Herr Mielke, lie­be Michaela,

wie letz­te Woche im Krisenstab bespro­chen habe ich der AGI noch­mal die avi­sier­ten Überarbeitungen des Entlassmanagement im Pflege- und Krankenhaussetting vor­ge­legt. Niemand wider­spricht die­ser Aktualisierung, aber wie erwar­tet gehen sie den KollegInnen der Bundesländer nicht weit genug. Dass die Dauer der Isolation bei Bewohner:innen der Heime bzw. Stationär betreu­ten Patient:innen bei 14 Tagen bleibt (bei Symptomlosen auf 10 redu­ziert wer­den kann) , wäh­rend sie bei ande­ren bei 5 Tagen liegt, wird als unver­hält­nis­mä­ßig hart ein­ge­stuft. Es bestehen recht­li­che Bedenken wegen der Ungleichbehandlung und befürch­te­ten Nachteilen hin­sicht­lich der sozia­len Teilhabe und med. Behandlung. Bayern und Baden-Württemberg erwäh­nen die­se RKI-Empfehlungen in ihren Absonderungsverordnungen expli­zit nicht erwäh­nen, weil sie die Bewohnenden der Allgemeinbevölkerung gleich­stel­len und nur den GÄ anheim­stel­len, u.U.in vul­ner­ablen Settings stren­ger vor­ge­hen. Aus deren Sicht könn­ten unse­ren Empfehlungen ersatz­los gestri­chen wer­den. Andere bit­ten um schnel­le Anpassung, weil sie sich ger­ne an RKI-Empfehlungen orientieren.

Bedenken wegen der unver­hält­nis­mä­ßi­gen Härte kom­men nun auch aus dem BMG selbst (sie­he unten, Frau Jung). Soweit ich die Diskussionen mit dem BMG ver­stan­den habe ten­dier­te man dort bis­lang eher zum Beibehalten der stren­gen Empfehlungen?

Sollen wir trotz die­ser Bedenken die aktu­el­le Version die­se Woche ersetz­ten? Ist eine wei­te­re Freigabe durch den Bundesminister erforderlich?

Viele Grüße,
Ute Rexroth«

Nach einer Stunde mel­det sich Schaade:

»Betreff: Re: WG: Regelung zur Entisolierung

Gibt es die­se Art von Sonderregelungen wie von Frau Jung erwähnt in Altenheimen denn nicht längst in den Spezialpapieren von FG37? Aber auch wenn nicht: dass man mit ord­nungs­ge­mä­ßer PSA mit Infektionenspatienten in nähe­ren Kontakt tre­ten kann und es sich den­noch wei­ter um eine Isolierung han­delt, ist doch eigent­lich selbst­er­klä­rend. Und es geht doch zudem auch gar nicht um den Schutz gesun­der Besucher bei der län­ge­ren Isolierung im Altenheim, son­dern um die ande­ren vul­ner­ablen Bewohner.

Dass soll­ten wir noch­mal mit FG37 prü­fen; dann Info an BMG, das wir das jetzt ver­öf­fent­li­chen und ggf. Hinweis auf die Spezialpapiere. Einverstanden?

Die 5 Tage in vul­ner­ablen Settings hal­te ich jeden­falls für nicht verantwortbar.

Gruß

LS«

PSA: Persönliche Schutzausrüstung

Am näch­sten Morgen schreibt Muna Abu Sin mit "Cc: Verteiler-Krisenstab":

»Liebe Alle,

bis­her ver­wei­sen wir auf die Entlasskriterien, zudem steht in dem Dokument Alten- und Pflegeeinrichtungen "Die Einrichtung soll­te Sonderregelungen für beson­de­re indi­vi­du­el­le Situationen (z.B. pal­lia­ti­ve Situation) fest­le­gen." Hier könn­ten wir ‑wenn gewünscht bei der anste­hen­den Überarbeitung des Dokumentes ggf noch etwas expli­zi­ter wer­den. Eine Isolierung inner­halb der Einrichtung – wie von Herrn Schaade bereits geschrie­ben- ist ja nicht gleich­zu­set­zen mit einem Besuchsverbot, dh bei Einhaltung der ent­spre­chen­den Hygienemaßnahmen und nach Risikoabwägung kön­nen auch Erkrankte Besuch wäh­rend der Isolation bekom­men.
Auch aus unse­rer Sicht sind die 5 Tage nicht zu ver­ant­wor­ten – auch eine Unterschreitung von 10 Tagen sehen wir als äußerst kri­tisch in die­sem vul­ner­ablen Bereich.

