Tja. Man könnte es sich einfach machen und fragen "Na und?". Macht die Stadtbücherei, die Schule, die Feuerwehr etwa Gewinne? Wäre für öffentliche Forschung ausgegebenes Geld nicht gut angelegt? Die letzte Frage ist nicht zu beantworten ohne die Beobachtung der Wege dieser Steuergelder in die privaten Taschen der Biontech, Boehringer & Co.. Dazu gleich mehr. Ein anderer Aspekt ist die betriebswirtschaftlich gedachte Art, mit dem Defizit umzugehen:
So viel zu den Erklärungen von Lauterbach, seine "Reformen" seien Maßnahmen gegen die Ökonomisierung des Gesundheitswesens und brächten eine bessere Versorgung der PatientInnen.
Die Universitätsmedizin Mainz ist ein Paradebeispiel für die planmäßige Umleitung öffentlich finanzierter Forschungsergebnisse hin zu privaten Firmen. Es lohnt, sich die "10 Ausgründungen in den letzten 10 Jahren" anzusehen, derer sich die Einrichtung rühmt. Wer profitiert von der "Patentstrategie der Universitätsmedizin Mainz", in der es heißt: "Die UM unterstützt forschungsintensive Unternehmensgründungen ihrer Wissenschaftler z. B. durch die Anmeldung von Schutzrechten und die anschließende Vergabe exklusiver Lizenzen an die Gründer"?
Noch am 28.3.23 war auf der Seite der Hochschule zu lesen:
»Wissenstransfer der JGU
… Die Übertragung von Ergebnissen aus der Forschung in die Anwendungsebene, zum Beispiel in die Industrie und die öffentliche Verwaltung, und umgekehrt von Erkenntnissen und neuen Anforderungen aus der Anwendungsebene in die Forschung, ist ein wesentlicher Bestandteil des Wissens- und Technologietransfers der JGU. Wichtige Partner sind in diesem Zusammenhang Unternehmen wie BASF, Boehringer Ingelheim, Merck oder Schott. Als erfolgreiche Spin-offs der JGU sind in jüngerer Zeit vor allem die Firmen Biontech, Ganymed (inzwischen von Astellas Pharma übernommen), TRON oder auch StarSEQ zu nennen…«
web.archive.org
Inzwischen nennt man die Privatisierung des Wissens "Technologietransfer". Auf unimedizin-mainz.de sind fast 30 dieser Unternehmungen aufgelistet. Eine der frühesten ist diese, mit der sich die "Heldinnen der Pandemie" schon damals eine goldene Nase sicherten:
2009 erfolgte eine Ausgründung, die erfolglos an Krebsbehandlungen forschte, bis ihr elf Jahre später durch Entscheidungen nicht nur von Trump und Merkel ein in der Branche nie dagewesener Geldregen zukam. Zwar waren ihre mRNA-Stoffe nicht weniger erfolglos und hoch umstritten, aber Biontech konnte sich auf eine weltweite PR stützen, die nicht die Firma, sondern SteuerzahlerInnen finanzierten.
Mehr zu diesen Tochterfirmen gibt es in:
Aus dem Jahr 2011 kommt diese Privatisierung:
Hintergrundinfos zu dieser Firma und dem Ehrenbürger der Stadt Mainz, Prof. Dr. Dr. mult. h.c. Christoph Huber, der zwar nicht hier, aber an den beiden anderen Firmen von Sahin beteiligt war/ist, gibt es in "Millionenstrafe für Arzneimittel-Kartell". Das Fazit des Beitrags aus dem Oktober 2023 ist noch heute aktuell:
»Wir konnten sehen, wie die kriminellen Preisabsprachen von Firmen wie Boehringer verblassen vor der legalen ungeheuren Umverteilung von öffentlichen Geldern an private Firmen. Daß das dargestellte Netzwerk erheblichen Einfluß auf die öffentliche Meinung und die Politik hat, wobei letztere integraler Bestandteil ist, haben wir nicht zuletzt bei Corona erleben können. Die Vorstellung, daß dies in anderen Branchen anders sei, wäre naiv. Alles dies ist einfach der normale Kapitalismus der Neuzeit, und es findet statt mit deutschen Unternehmen und deutscher Politik. Einen Klaus Schwab oder Bill Gates braucht es dafür nicht, wenn sie auch gerne für die Ziele des Kapitals in Anspruch genommen werden.«
Wie sich die Pharmaindustrie mit großzügen Spenden an die Uni Mainz revanchiert, daß diese über die "Stiftung Mainzer Universitätsfonds" über "ca. 400 Erbbaurechtsgrundstücke in bester Stadtlage" verfügt und damit "zu den bedeutendsten Großgrundbesitzern in Rheinland-Pfalz" zählt und welche Rolle der "Freunde der Universität Mainz e. V." spielt, ist zu lesen in "Ethikbeirat" Rheinland-Pfalz für "angemessene soziale Einschränkungen".
