Unimedizin Mainz mit rund 114 Millionen Euro Verlust in 2023

Tja. Man könn­te es sich ein­fach machen und fra­gen "Na und?". Macht die Stadtbücherei, die Schule, die Feuerwehr etwa Gewinne? Wäre für öffent­li­che Forschung aus­ge­ge­be­nes Geld nicht gut ange­legt? Die letz­te Frage ist nicht zu beant­wor­ten ohne die Beobachtung der Wege die­ser Steuergelder in die pri­va­ten Taschen der Biontech, Boehringer & Co.. Dazu gleich mehr. Ein ande­rer Aspekt ist die betriebs­wirt­schaft­lich gedach­te Art, mit dem Defizit umzugehen:

So viel zu den Erklärungen von Lauterbach, sei­ne "Reformen" sei­en Maßnahmen gegen die Ökonomisierung des Gesundheitswesens und bräch­ten eine bes­se­re Versorgung der PatientInnen.


Die Universitätsmedizin Mainz ist ein Paradebeispiel für die plan­mä­ßi­ge Umleitung öffent­lich finan­zier­ter Forschungsergebnisse hin zu pri­va­ten Firmen. Es lohnt, sich die "10 Ausgründungen in den letz­ten 10 Jahren" anzu­se­hen, derer sich die Einrichtung rühmt. Wer pro­fi­tiert von der "Patentstrategie der Universitätsmedizin Mainz", in der es heißt: "Die UM unter­stützt for­schungs­in­ten­si­ve Unternehmensgründungen ihrer Wissenschaftler z. B. durch die Anmeldung von Schutzrechten und die anschlie­ßen­de Vergabe exklu­si­ver Lizenzen an die Gründer"?

Noch am 28.3.23 war auf der Seite der Hochschule zu lesen:

»Wissenstransfer der JGU

… Die Übertragung von Ergebnissen aus der Forschung in die Anwendungsebene, zum Beispiel in die Industrie und die öffent­li­che Verwaltung, und umge­kehrt von Erkenntnissen und neu­en Anforderungen aus der Anwendungsebene in die Forschung, ist ein wesent­li­cher Bestandteil des Wissens- und Technologietransfers der JGU. Wichtige Partner sind in die­sem Zusammenhang Unternehmen wie BASF, Boehringer Ingelheim, Merck oder Schott. Als erfolg­rei­che Spin-offs der JGU sind in jün­ge­rer Zeit vor allem die Firmen Biontech, Ganymed (inzwi­schen von Astellas Pharma über­nom­men), TRON oder auch StarSEQ zu nen­nen…«
web​.archi​ve​.org

Inzwischen nennt man die Privatisierung des Wissens "Technologietransfer". Auf uni​me​di​zin​-mainz​.de sind fast 30 die­ser Unternehmungen auf­ge­li­stet. Eine der frü­he­sten ist die­se, mit der sich die "Heldinnen der Pandemie" schon damals eine gol­de­ne Nase sicherten:

2009 erfolg­te eine Ausgründung, die erfolg­los an Krebsbehandlungen forsch­te, bis ihr elf Jahre spä­ter durch Entscheidungen nicht nur von Trump und Merkel ein in der Branche nie dage­we­se­ner Geldregen zukam. Zwar waren ihre mRNA-Stoffe nicht weni­ger erfolg­los und hoch umstrit­ten, aber Biontech konn­te sich auf eine welt­wei­te PR stüt­zen, die nicht die Firma, son­dern SteuerzahlerInnen finanzierten.