Viele Grüße
Muna Abu Sin«

Im Protokoll wird die Mail von Frau Jung nicht erwähnt. Es heißt dort in TOP 9 "Dokumente":

Auf den ersten Blick liest sich das wie ein Rückzieher. Allerdings geht es hier ledig­lich um Kontaktpersonen. In sei­nem Dokument "COVID-19: Entisolierung von Patient/-innen im sta­tio­nä­ren Bereich sowie Bewohner/-innen in Alten- und Pflegeheimen" vom 27.5.22 geht das RKI wei­ter­hin von 14 Tagen Isolierung aus. "Bei asym­pto­ma­ti­scher SARS-CoV-2-Infektion" schreibt es 10 Tage vor. Noch am 13.3.23 galt dies:

Schon ein­mal, im März 2022, hat­te Schaade ent­spre­chen­de Anregungen abge­bü­gelt (Dokument "AW_​Anliegen aus der AGI zu Kontaktpersonenmanagement_​Entlassmanagement und Teststrategie.msg" im Leak am 23.3.22).

"Es gibt keine Anzeichen, dass Impfungen an Ausscheidungen etwas ändern"

Die har­te Haltung ist in der Logik des RKI fol­ge­rich­tig. Seine Dogmen sind "Inzidenzen" und "Impfungen". Trotz eines Tiefstandes bei Hospitalisierung und auf den Intensivstationen ist ein­zig aus­schlag­ge­bend die "Inzidenz" von 507,1. Und man weiß: "Impfungen" schüt­zen nicht vor Infektionen, was im Sinne des RKI stets gleich­be­deu­tend ist mit Erkrankungen. Entsprechend heißt es noch im Protokoll vom 12.10.22 in TOP 11 "Dokumente", ein­ge­bracht von oben erwähn­ter Frau Abu Sin:


"Dr. Muna Abu Sin, stell­ver­tre­ten­de Leitung Fachgebiet 37, Robert Koch-Institut" war eine Ansprechpartnerin für die­ses Projekt:

Dort wird detail­liert die Manipulation bei der Zählung von "Fällen" dokumentiert:

Frau Abu Sin wur­de offen­bar für ihre Verdienste befördert:

"Interview with Dr. Muna Abu Sin, AMR Ambassador of the German Federal Ministry of Health", 17.7.24 (you​tube​.com):

(Hervorhebungen in blau und gelb nicht in den Originalen.)
Das gele­ak­te Dokument gibt es hier.

9 Antworten auf „"Ablage P" des RKI (28). Isolation von Alten. Schaade bleibt knallhart“

    1. … @Schaade vor Gericht, super! Dann wer­den die Osnabrücker RichterInnen Lars Schaade end­lich fra­gen kön­nen, ob er nur der Signalgeber für die Hochskalierung der epi­de­mio­lo­gi­schen Risikobewertung im März 2020 war, oder Schaade die­se Entscheidung anhand wis­sen­schaft­li­cher Daten höchst­per­sön­lich getrof­fen hat.

      Fährt Heiko Rottmann-Großner wie­der als Aufpasser mit?

  1. Ich hof­fe, dass Herr Schaade für sei­ne Taten mit lebens­läng­li­chem Freiheitsentzug bestraft wird und den Rest sei­nes Lebens in tota­ler Isolation verbringt.

  2. Ich den­ke eher, daß sich Frau Abu Sin selbst "beför­dert" hat. So wie ich die Webseite ver­ste­he, kann man sich selbst als Botschafter regi­strie­ren las­sen. Insgesamt gibt es 600 sol­che Botschafter. "Ambassador for AMR" – wenn ich das zu über­set­zen ver­su­che bekom­me ich einen Knoten im Hirn- schließ­lich wird man Botschafter für den Antimikrobiellen Widerstand? Aber es klingt sicher­lich groß­ar­tig. Das Thema will ich damit nicht klein reden. Es ist sicher­lich ein Problem, wenn Antibiotika nicht mehr helfen.

  3. Menschen iso­lie­ren, Menschen abson­dern. Was für eine abar­ti­ge Entwicklung hier. Wer mit sol­chem Begriffen ope­riert ent­ar­tet sich selbst.

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