Über die direkte und ungeschminkte Werbung für Biontech durch die Mainzer Prof. Frauke Zipp ist zu lesen in Noch ein Leuchtturm der Ethik. Moralisches Win-win einer Bekannten des Biontech-Chefs.
Eine Lobeshymne auf Privatisierungen im allgemeinen und Sahin/Türeci im besonderen lieferte 2020 Ulrich Förstermann, wissenschaftlicher Vorstand der Mainzer Uni-Medizin auf faz.net.
Ein wenig beruhigend ist es, daß mitunter Träume auf die Realität stoßen, was allerdings die immensen Geschenke an die Firmen nicht zurückbringt:
(Hervorhebungen in gelb und blau nicht in den Originalen.)
Tja, so ist das eben, wenn alles nur von privaten Interessen bestimmt ist. Ich frage mich nur, wie man unter solchen Umständen von einer Demokratie reden kann.
Hier Artikel dazu, wie die Unimedizin Mainz das Defizit erklärt:
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/mainz/mainzer-unimedizin-rechnet-fuer-2024-mit-97-millionen-euro-defizit-100.html -
Kostensteigerungen und Fachkräftemangel – es seien nicht alle Betten mangels Fachkräften zu belegen, was fehlendes Geschäft bedeute.
Hier auch weniger Patientenbehandlungen angegeben:
https://www.rpr1.de/nachrichten/dpa-rheinland-pfalz/unimedizin-mainz-mit-rund-114-millionen-euro-verlust-in-2023
Kontra: https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/mainz/finanzchaos-an-der-mainzer-unimedizin-100.html -
Erhebliches Missmanagement, seit Monaten keine Ausgangsrechnungen gestellt an Krankenkassen etc. Begründung sei auch hier Personalmangel (weils in und um Mainz wohl keine Buchhaltungskräfte einzustellen gäbe…lächerlich). Auch seien 60 Mio. Lieferantenrechnungen nicht bezahlt.
Und Massnahmen 2024:
https://www.kma-online.de/aktuelles/klinik-news/detail/diese-strategie-soll-der-unimedizin-mainz-aus-der-krise-helfen-51821
Abteilungen intern sollen zusammenarbeiten stationär und ambulant Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten.
Investition durch Land für quasi Neubau in Höhe von 2.2 Mrd. EUR:
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/mainz/neubauten-an-mainzer-unimedizin-kosten-milliarden-100.html
Was meinen Sie, aa, mit 'anderer Aspekt ist die betriebswirtschaftliche Art mit dem Verlust umzugehen'?
Ich kann ihnen aus eigener früherer Erfahrung bei einer 'privaten' freigemeinnützigen Klinik (mit Hauptträgern eine Stiftung neben 2 Krankenkassen und einer Berufsgenossenschaft) versichern, dass auch mit Auftrag zu nicht sehr hohen Tagessätzen (damals) nur eine schwarze Null zu erwirtschaften (kein Gewinn und kein Verlust) und sich selbst zu finanzieren eine voll betriebswirtschaftlich professionelle Betriebsführung notwendig ist.
Das ist in Mainz scheinbar nicht gegeben und kenne ich von anderen Fällen auch bei Trägerschaft bei Stadt oder Land. Sie sprechen es doch auch an: der sog. Kapitalismus hat zwei Seiten, Privatisierung von Gewinnen und Sozialisierung von Verlusten. Da kommt man über Sozialismus nicht raus alleine, und Misswirtschaft ist Misswirtschaft…
Problem ist, dass man Nicht-wirtschaftlichkeit gutheisst und aber beim Personal sparen will…