Mehr zu die­sen Tochterfirmen gibt es in:

Aus dem Jahr 2011 kommt die­se Privatisierung:

Hintergrundinfos zu die­ser Firma und dem Ehrenbürger der Stadt Mainz, Prof. Dr. Dr. mult. h.c. Christoph Huber, der zwar nicht hier, aber an den bei­den ande­ren Firmen von Sahin betei­ligt war/​ist, gibt es in "Millionenstrafe für Arzneimittel-Kartell". Das Fazit des Beitrags aus dem Oktober 2023 ist noch heu­te aktuell:

»Wir konn­ten sehen, wie die kri­mi­nel­len Preisabsprachen von Firmen wie Boehringer ver­blas­sen vor der lega­len unge­heu­ren Umverteilung von öffent­li­chen Geldern an pri­va­te Firmen. Daß das dar­ge­stell­te Netzwerk erheb­li­chen Einfluß auf die öffent­li­che Meinung und die Politik hat, wobei letz­te­re inte­gra­ler Bestandteil ist, haben wir nicht zuletzt bei Corona erle­ben kön­nen. Die Vorstellung, daß dies in ande­ren Branchen anders sei, wäre naiv. Alles dies ist ein­fach der nor­ma­le Kapitalismus der Neuzeit, und es fin­det statt mit deut­schen Unternehmen und deut­scher Politik. Einen Klaus Schwab oder Bill Gates braucht es dafür nicht, wenn sie auch ger­ne für die Ziele des Kapitals in Anspruch genom­men werden.«

Wie sich die Pharmaindustrie mit groß­zü­gen Spenden an die Uni Mainz revan­chiert, daß die­se über die "Stiftung Mainzer Universitätsfonds" über "ca. 400 Erbbaurechtsgrundstücke in bester Stadtlage" ver­fügt und damit "zu den bedeu­tend­sten Großgrundbesitzern in Rheinland-Pfalz" zählt und wel­che Rolle der "Freunde der Universität Mainz e. V." spielt, ist zu lesen in "Ethikbeirat" Rheinland-Pfalz für "ange­mes­se­ne sozia­le Einschränkungen".

Über die direk­te und unge­schmink­te Werbung für Biontech durch die Mainzer Prof. Frauke Zipp ist zu lesen in Noch ein Leuchtturm der Ethik. Moralisches Win-win einer Bekannten des Biontech-Chefs.

Eine Lobeshymne auf Privatisierungen im all­ge­mei­nen und Sahin/​Türeci im beson­de­ren lie­fer­te 2020 Ulrich Förstermann, wis­sen­schaft­li­cher Vorstand der Mainzer Uni-Medizin auf faz​.net.

Ein wenig beru­hi­gend ist es, daß mit­un­ter Träume auf die Realität sto­ßen, was aller­dings die immensen Geschenke an die Firmen nicht zurückbringt:

(Hervorhebungen in gelb und blau nicht in den Originalen.)

2 Antworten auf „Unimedizin Mainz mit rund 114 Millionen Euro Verlust in 2023“

  1. Tja, so ist das eben, wenn alles nur von pri­va­ten Interessen bestimmt ist. Ich fra­ge mich nur, wie man unter sol­chen Umständen von einer Demokratie reden kann.

  2. Hier Artikel dazu, wie die Unimedizin Mainz das Defizit erklärt:
    https://​www​.swr​.de/​s​w​r​a​k​t​u​e​l​l​/​r​h​e​i​n​l​a​n​d​-​p​f​a​l​z​/​m​a​i​n​z​/​m​a​i​n​z​e​r​-​u​n​i​m​e​d​i​z​i​n​-​r​e​c​h​n​e​t​-​f​u​e​r​-​2​0​2​4​-​m​i​t​-​9​7​-​m​i​l​l​i​o​n​e​n​-​e​u​r​o​-​d​e​f​i​z​i​t​-​1​0​0​.​h​tml -
    Kostensteigerungen und Fachkräftemangel – es sei­en nicht alle Betten man­gels Fachkräften zu bele­gen, was feh­len­des Geschäft bedeute. 

