"Nüchtern betrachtet muss man die Sanktionspolitik des Westens als gescheitert bezeichnen"

Wenn ein Mann wie Daniel Stelter, der lan­ge in füh­ren­den Positionen der Boston Consulting Group tätig war, ein sol­ches Urteil fällt, darf man sicher sein, es geht um Interessen und weni­ger um Ideologie. Das unter­schei­det aktu­ell Wirtschaftskreise von einer rea­li­täts­blin­den Bundesregierung.

han​dels​blatt​.com (21.7.24)

Es ist zu lesen:

»Die Sanktionen der Europäischen Union haben die Fähigkeit Russlands, einen Krieg zu füh­ren, bis­her nur wenig beein­träch­tigt. Zu die­sem Schluss kommt eine Studie, die das Bundeswirtschaftsministerium bei gleich vier Wirtschaftsforschungsinstituten in Auftrag gege­ben hat.

Die rus­si­sche Wirtschaft wächst ange­sichts des Rüstungsbooms kräf­tig. Die Experten hof­fen nun dar­auf, dass die „Sanktionen lang­fri­stig wie ein schlei­chen­des Gift“ wirken.

Nüchtern betrach­tet muss man die Sanktionspolitik des Westens als geschei­tert bezeich­nen. Wenn es dar­um geht, einen Krieg zu been­den, müs­sen Sanktionen rasch wir­ken und nicht erst auf sehr lan­ge Frist.

Auf mitt­le­re und lan­ge Sicht wird Russland ohne­hin wie­der unbe­schränkt am Welthandel teil­neh­men, ob uns dies nun gefällt oder nicht. Das lang­fri­stig wir­ken­de Gift scha­det uns dann mög­li­cher­wei­se selbst, zum Beispiel durch höhe­re Preise für Öl und Gas…

Man muss sich fra­gen, wie­so der Westen geglaubt hat, man kön­ne durch die Erhöhung der Preise für Rohstoffe den welt­größ­ten Exporteur eben­die­ser Rohstoffe „sank­tio­nie­ren“…

Den Verzicht auf den Import von Öl und Gas durch die EU mag man mora­lisch begrü­ßen. Man soll­te ihn aber nicht mit Sanktionen ver­wech­seln. Zum einen, weil eini­ge Länder wie Österreich und Ungarn wei­ter­hin Öl und Gas aus Russland bezie­hen. Zum ande­ren, weil auch Deutschland das tut, bei­spiels­wei­se über den Import von Diesel aus Indien, der mit rus­si­schem Öl her­ge­stellt wird. Im Ergebnis bezah­len wir mehr, ohne Russland nen­nens­wert geschwächt zu haben…

Wissen über ökonomische Zusammenhänge fehlt

Bleibt das Einfrieren der rus­si­schen Vermögenswerte, deren Erträge nun zur Finanzierung der Ukrainehilfe her­an­ge­zo­gen wer­den sol­len. Auch dies dürf­te Russland nur wenig beein­drucken, dafür umso mehr ande­re Staaten der Welt, die nun befürch­ten müs­sen, eben­falls ein­mal Ziel einer sol­chen Sanktion zu wer­den…«

16 Antworten auf „"Nüchtern betrachtet muss man die Sanktionspolitik des Westens als gescheitert bezeichnen"“

  1. «Bleibt das Einfrieren der rus­si­schen Vermögenswerte, deren Erträge nun zur Finanzierung der Ukrainehilfe her­an­ge­zo­gen wer­den sol­len. Auch dies dürf­te Russland nur wenig beeindrucken, (…)» 

    Zumal nach einer Darstellung des Sachverhalts die Vermögenswerte aus Schulden im Wert von von 300 Mrd. des Westens an die rus­si­sche Seite bestehen. Dummerweise schul­det umge­kehrt die rus­si­sche Seite 400 Mrd. Will sagen: Wenn die Russen «Wie du mir, so ich dir» spie­len, bleibt dem Westen ein Verlust von 100 Mrd.
    https://​free​dert​.online/​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​/​2​0​9​5​2​7​-​r​u​s​s​i​s​c​h​e​-​a​k​t​i​v​a​-​z​e​r​s​t​o​e​r​e​n​-​w​e​s​t​w​i​r​t​s​c​h​aft

    Ansonsten hat der Ökonom Michael Hudson fest­ge­stellt: Die Industrialisierung von Amerika und Deutschland im 19. Jh. basier­te auf Einfuhrzöllen und damit dem Zwang für die hei­mi­sche Industrie, die Produktion selbst zu ent­wickeln. Die Sanktionen haben für Russland exakt den glei­chen Effekt.

