"Drei Impfungen könnten Schlaganfall-Risiko reduzieren verhindern – eine ist gegen Corona" [sic]

Nachwuchsjournalistinnen müs­sen üben dür­fen, man soll­te nach­sich­tig mit ihnen sein. Bedauerlicherweise sind die Zeiten vor­bei, in denen erfah­re­ne­re KollegInnen Tips gaben, wie blü­hen­der Unsinn ver­mie­den wer­den kann. Heute läßt man sie Artikel ver­öf­fent­li­chen wie den am 18.6.24 unter der Überschrift "Impfpass checken! Drei Impfungen kön­nen Schlaganfall- und Alzheimer-Risiko redu­zie­ren" auf mer​kur​.de. Ihm ist die Überschrift die­ses Beitrags ent­nom­men. Dort ist zu lesen:

»… Nachdem ein US-ame­ri­ka­ni­sches Forscherteam zwi­schen 2020 und 2022 die Krankheitsverläufe von knapp zwei Millionen Patienten mit einer Sars-CoV-2-Infektion unter­sucht hat­te, kam es auf das Ergebnis: Eine Corona-Impfung kann vor Schlaganfällen und wei­te­ren Komplikationen schüt­zen. Demnach war bei Menschen, die alle drei Corona-Impfungen erhal­ten hat­ten, das Risiko für eine schwe­re Herz-Kreislauf-Erkrankung 41 Prozent gerin­ger als bei Ungeimpften.

Das ist die Datenlage
Von den zwei Millionen unter­such­ten Patienten trat bis zu 180 Tage nach der Sars-CoV-2-Infektion bei knapp 14.000 ein Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine ande­re Herz-Kreislauf-Erkrankung ein. 160 von ihnen waren teil­wei­se und 1055 voll­stän­dig geimpft. Ein Großteil der Betroffenen – 12.733 Patienten – war nicht geimpft.

Quelle: Impact of Vaccination on Major Adverse Cardiovascular Events in Patients With COVID-19 Infection…«

Die Autorin ver­linkt kor­rekt auf den Text, der aller­dings kei­ne Studie ist, son­dern ein aus sie­ben Absätzen bestehen­der "Letter" im "Journal of the American College of Cardiology". Daß er nicht, wie sie meint, im Februar 2023, son­dern im März ver­öf­fent­licht wur­de, tut nichts zur Sache. Wohl aber das Unvermögen zu ver­ste­hen und zu beur­tei­len, was dort steht.

Das ist wirklich die Datenlage

Vielleicht ist es nicht die Aufgabe der Berichterstatterin, die Grundannahme der "Studie" zu befra­gen, wonach posi­tiv Getestete als infi­ziert oder gar als krank ver­stan­den wer­den. Womöglich muß sie nicht stol­pern über die groß­zü­gi­ge Definition des "Ungeimpftseins". Nicht durch­ge­hen las­sen darf man ihr aller­dings das Unterschlagen der Bezugsgrößen. In der Arbeit heißt es:

»Insgesamt 195 136 (10,1 %) Patienten waren voll­stän­dig geimpft, 22 707 (1,2 %) waren teil­wei­se geimpft und 1 716 451 (88,7 %) waren nicht geimpft. Insgesamt wur­de bei 13.948 Patienten (0,7 %) ein MACE beob­ach­tet: 12.733 Fälle tra­ten bei nicht geimpf­ten Patienten auf (0,7% die­ser Patienten), 160 bei teil­wei­se geimpf­ten Patienten (0,7%) und 1.055 bei voll­stän­dig geimpf­ten Patienten (0,5%).«
MACE: major adver­se car­diac events

Nur ein ver­schwin­dend klei­ner Teil der betrach­te­ten "Patienten" war von schwe­ren Herzerkrankungen betrof­fen. Und zwar mit ähn­li­chen Anteilen in der Gruppe der "geimpf­ten" 11 % wie in der der "unge­impf­ten" 87 %. Die Zahl der nicht "geimpf­ten" Herzkranken war schlicht des­halb grö­ßer, weil es in der beob­ach­te­ten Zeit mehr "Ungeimpfte" gab. Das Risiko war annä­hernd gleich ver­teilt, sofern die Daten als belast­bar akzep­tiert werden.

"Forschungsarbeiten zeigen, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Corona-Impfung und einem Schlaganfallrisiko gibt"

Die Autorin wird ihr Zitat zu kau­sa­len Zusammenhängen sicher anders ver­ste­hen als ich. Wie auch immer es gemeint ist, das ange­führ­te Papier behaup­tet noch nicht ein­mal eine Kausalität.

In dem Brief wer­den übri­gens nur "mRNA-Impfstoffe von Pfizer-BioNTech und Moderna und vira­le Vektorimpfstoffe von Johnson und Johnson" betrach­tet. Die in der Bundesrepublik immer­hin 14,4 Mio. aus­ge­lie­fer­te Dosen von AstraZeneca blei­ben außen vor. Außerdem wird nur der Zeitraum bis zum 1.2.2022 unter­sucht. Studien aus spä­te­ren Zeiten, in denen nicht bloß 11 % "geimpft" waren, erbrach­ten Ergebnisse, die wenig schmei­chel­haft für die Hersteller sind.