    Hier auch weni­ger Patientenbehandlungen angegeben:
    https://​www​.rpr1​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​d​p​a​-​r​h​e​i​n​l​a​n​d​-​p​f​a​l​z​/​u​n​i​m​e​d​i​z​i​n​-​m​a​i​n​z​-​m​i​t​-​r​u​n​d​-​1​1​4​-​m​i​l​l​i​o​n​e​n​-​e​u​r​o​-​v​e​r​l​u​s​t​-​i​n​-​2​023

    Kontra: https://​www​.swr​.de/​s​w​r​a​k​t​u​e​l​l​/​r​h​e​i​n​l​a​n​d​-​p​f​a​l​z​/​m​a​i​n​z​/​f​i​n​a​n​z​c​h​a​o​s​-​a​n​-​d​e​r​-​m​a​i​n​z​e​r​-​u​n​i​m​e​d​i​z​i​n​-​1​0​0​.​h​tml -
    Erhebliches Missmanagement, seit Monaten kei­ne Ausgangsrechnungen gestellt an Krankenkassen etc. Begründung sei auch hier Personalmangel (weils in und um Mainz wohl kei­ne Buchhaltungskräfte ein­zu­stel­len gäbe…lächerlich). Auch sei­en 60 Mio. Lieferantenrechnungen nicht bezahlt. 

    Und Massnahmen 2024:
    https://​www​.kma​-online​.de/​a​k​t​u​e​l​l​e​s​/​k​l​i​n​i​k​-​n​e​w​s​/​d​e​t​a​i​l​/​d​i​e​s​e​-​s​t​r​a​t​e​g​i​e​-​s​o​l​l​-​d​e​r​-​u​n​i​m​e​d​i​z​i​n​-​m​a​i​n​z​-​a​u​s​-​d​e​r​-​k​r​i​s​e​-​h​e​l​f​e​n​-​5​1​821
    Abteilungen intern sol­len zusam­men­ar­bei­ten sta­tio­när und ambu­lant Zusammenarbeit mit nie­der­ge­las­se­nen Ärzten. 

    Investition durch Land für qua­si Neubau in Höhe von 2.2 Mrd. EUR:
    https://​www​.swr​.de/​s​w​r​a​k​t​u​e​l​l​/​r​h​e​i​n​l​a​n​d​-​p​f​a​l​z​/​m​a​i​n​z​/​n​e​u​b​a​u​t​e​n​-​a​n​-​m​a​i​n​z​e​r​-​u​n​i​m​e​d​i​z​i​n​-​k​o​s​t​e​n​-​m​i​l​l​i​a​r​d​e​n​-​1​0​0​.​h​tml

    Was mei­nen Sie, aa, mit 'ande­rer Aspekt ist die betriebs­wirt­schaft­li­che Art mit dem Verlust umzugehen'? 

    Ich kann ihnen aus eige­ner frü­he­rer Erfahrung bei einer 'pri­va­ten' frei­ge­mein­nüt­zi­gen Klinik (mit Hauptträgern eine Stiftung neben 2 Krankenkassen und einer Berufsgenossenschaft) ver­si­chern, dass auch mit Auftrag zu nicht sehr hohen Tagessätzen (damals) nur eine schwar­ze Null zu erwirt­schaf­ten (kein Gewinn und kein Verlust) und sich selbst zu finan­zie­ren eine voll betriebs­wirt­schaft­lich pro­fes­sio­nel­le Betriebsführung not­wen­dig ist. 

    Das ist in Mainz schein­bar nicht gege­ben und ken­ne ich von ande­ren Fällen auch bei Trägerschaft bei Stadt oder Land. Sie spre­chen es doch auch an: der sog. Kapitalismus hat zwei Seiten, Privatisierung von Gewinnen und Sozialisierung von Verlusten. Da kommt man über Sozialismus nicht raus allei­ne, und Misswirtschaft ist Misswirtschaft… 

    Problem ist, dass man Nicht-wirt­schaft­lich­keit gut­heisst und aber beim Personal spa­ren will…

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