    Insgesamt beein­druckt am mei­sten der Verfall öko­no­mi­schen Grundwissens bei den poli­ti­schen Entscheidern im Westen.

    1. @Ulf, die kapi­ta­li­sti­sche Produktionsweise hat mit Ökonomie noch nie was zu tun gehabt. Die Massenproduktion elek­trisch betrie­be­ner PKWs bspw. ist aus öko­no­mi­scher Sicht völ­li­ger Blödsinn. Und öko­lo­gisch eine Kaptastrophe!

      1. @Erfordia …—Es gibt schon sowas wie die Produktion von Ge- und Verbrauchsgegenständen (zu letz­te­ren u.a. Waffen). Die gesell­schaft­li­che Organsiation der Produktion bezeich­net man gemein­hin als Ökonomie. Dass die Organisation kapi­ta­li­stisch dys­funk­tio­nal sein kann, wider­spricht nicht ihrem Begriff. Hauke Ritz hat dar­auf hin­ge­wie­sen (in versch. Vorträgen in Berlin anno '23), dass der Westen sich «ver­rü­stet» habe: Konzerne hät­ten viel Geld bekom­men um Waffen zu pro­du­zie­ren, die sich als kriegs­un­taug­lich erweisen.

  2. Die das vor­her­ge­sagt haben (haben sie ja nicht) müs­sen also wah­re "Hellseher" gewe­sen sein! (sind sie aber nicht) Man darf halt nicht "beun­ru­hi­gen". Der Buerger scheint sehr labil zu sein.

    Oh, was für Neuigkeiten – Wer hät­te das gedacht! Krieg ich jetzt auch Punkte … ???

  3. "Nüchtern betrach­tet muss man die Sanktionspolitik des Westens als geschei­tert bezeichnen" 

    … hier­zu bemü­he ich den – auch rhe­to­risch – krea­ti­ven Albert Einstein: "Probleme kann man nie­mals mit der­sel­ben Denkweise lösen, durch die sie ent­stan­den sind." 

    Der aktu­el­le Konflikt zwi­schen dem sog. Westen und Russland ist durch die Selbstüberschätzung, Arroganz und Doppelmoral des Westens ent­stan­den. Und mit der­sel­ben Selbstüberschätzung, Arroganz und Doppelmoral ver­sucht der Westen die­sen Konflikt auch zu lösen. Dass dies am Ende schief­ge­hen wird, haben bereits der Russlandfeldzug von Napoleon, der I. sowie der II. Weltkrieg gezeigt. Nur dies­mal kann die Rechnung dafür viel höher aus­fal­len, als die übli­che vor­über­ge­hen­de Niederlage, um danach einen erneu­ten Versuch star­ten zu können.

    1. @Stresstest,

      der Sieg der Roten Armee über den Hitlerfaschismus ist inso­fern bemer­kens­wert als daß da erst­mals in der gan­zen Geschichte der Menschheit ein Volk sich selbst, sein Vaterland, sei­ne Heimat und sei­ne sozia­li­sti­schen Errungenschaften ver­tei­digt hat.

      Und nicht nur das, die Sowjetarmee hat den Faschismus in ganz Europa in die Schranken gewiesen!

  4. Klar, ob und wie genau wel­che "Sanktionen" wann und wem hel­fen war und ist unklar – wie bereits nach der Krim-Annexion (die "uns" wie­der­um nicht dar­an hin­der­ten, Nordstream fer­tig­zu­basteln) ersichtlich.

    Es wäre natür­lich zynisch, dem UN-Mitglied und Verletzer der UN-Charta durch Handel Resourcen zur Verfügung zu stel­len, die er zu eben die­sem Zweck benut­zen könn­te – aller­dings ist da sogar der Verletzte ziem­lich pragmatisch:
    https://www.dw.com/de/was-wird-mit-den-gas-pipelines-der-ukraine/a‑69705749

    Vielleicht fällt ja irgend­wann mal jeman­dem etwas bes­se­res ein, als die­se "Sanktionen".
    Eine Ächtung – wie z.B. von Sportorganisationen prak­ti­ziert, die ande­rer­seits poli­ti­sche Stellungnahmen gene­rell äch­ten – ist ja eben­falls nicht beson­ders glaubwürdig.

    1. @Erfordia…: Ein gutes Beispiel dafür, wie frag­wür­dig der Begriff von "alter­na­ti­ven" Medien ist. Das mit dem Sozialismus war ein Witz, nicht wahr?

  5. "Grundwissen über [hier Fachgebiet ein­fü­gen] scheint nicht vor­han­den zu sein" kann als Standardphrase zu heu­ti­gen poli­ti­schen Entscheidungen dienen.

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