Mit den ande­ren guten Spritzen zur Verhinderung von die­sem und jenem moch­te ich mich nicht beschäf­ti­gen. Auch nicht mit ande­ren Beiträgen von Carmen Mörwald:

(Hervorhebungen in blau nicht in den Originalen.)

4 Antworten auf „"Drei Impfungen könnten Schlaganfall-Risiko reduzieren verhindern – eine ist gegen Corona" [sic]“

  1. Man muss das Qualitätsmedium, in dem die­se wich­ti­ge Nachricht publi­ziert wur­de, auch als das sehen, was es ist: Die Worte gele­sen und schon ver­ges­sen. Dies nimmt doch hof­fent­lich nie­mand für voll. Clickbait eben. 

    Die Geschichte mit dem Zombiehirsch, die klingt nett. Ich dach­te bei dem Titel aller­dings weni­ger an Viren, als an einen halb­ver­west her­um­tau­meln­den Hirsch, der apo­ka­lyp­tisch röhrt und dem der hal­be Schädel weg­ge­bal­lert wurde.

  2. Auch so wird aus einer Mücke ein Elefant - "Mehr Magenkrebs durch mehr Salz in der Suppe" (Unstatistik-Prof. Dr. Gerd Gigerenzer) ) sagt:

    Mehr Magenkrebs durch mehr Salz in der Suppe
    28.05.2024

    "Nach elf Jahren wur­de ermit­telt, wer an Magenkrebs erkrankt war. 

    Unter jenen,
    die nie oder sel­ten nach­salz­ten, waren 0,123 Prozent an Magenkrebs erkrankt; 

    unter jenen, die immer nach­salz­ten, waren es 0,231 Prozent. 

    Das sind abso­lut gese­hen 0,108 Prozentpunkte mehr – nicht beson­ders beeindruckend. 

    Doch bereits die Autoren der Studie haben 

    die­sen klei­nen Anstieg als rela­ti­ven Anstieg ausgedrückt, 

    und das klingt dann schon sehr beeindruckend. 

    Relativ gese­hen gibt es 88 Prozent mehr Magenkrebspatient/​innen (0,108/0,123)."

    https://​www​.rwi​-essen​.de/​p​r​e​s​s​e​/​w​i​s​s​e​n​s​c​h​a​f​t​s​k​o​m​m​u​n​i​k​a​t​i​o​n​/​u​n​s​t​a​t​i​s​t​i​k​/​d​e​t​a​i​l​/​m​e​h​r​-​m​a​g​e​n​k​r​e​b​s​-​d​u​r​c​h​-​m​e​h​r​-​s​a​l​z​-​i​n​-​d​e​r​-​s​u​ppe

    1. @Auch so…:
      Alter Hut. Gehört zur Standard-(Nieder)Tracht der Rechtgläubigen, die nach der (BionTech/Pfizer-)"Zulassungsstudie" genau so ange­wandt wur­de und (bei < 1% "schwer an Covid-19 Erkrankten" in der Placebo- gegen­über <0,1% in der "Impfstoff"-Gruppe) zu dem Mantra mit der 95%-igen "Wirksamkeit" führte
      https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/pfizer-und-biontech-veroeffentlichen-ergebnisse-der-phase‑3

      Wendet man die­se Methode auch auf die Todesfälle in bei­den Gruppen (21 in "Impfstoff"- vs 17 in Placebo-) an, so ergibt sich eine durch die "Impfung" um ca. 24% erhöh­te Sterbewahrscheinlichkeit [ver­ein­facht: 21/​22000 = 0,095% gegen­über 17/​22000 = 0,077% also: 100*(95–77)/77].
      Kenne (noch) kei­nen "Corona-Leugner", der mit der­ar­ti­gen Aussagen hau­sie­ren gegan­gen wäre, aber jede Menge von "Corona-Lügnern", bei denen das Lesezeichen immer noch auf der Seite mit dem Stuss von dem 95%-igen "Schutz vor schwe­rer Erkrankung" im Katechismus liegt.

      (Quelle: https://​www​.rese​arch​ga​te​.net/​p​u​b​l​i​c​a​t​i​o​n​/​3​7​4​7​9​8​9​4​8​_​F​o​r​e​n​s​i​c​_​a​n​a​l​y​s​i​s​_​o​f​_​t​h​e​_​3​8​_​s​u​b​j​e​c​t​_​d​e​a​t​h​s​_​i​n​_​t​h​e​_​6​-​M​o​n​t​h​_​I​n​t​e​r​i​m​_​R​e​p​o​r​t​_​o​f​_​t​h​e​_​P​f​i​z​e​r​B​i​o​N​T​e​c​h​_​B​N​T​1​6​2​b​2​_​m​R​N​A​_​V​a​c​c​i​n​e​_​C​l​i​n​i​c​a​l​_​T​r​ial
      die auch sonst inter­es­san­te Feststellungen enthält:
      "Given the lar­ge num­ber of par­ti­ci­pan­ts in the cli­ni­cal tri­al, 44,060 sub­jects recei­ving dose 1, the 38 deaths repor­ted in the 6‑Month Interim Report (…) see­med unex­pec­ted­ly low, par­ti­cu­lar­ly in the midst of the COVID-19 pan­de­mic." und wie das mög­li­cher­wei­se zu erklä­ren ist.).

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